Schon 80 Jahre ist es her, also drei Generationen, seit der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Deutschlands endete. Und immer noch kann man sich nicht einigen, ob der 8. Mai 1945 nun als „Tag der Befreiung“ (Richard von Weizsäcker, siehe (1) unten), „Tag der Zerschlagung des Nationalsozialismus“ (Michael Klonovsky, mehr hier) oder „Tag des Friedens“ (Hubertus Knabe, mehr hier) begangen werden soll.
Aber dieses Erinnern und Gedenken darf nicht instrumentalisiert werden für irgend welche Animositäten und Vorwürfe. So hat Frank Walter Steinmeier in seiner Gedenkrede (siehe (2)) den USA einen „Wertebruch“ vorgeworfen und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf eine Stufe gestellt mit diesem vermeintlichen Wertebruch. Es ist ungeheuerlich: Steinmeier stellt Trump mit Putin auf eine gleiche Stufe. Auf derlei konfrontative und dem Friedensprozess abträgliche Spekulationen und Rhetorik sollte die deutsche Aussenpolitik verzichten – auch und gerade für den Bundespräsidenten ist Diplomatie und Friedensrhetorik angesagt! Von Deutschland müssen Fiedensgebote und Friedensangebote ausgehen.
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Ja, der Rückblick ist wichtig. Doch viel entscheidender ist der Blick in die Zukunft: Die Geschichte hat bewiesen, daß Deutschland als Land in der Mitte Europas nicht für den Krieg taugt, sondern ’nur‘ als Friedensmacht. Das Statement von Willy Brandt „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“ und seine Entspannungspolitik hat im Jahr 2025 mehr Gültigkeit denn je.
Schließlich öffnet sich mit dem Ende des Ukrainekriegs ein Zeitfenster, das zur Errichtung einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur genutzt werden muß. Dieses Zeitfenster hat sich geöffnet mit der Verabschiedung der USA von der Brzezinski-Doktrin „Keine Kooperation von D und RU“ und ihrer Hinwendung von Europa weg zur Auseinandersetzung mit China. Wer weiß, wie lange dieses Zeitfenster noch offen ist? Und ob dann nicht erneut das Statement aus Gorbatschow’s Zeit „Wer zu spät kommt, den bestraft …“ ertönt?
10.5.2025
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Ende von Beitrag „Kriegsende 8. Mai 1945 erinnern“
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Beginn von Anlagen (1) – (3)
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(1) Weizsäcker-Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8.Mai 1985
Am 8. Mai 1985 hielt Richard von Weizsäcker seine berühmte oder als berühmt geltende Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes – mich haut sie nicht vom Hocker, aber verglichen mit dem, was sein aktueller Platzhalter so absondert, ist sie überaus differenziert, sehr kundig und enorm stilsicher –, in welcher er die Ostblock-Diktion „Tag der Befreiung” in die offizielle Rhetorik der BRD einführte. Das ist die Formulierung, die im Gedächtnis blieb; der Rest seiner Rede ist im Malstrom der kollektiven Amnesie verschwunden.
In Wirklichkeit kämpfte der Präsidialpastor aller Präsidialpastoren die gesamte Rede hindurch mit der Ambivalenz dieses Datums. Er konnte sich natürlich sicher sein, dass dieser eine Satz von jedem Medium zitiert, kommentiert und tatsächlich überleben würde; inwieweit er darauf spekuliert hat, sei dahingestellt. Ansonsten folgte Weizsäcker Goethes „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;/Und jeder geht zufrieden aus dem Haus” und bediente alle Seiten; niemand kann behaupten, dass diese Rede einseitig und unangemessen gewesen sei. Aber das alles ist vergessen worden. Nur die eine fatale Formulierung blieb.
Schauen wir deshalb noch einmal ins Manuskript. Ich greife einige Passagen heraus, die meisten nach dem Kriterium einer gewissen Nonkonformität aus heutiger Sicht. (Die Reihenfolge wirkt etwas chaotisch, folgt aber der Chronologie der Rede.)
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… Alles vom 8.5.2025 von Michael Klonovsky bitte lesen auf
https://www.klonovsky.de/2025/05/8-mai-2025/
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(2) Steinmeier nutzt Gedenk-Rede, um Amerika epochalen „Wertebruch“ vorzuwerfen
Seine Gedenkrede zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs nutzt Steinmeier für Kritik an der amerikanischen Politik. Er warf den USA einen „Wertebruch“ vor, den er mit dem russischen Angriffskrieg auf eine Stufe stellte.
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Eine internationale Ordnung auf Basis des Völkerrechts sei geschaffen worden. Diese Ordnung sei „nie perfekt“ gewesen, „nie unumstritten“. „Aber dass sich nun ausgerechnet die Vereinigten Staaten auch, die diese Ordnung so maßgeblich mitgeschaffen und mitgeprägt haben, von ihr abwenden, das ist eine Erschütterung neuen Ausmaßes“. Deshalb rede Steinmeier von „einem doppelten Epochenbruch, der Angriffskrieg Russlands und der Wertebruch Amerikas, das ist das, was dieses Ende des langen 20. Jahrhunderts markiert“.
… Alles vom 8.5.2025 bitte lesen auf
https://apollo-news.net/steinmeier-nutzt-gedenk-rede-um-amerika-epochalen-wertebruch-vorzuwerfen/
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Einige Kommentare:
Steinmeier hat dem Mullah-Regime im Iran zum Jahrestag der Revolution gratuliert. Mehr Wertebruch geht gar nicht mehr. Juerge
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„Wir sehen mit Schrecken, dass selbst die älteste Demokratie der Welt schnell gefährdet sein kann, wenn die Justiz missachtet, die Gewaltenteilung ausgehebelt, die Freiheit der Wissenschaft angegriffen wird.“ – Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 08.05.2025
Mit „Schrecken“… soso. Aber mit Angst Politik machen doch immer nur andere.
„Ob das die Hassprediger sind, wie Donald Trump im Augenblick in den USA. Was sie alle eint: Sie spielen mit den Ängsten der Menschen, sie machen mit Angst Politik.“ – Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 04.08.2016. robow
Ende Kommentare
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(3) Der 8. Mai in Deutschland
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht – zunächst in Reims, dann durch Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin-Karlshorst.
Deutschland hatte den Krieg begonnen, um sich zur Vormacht Europas aufzuschwingen und sich mit dem riesigen Territorium der Sowjetunion den „Raum“ einzuverleiben, den das Volk nach Auffassung seiner Führung brauchte. Die dort ansässigen Menschen sollten im Krieg vernichtet oder durch Arbeitssklaverei aufgerieben werden. Dass das in Ordnung ging, bestätigte die nationalsozialistische Rassenkunde, die sie als „minderwertig“ eingestuft hatte.
27 Millionen Menschen aus der Sowjetunion kostete dieses deutsche Staatsprojekt das Leben, mehr als die Hälfte davon Zivilisten; allein in Leningrad kamen mehr als eine Million infolge einer erbarmungslosen Hungerblockade ums Leben. Die Zerstörungen in den sowjetischen Städten waren unerhört; ins Minsk stand quasi kein Haus mehr. John Steinbeck, der US-amerikanische Schriftsteller, berichtet von seiner Reise in die Sowjetrepubliken, dass die geschlagene deutsche Wehrmacht bei ihrem Rückzug auch noch sämtliche Obstbäume verbrannte, um nur ja nichts Nützliches für ein Leben nach dem Krieg zu hinterlassen – ein in jeder Hinsicht einmaliges Vorgehen.
80 Jahre später
Deutschland, der Kriegsverlierer von damals, hat es weit gebracht. Es ist inzwischen die Vormacht einer EU, die zwar nicht ganz Europa, aber immerhin große Teile umfasst … Jugoslawien, das unter der Führung des Partisanenkämpfers Tito gebildet worden war, wurde mit tätiger Mithilfe Deutschlands zerschlagen und in handliche Teilstaaten verwandelt, die sich – bis auf Serbien – bereits mehr oder weniger der deutschen EU zu- oder unterordnen ließen.
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Die Teilnahme an dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien etwa wurde kreativ mit der deutschen Schuld an einem Genozid gerechtfertigt: Nie wieder! hieß demzufolge 1999: deutsche Bomben auf Belgrad!
Auf der Ebene der Diplomatie versuchten deutsche Politiker ganz gerne, sich in die Reihe der Sieger schleichen – am D’day in der Normandie oder sonstwo –, was die Nato-Freunde auch mehr oder weniger zugelassen haben, schließlich ging die Zeit der politischen Neutralität gegenüber Russland schnell zu Ende. Der Ukraine-Krieg lieferte dann den endgültigen Anlass, in den Russen ziemlich bruchlos den alten Feind wieder zu erkennen – und ihm gemeinsame Feiern in Moskau oder wo zu verweigern.
Bei der dieses Jahr anstehenden 80-Jahr-Feier leistet sich die deutsche Politik nun einen besonderen Eklat: Sie lädt russische Diplomaten explizit nicht zu den Gedenkfeiern in Deutschland ein (an Denkmälern wie den Seelower Höhen, in KZs, die von der Roten Armee befreit wurden, im Bundestag) und erteilt ihren Landräten und Kommunalpolitikern sogar einen Freifahrtschein dafür, Russen gegebenenfalls vom Ort zu verweisen. Begründung: Diese könnten die Feiern für die Rechtfertigung ihrer Ukraine-Politik „instrumentalisieren“. Das darf es natürlich nicht geben, denn das ganze Leid und die glückliche „Befreiung“ (erinnern Sie sich noch an das Theater um diesen Begriff?) darf nur einer instrumentalisieren: die deutsche Politik.
… Alles vom 9.5.2025 bitte lesen auf
https://overton-magazin.de/krass-konkret/der-8-mai-in-deutschland/