2025 drei Buchmessen: L, F, DD

Auf der Frankfurter Buchmesse dreht sich alles um Bücher. Man kann sie kaufen, ausleihen oder sich schenken lassen. Um darin zu lesen, darüber zu diskutieren, sie weiterzugeben oder im Bücherregal abzustellen für irgendwann später mal. All dies geschieht incognito, d.h. über das Buch verfügt man frei.
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Früher war die Frankfurter Buchmesse allen Besuchern, Autoren und Rezensenten frei zugänglich – ebenfalls incognito. „Heute muß man wahrscheinlich ein Schild mit einer Bekundung zur Demokratie und Toleranz hochhalten“, so Cora Stephan in (1). Und die Eintrittskarten sind online zu bestellen, die Buchmesse „nötigt Besucher zum Datenstriptease“ (Norbert Haering in (2)).
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Mit dem Buch als wertvollem Kulturgut darf man nicht so jämmerlich umgehen wie jüngst wieder auf der Frankfurter Buchmesse. In jedem Buch steckt Information und Mühe des Verfassers. Nur der Autor selbst hat das Recht, einem anderen Menschen das Lesen seines Buches – ob Print oder e-Book – zu verbieten. Jürgen Boos, der Direktor der Buchmesse, erklärte bei der Eröffnung: „… im Zentrum steht der friedliche und demokratische Diskurs“. Gut gesagt.
Wie aber soll dieser Diskurs stattfinden, wenn bestimmte Bücher nicht bzw. nur irgendwo ans Ende einer Sackgasse ausgestellt werden dürfen mit der Begründung, sie vertreten eine abweichende Meinung? Abweichend von was? Wo Diskurs per se nur möglich ist, wenn verschiedene Meinungen – linke, libertäre, rechte und welche auch immer – aufeinandertreffen und deshalb nach einer Diskussion geradezu verlangen. Da bleibt nur dieser Trost: Am grundlegenden Diktum von Hannah Arendt „Die Pluralität der Meinungen ist der Motor der Demokratie“ kommt auch die Kulturschickeria der Frankfurter Buchmesse nicht herum.
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Susanne Dagen, die Leiterin vom Buchhaus Loschwitz in Dresden: „Wenn es noch in den Zweitausender Jahren möglich war, daß eine wirkliche Vielfalt von Verlagen auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt präsent war, ist mit dem steten Absingen der Begriffe von Toleranz, Respekt und eben der Vielfalt genau diese verschwunden.“ (3)
Mit der politisch linken Einseitigkeit der beiden deutschen Buchmessen in rankfurt und Leipzig will Susanne Dagen sich nicht abfinden. Für 2025 kündigt sie mit dem Schweizer Medienpartner https://www.kontraunk.radio eine zusätzliche alternative Buchmesse an mit Verlagen, die „sich mit Büchern und Autoren offen zeigen“.

Vielfalt belebt nicht nur das Geschäft, sondern auch die Kultur. Dann hätten wir im Jahr 2025 drei Buchmessen: Leipzig, Frankfurt und Dresden (in alphabetisch absteigender Reihenfolge).
18.10.2024
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Beginn von Anlagen (1) bis (3)
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(1) Die Frankfurter Buchmesse ist mal wieder keinen Besuch mehr wert
Toxische Weis(s)heit: Wir leben in interessanten Zeiten, jawoll!

2017 reservierte die Buchmesse deshalb für die rechten (und extrem rechts gelesenen) Verlage eine Insel der Abgeschiedenheit in einer Sackgasse. Das war lustig, es gab ein wenig Gerangel und viel Polizeipräsenz, doch zum Bücherverbot mochte man sich dann doch nicht durchringen. Immerhin https://www.kunst-mag.de/2017/10/15/ein-zeichen-gegen-rechte-verlage-auf-der-frankfurter-buchmesse-2017/ : „Verleger*innen (warben) für eine vielfältige und solidarische Verlagsszene“. „Wir stehen für eine offene Debatte und treten für die Beteiligung und Teilhabe möglichst vieler Menschen an Kultur und Literatur ein.“ Nur rechtsradikale und rechtspopulistische Verlage und Publikationen dürfen nicht „teilhaben“, wer immer definiert, wer das genau ist. Vielfalt und Teilhabe gilt eben nicht für jeden. Deshalb sind auch in diesem Jahr russische Verlage nicht vertreten, egal, ob sie für oder gegen den Krieg mit der Ukraine sind.
… Alles vom 17.10.2024 von Cora Stephan bitte lesen auf
https://www.achgut.com/artikel/toxische_weisheit_wir_leben_in_interessanten_zeiten_jawoll
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Einige Kommentare:
Danke, liebe Frau Stephan, da haben Sie den Nagel mal wieder mitten auf den Kopf getroffen. Es stimmt, früher war nicht nur mehr Lametta, sondern es herrschte auch eine fröhliche Stimmung auf der Buchmesse. Die Besucher waren neugierig auf eine große Auswahl spannender Neuerscheinungen. Inzwischen hat sich so etwas wie Lähmung breitgemacht. Man weiß ja nicht, was dem geneigten Leser überhaupt noch zu lesen gestattet ist. Oder wenn schon, wie er sich über die Lektüre äußern “darf”, ohne in irgendeine Ecke gestellt oder ausgegrenzt zu werden. Toll natürlich, dass unsere verehrte ehemalige Kanzleröse ihr Opus Magnum vorstellen wird – ja sogar muss. Ich bin schon einmal gespannt auf die Lobeshymnen aus den Redaktionen einschlägiger Presseorgane sowie der Staatsmedien. Dass Merkel ihr Oeuvre auch noch mit dem schönen Begriff “Freiheit” betitelt, ist ein Treppenwitz. Ob diese begnadete sprachliche Stilistin wohl eigenmündig aus ihrem Werk vorlesen wird? Ein derartiges “Event” dürfte dann in die Geschichtsbücher eingehen!!! Uta Buhr
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Meine persönliche Meinung: ich finde es unangebracht und sogar widerlich, dass jedweder Anlass inzwischen für plumpe politische Anbiederung an den vermeintlichen Zeitgeist missbraucht wird. Ob Buchmesse, Kunstausstellung, Theateraufführung, wissenschaftlicher Austausch oder Fussballspiel. Auch das hätte man aus den Erfahrungen mit den sozialistischen Diktaturen zwischen 1933 und 1945 sowie zwischen 1949 und 1989 gelernt haben müssen: dass nämlich derartiges Mitläufertum stets in den Untergang führt. Rolf Mainz
Ende Kommentare
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(2) Frankfurter Buchmesse nötigt Besucher zum Datenstriptease
Wer die Frankfurt Buchmesse besuchen will, immerhin eine Messe für das gedruckte Buch, muss sich online ein Ticket besorgen und dies mit Kreditkarte oder Paypal bezahlen. Außerdem muss man der Weitergabe seiner Daten an Werbetreibende und andere zustimmen.
… Alles vom 15.10.2024 bitte lesen au
https://norberthaering.de/news/frankfurter-buchmesse-datenstriptease/
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(3) Susanne Dagen: Der ostdeutsche Literaturbetrieb in Zeiten politischer Umbrüche
Zwischen zwei Seiten

Und so ist die Buch- und Verlagsbranche dann doch auch immer von den stetig wechselnden Winden aus Wirtschaft und Politik konfrontiert, geprägt und letztlich diesen wohl auch ausgeliefert. Die letzten zehn Jahre habe ich als selbständige Buchhändlerin der Gründergeneration nach 1989 und mittlerweile auch als Verlegerin unsere Branche als sehr politisiert wahrgenommen. Wenn es noch in den Zweitausender Jahren möglich war, daß eine wirkliche Vielfalt von Verlagen auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt präsent war, ist mit dem steten Absingen der Begriffe von Toleranz, Respekt und eben der Vielfalt genau diese verschwunden.

Fast unsichtbar geworden, denn spätestens die Vorkommnisse auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2017 haben eine neue Qualität zutage treten lassen. Eine Qualität, die eben nichts mit geistiger Auseinandersetzung, wie es noch einige Jahre zuvor Usus war, zu tun hat, sondern nur noch mit dem Wunsch nach dem Verschwinden mißliebiger noch bestehender politischer Meinungen und verlegerischer Ausprägungen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der just in diesem Jahr sein 200jähriges Bestehen feiert und in Zeiten schwindender Mitgliedszahlen nun auch an uns gerichtet, die wir noch 2017 ausgetreten waren, auf postalischem Weg mit Rabatten winkend um neue Mitglieder ringt, hatte damals zur „aktiven Auseinandersetzung“ mit als rechts markierten Verlagen aufgefordert. Dies erfolgte nicht nur zu nächtlicher Stunde mit der Zerstörung der Verlagsstände und Bücher, sondern auch in Form einer Demonstration des Börsenvereins mit gereckten Plakaten vor diesen Ständen, auf denen von Toleranz, Respekt und Vielfalt zu lesen war.

Unsere „Charta 2017“ als offener Brief an den Börsenverein war damals die schnelle Reaktion darauf und weniger von dem Wunsch nach Mobilisierung getragen als vielmehr als empfundene Zäsur zum Schaden der Meinungsfreiheit als verbrieftem Grundrecht. Und schon dies hat ausgereicht, um wiederum uns als Andersdenkende zu markieren, die nun persönlich und wirtschaftlich zu bekämpfen waren. Nur, daß diese „Charta 2017“ eben nicht eine Fußnote in der Buchhandelsgeschichte blieb, sondern als Auftakt für nachfolgende Appelle und Petitionen stand, zeigt, daß verschiedene grundrechtliche Freiheiten immer sichtbarer in Bedrängnis gerieten.

Aus der Notwendigkeit heraus, den immer zahlreicher werdenden Autoren, die zu verschwinden drohen, einen verlegerischen Ort zu geben, entstand unsere Reihe „Exil“. Seit 2020 erschienen in dieser Reihe fast 30 Bücher, die literarisch und essayistisch als Kommentare zur Zeitpolitik zu lesen sind. Mit diesen Büchern habe ich in den letzten Jahren in Leipzig auf der Buchmesse einen eigenen Verlagsstand der Edition Buchhaus Loschwitz präsentiert. Und obwohl, gerade in Leipzig, die Aktivitäten der „Verlage gegen Rechts“ und die im Vorfeld sich immer weiter verstetigende Ausgrenzung aller nichtlinken Verlage hohe Feste feierten, konnten wir ungestört Gäste, Kunden und Freunde empfangen.
Ich war auch mittendrin, als zur diesjährigen Eröffnung die Aufforderung erging, zum Schutz „unserer Demokratie“ die auf den Plätzen ausgelegten Zettel hochzuhalten. Man ahnt, was auf diesen bunten Papieren stand: Respekt, Toleranz, Vielfalt … Die Pressefotos davon gingen um die Welt, und leider sind es ebendiese Bilder, die Geschichte für die Nachgeborenen sichtbar prägen. Im nächsten Jahr also werden wir, so habe ich daraufhin beschlossen, nicht Teil dieser Inszenierung in Leipzig sein.

Im Jahr 1990 fand übrigens parallel zur ersten gesamtdeutschen Leipziger Buchmesse eine kleine, eine alternative Buchmesse statt und bot den neuen DDR-Verlagen sowie deutschsprachigen Klein- und Independent-Verlagen eine Präsentationsmöglichkeit. Wir werden dieses Bild aufnehmen und im November nächsten Jahres neben der vielleicht stattfindenden Leipziger Buchmesse und neben der Frankfurter Buchmesse eine eigene Messe für Bücher, für Leser und für Verlage organisieren, die sich mit Büchern und Autoren offen zeigen wollen. Und mit dem bereits gefundenen und zugesagten Medienpartner, dem Kontrafunk-Radio, werden wir genau die Reichweite erzielen können, vor der jene, die unsere Freiheiten beschneiden wollen, wohl die größte Angst haben.

Susanne Dagen, Jahrgang 1972, ist Buchhändlerin, Verlegerin und Kommunalpolitikerin in Dresden. Sie leitet das Buchhaus Loschwitz, das zahlreiche Schriftsteller anzieht. Zudem verlegt sie die „Exil“-Reihe. 2015 und 2016 erhielt sie den Deutschen Buchhandlungspreis. https://kulturhaus-loschwitz.de
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… Alles vom 18.10.2024 von Susanne Dagen bitte lesen in der JF 43/24, Seite 18
https://www.junge-freiheit.de

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