Eine breite Diskussion über die derzeit dramatischen Veränderungen und den Niedergang in Deutschland gibt es leider nicht – weder im Privaten, noch in den Medien und der Politik. „Lass‘ mich damit in Ruhe“ oder „Das interessiert mich nicht“ oder „Ich will davon nichts hören, kapiert?“ oder schlicht „ist mir egal“. Derlei Abwehrhaltung erfährt man – mehr oder minder schroff formuliert – im Bekanntenkreis immer häufiger. Obwohl alle unzufrieden sind und sich zwei Drittel der Bürger über eine mangelnde Meinungsfreiheit beklagen, zieht man sich lieber zurück. Mit „Nein, ich brauche meinen Frieden“ angeblich noch nicht mal resignierend, in Wahrheit aber schon.
Die Lust, sich verbal im Diskurs zu fetzen und zu streiten, schwindet. Fragt man nach, dann landet man pauschal in der rechten Ecke und gerne auch bei den Nazis. Womit sich dann jegliche weitere Diskussion erübrigt. Doch ohne Diskussion gibt es keinen Pluralismus, und ohne diesen funktioniert keine Demokratie.
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Aus welchen Gründen hört man „Das interessiert mich nicht“ so oft?
1) Die einen haben noch nie erlebt, was die Abwesenheit von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand bedeutet. Und sie wissen nicht, daß nur die Demokratie bzw. die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung (FDGO) dies alles über einen so langen Zeitraum von 75 Jahren ermöglicht haben.
2) Andere wiederum hängen dem Wokeismus von links an, der den Selbsthass auf alles irgendwie Deutsche pflegt und deshalb auch das Desinteresse daran befördert.
3) Die dritte Gruppe ist einfach nur wohlstandsverwöhnt und bequem.
Menschen in den Gebieten der ehemaligen DDR und auch Migranten aus islamischen bzw. totalitären Ländern haben Unfreiheit erlebt und wertschätzen deshalb die Freiheit unseres demokratischen Rechtsstaates. Sie engagieren sich. Der Erhalt dieser Freiheit liegt in ihrem höchsten Interesse.
Hierzu ein beeindruckendes Beispiel: Die aus Afghanistan gebürtige Schriftstellerin Mariam Kühsel-Hussaini macht über ihre Romane den Bürgern Mut, sich für die Grund- und Freiheitsrechte hierzulande einzusetzen. Auf die Frage „Was macht Ihrer Ansicht nach das wahre Deutschland, das Sie da beschwören, aus?“ antwortet sie:
Deutschland will lieben und geliebt werden.
Bei Heine küßt und spricht sogar das Veilchen deutsch
– das küßte mich und sprach auf deutsch: ich liebe dich!
Ein „Das interessiert mich nicht“ käme Mariam Kühsel-Hussaini wohl niemals über die Lippen.
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Ehemalige Gastarbeiter, die Integration immer als ihre Bringschuld aufgefasst haben, wie auch ihre Kinder, denen sie diese Haltung vermittelten, konnten sich ein „Das interessiert mich nicht“ niemals erlauben. Sie waren gezwungen, sich in das gesellschaftliche Leben hierzulande einzubringen, wie Migranten in den Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien heute noch. Sie haben sich – ohne Bürgergeld incl. Warmmiete– einen Wohlstand erarbeitet, auf den sie zu Recht stolz sein können.
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Zuversichtlich macht, daß man „Das interessiert mich nicht“ von der jungen Generation immer weniger hört. Auch nach der neuen Shell-Jugendstudie nimmt deren Politikverdrossenheit ab und deren Interesse am politischen Geschehen zu. Verständlich, da gerade sie abends und nachts nicht in vornehm abgeschiedenen Wohnvierteln des Establishments verweilen, sondern draußen im öffentlichen Raum unterwegs sind, in dem junge Männer herrschen, die bzw. deren Eltern in islam-patriarchalen Gesellschaften sozialisiert worden sind.
Die Alterskohorte der 16- bis 24-Jährigen hat erkannt, daß es um die Freiheit, Objektivität und Ausgewogenheit der konventionellen Medien in D (ganz anders in F und I) schlecht aussieht. Unser zwangsfinanzierter ÖRR wie auch die teilweise subventionierten Mainstreammedien sind zu Claqueuren der jeweiligen Berliner Regierung geworden. Kritik wird als rechts = rechtsradikal = rechtsextrem = Nazi diffamiert. Dabei gilt nach wie vor das grundlegende Diktum von Hannah Arendt: „Die Pluralität der Meinungen ist der Motor der Demokratie“. Und auch Rüdiger Safranski’s Aussage „Wo es links gibt, muß es auch rechts geben und umgekehrt“. Abweichende Meinungen werden vornehmlich über Internet verbreitet. Neben Social Media sind dies die drei täglichen Informationslieferanten bzw. Favoriten so vieler junger Menschen:
– https://www.kontrafunk.ch (bzw. https://www.kontrafunk.radio , kontrafunk.de) Digital-Radio von deutschen Journalisten, die aus der Schweiz senden.
– https://www.dushanwegner.com/freie-denker Übersicht zu 30 deutschsprachigen Polit-Portalen, deren Links alle 15 Minuten mit aktualisiert wird.
– https://apollo-news.net Nachrichten-Plattform von jungen 20-25-jährigen JournalistInnen aus Berlin.
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Natürlich hat man als Jugendlicher einen Anspruch auf ein sorgenfreies Aufwachsen bzw. auf Unbekümmertheit. Ja, aber: Die aktuelle Politik des Schuldenmachens wälzt die Probleme und Lasten der Gegenwart auf die Zukunft ab, also auf die nachwachsende Generation. Und dies erfahren auch die 16-Jährigen – nicht im ZDF, sondern im ach so vielgeschmähten TikTok.
Ganz im Gegensatz verhält sich die Generation der Alten bzw. Ruheständler, die diesen Anspruch auf Unbekümmertheit für sich geltend machen. Und dabei mit Pensionen bzw. Renten in einer Höhe ausgestattet sind, die die nachfolgenden Alten wohl nie erreichen werden. Ihre Devise lautet überspitzt formuliert:
– Ich bin ja so positiv und optimistisch.
– Es gibt nur eine Wahrheit und die heißt Ampel-Regierung oder wer gerade regiert.
– Wir sind in D ja so ein reiches Land.
– Lasst uns in Ruhe mit eurem alternativen Hinterfragen und Diskutieren.
Henryk M. Broder, der jüdische Gründer von https://www.achgut.com, hat diese Haltung bzw. Devise als „realitätsfernen Optimismus“ beschrieben und darauf hingewiesen, daß die jetzige Generation der Alten diese Devise benutzt, um ihre Flucht vor Verantwortung und ihr Schmarotzertum als Generation AUS (Apotheke, Urlaub, Sucht) zu caschieren. „Das interessiert mich nicht“ sagt der realitätsferne Optimist.
Gleichzeitig führt das ungerechte Rentensystem dazu, daß immer mehr Menschen trotz 40-bis 50-jähriger Erwerbstätigkeit im Alter in prekären Verhältnissen leben müssen – eine beklagenswerte Spaltung der alternden Gesellschaft: Einerseits die Seniorengeneration AUS, die in Südspanien überwintert, und andererseits die Altengeneration ARM, die die Abfalleimer nach etwas Verwertbarem durchsucht.
Wie der Bekanntenkreis unterbinden auch Politik und Mainstreammedien die Diskussion – nur wird dabei ein privates „Das interessiert mich nicht“ ersetzt durch ein staatliches „Das hat Sie aber zu interessieren“, worauf die Bürger durch den polit-medialen Komplex mit den verschiedenen Instrumenten von Nudging, Erziehung, Demokratieförderung, Aufklärung, Pädagogisierung, Propaganda Kampagne und Instruktion konfrontiert werden. Über Zeitungsanzeigen, TV-Spots, Websites, Plakate und Polit-Talks. Wie die Waschmittelindustrie ihr Ariel, so bewirbt die Bundesregierung über die von ihr finanzierten NGOs und die Medien „unsere Demokratie“ mit Millionenbeträgen. In 2023 wurden allein 182 Mio Euro an Steuergeldern für das Programm „Demokratie leben!“ ausgegeben.
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Die Bürgermeinung „Das interessiert mich nicht“ geht noch tiefer:
Nachdem Religion, Nation und die „westlichen Werte“ kaum mehr gelten, stellt sich die Frage, worauf der säkulare demokratische Staat noch gründet, d.h. „worin findet er die ihn tragende, homogenitätsverbürgende Kraft und die inneren Regulierungskräfte der Freiheit, deren er bedarf, nachdem die Bindungskraft der Religion für ihn nicht mehr essentiell ist und sein kann?“. Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde beantwortet diese Frage 2006 in dem nach ihm benannten Böckenförde-Diktum wie folgt:
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation“ In: Recht, Staat, Freiheit. 2006, S. 112 f, kursiv im Original)
Die FDGO kann nur bestehen, wenn die Bürger die ihnen gewährte Freiheit nutzen, um sich für ihre FDGO einzusetzen. Sei es durch Partizipation am gesellschaftlichen Diskurs (Diskussionskultur) oder durch die Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen (aktives und passives Wahlrecht). Wenn „Das interessiert mich nicht“ zum vorherrschenden Statement wird, dann wird die FDGO zur Farce und die Demokratie wird letztendlich über eine Post-Demokratie zum Totalitarismus.
Hinter „Das interessiert mich nicht“ verbirgt sich das entschuldigende „Keine Ahnung“, und die Ahnungslosen waren schon immer die besten Untertan in irgendeinem totalitären System.
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Die Demokratie ist die beste, wenngleich für seine Bürger anstrengendste Staatsform. Denn sie sind als mündige Bürger gefordert, sich in einer pluralen Gesellschaft mit ihrer eigenen Meinung einzubringen. Um so zum „Consent of the Governed“ beizutragen. Verzichten die Bürger auf ihre Mündigkeit, dann landen sie über kurz oder lang in einer Diktatur, in der ihr „Das interessiert mich nicht“ die da oben garantiert überhaupt nicht interessiert.
18.10.2024
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https://ansage.org/die-todesfloskel-fuer-jede-demokratie-das-interessiert-mich-nicht/