Corona-Kultur

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Von Hand gezogen: Musikwagen auf der Demo von FreiseinFreiburg am 22.5.2022

 

Drei Jahre: das richtige Leben im falschen
„„Wir“, das heißt Corona-Skeptiker, hartnäckig Renitente oder gar Ungeimpfte, haben eine schwere Zeit hinter uns. Viele beklagen sich, dass unser Lager trotz schlagender Beweise für die Richtigkeit seiner Grundannahmen immer noch nicht „gewonnen“ hat. Dabei haben wir Grund, stolz darauf zu sein, dass wir standgehalten haben. Bei extrem starkem Gegenwind erfordert es Stärke, sich nicht umblasen zu lassen.
Wichtig ist nicht nur, was wir in der Außenwelt erreicht haben; wichtig ist vor allem auch, was die Erfahrung des Widerstehens aus uns selbst gemacht hat. Viele von uns waren großem Druck ausgesetzt — und standen. Sie haben Freunde, Weggefährten und Jobs verloren — und standen. Sie wurden beschimpft, entwürdigt, ausgegrenzt — und standen. Sie konnten über ihre lieben Mitmenschen eine Lektion lernen, die sie nicht mehr vergessen werden.
Das gilt für die positiven wie für die negativen Erfahrungen. Und sie haben etwas über sich selbst gelernt: Gerade extreme Herausforderungen wecken ein Potenzial zum Helden, das wir bei uns gar nicht vermutet hätten. Eine Liebeserklärung des Autors an sich selbst und alle, die mit ihm zusammen durchgehalten haben.“
… Alles vom 30.3.2023 bitte lesen auf
https://www.rubikon.news/artikel/das-richtige-leben-im-falschen 

 

 

Christian Nagel: Corona-Einbruch im Kulturbereich beenden
Mein Name ist Christian Nagel, ich bin Pianist und Hochschullehrer, aber ich möchte nicht von mir sprechen, sondern für die Kultur, deren Stimme in den vergangenen zwei Jahren nicht gehört worden ist – und ich möchte zeigen, warum es mir so wichtig ist, dass diese in der Zukunft wieder eine größere Rolle spielt.

Was die Maßnahmen zur Eindämmung der Sars-CoV2-Pandemie gerade im Kulturbereich angerichtet haben, dafür haben wir seit Kurzem harte (!) Zahlen: den Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft, den die Bundesregierung jährlich in Auftrag gibt: Im Bereich der darstellenden Künste – also alles, was „live“ dargeboten wird – sind die Umsätze im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 81% eingebrochen, im Jahr 2021 waren es 80% gegenüber dem Vorkrisenniveau. Für das laufende Jahr 2022 schwanken die Prognosen zwischen -58% und -73%. Man ist sich darin einig: Eine Erholung ist – auch wenn es momentan anders aussieht – nicht so bald zu erwarten.

Wenn man sich dann noch bewusst macht, dass die meisten Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der darstellenden Künste prekär und ohne jede soziale Absicherung sind, kann man sich vorstellen: Länger als zwei Jahre in solcher Unsicherheit kann kaum jemand durchhalten. Wer nicht das Glück hat, über eine feste Stelle zu verfügen, etwa am Stadttheater oder an Musikschulen und Hochschulen, die unter strengsten Hygieneauflagen – und hinter für die Öffentlichkeit verschlossenen Türen – ihren Betrieb aufrecht erhalten konnten, der muss woanders Geld hinzuverdienen oder seine Tätigkeit komplett aufgeben. Letzteres hat ein Viertel der Minijobber bereits getan. Das Weltwirtschaftsforum geht davon aus, das bis 2030 59% aller Jobs in der Veranstaltungsbranche verloren gehen.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist zuallererst die Freie Kulturszene und die Subkultur, also gerade jene Orte, an denen am meisten kreativ und experimentell gearbeitet wird und von welchen die spannensten Impulse für die Gegenwartskultur ausgehen.
Die guten Umsatzzahlen, die immer wieder aus der Musikbranche vermeldet werden, verschleiern, dass die professionellen VertreterInnen der darstellenden Künste (Live-Musik!) die großen Verlierer der Krise sind – genauso wie die wirtschaftlichen Gesamtzahlen (BIP) verschleiern, dass die breite Masse der Bevölkerung immer ärmer wird. Die Corona-Politik hat zu einer gigantischen Umverteilung geführt – von Arm zu Reich, nicht umgekehrt.
Es ist politisch – und nicht von einem Virus – entschieden worden, dass Kultur als erstes geschlossen wird, und es sieht ganz so aus, als wären wir auch die Letzten, die sich davon wieder erholen.
In diesen Tagen mag es so scheinen, als wäre die Welt wieder in Ordnung, und wir hätten keinen Grund mehr, uns zu beklagen. Die Pandemie liegt ja hinter uns, und es ist ja wieder alles offen. Das halte ich für eine Täuschung. Das Überangebot an Kultur, das wir derzeit erleben, ist ein Nachholeffekt: Alle Akteure nutzen hektisch die Gunst der Stunde, um möglichst viele Veranstaltungen durchzuführen, bevor im Herbst neue Einschränkungen zu befürchten sind. Denn die werden schon in Anschlag gebracht:
Geht es nach dem Willen unseres Ministerpräsidenten Kretschmann, sollen alle Maßnahmen – über 2G bis hin zu Ausgangssperren – weiterhin und dauerhaft zur Verfügung stehen. Das könnte auf einen jährlichen Turnus aus Festivalsommer und Pandemiewintern hinauslaufen.
So können wir aber nicht arbeiten. Die Veranstaltungsbranche braucht Planungssicherheit. Und diese ist nicht gegeben, wenn unser gesamtes Tun und Lassen an die rein statistische Verbreitung eines Virus gebunden ist – oder präziser: an den politischen Missbrauch, der damit betrieben wird. Denn: Wer alles unter Pandemievorbehalt stellt, macht Kultur unmöglich.
Das Beispiel Dänemark zeigt, dass man es auch ganz anders machen kann. Dort hat die Regierung beschlossen, das Corona nicht mehr als gesellschaftliche Bedrohung angesehen wird. Es gibt keine verordneten Maßnahmen mehr, und es soll auch im Herbst und Winter keine geben.
Ich habe mich nach den tieferen Gründen gefragt, warum man in Deutschland bereit ist, die einzigartige Landschaft von Kultureinrichtungen, und die Menschen, die für diese tätig sind, derart zu vernachlässigen. Und damit komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen:
Die Vernachlässigung der Kultur geht einher mit einer Vernachlässigung des Seelischen und Geistigen überhaupt. Betrachten wir die politischen Maßnahmen zur Krisenbewältigung, so haben diese allesamt einen technischen Charakter: Testen, Tracken, Impfen. Alle negativen Auswirkungen im Bereich der Bildung, im Sozialen werden als Kollateralschäden abgetan. Auf den Bereich der Seele und des Geistes möchte man scheinbar keine Rücksicht nehmen. Obwohl es da Ausnahmen gibt: um unsere Angst wird sich hingebungsvoll gekümmert.

Hinter dieser politischen Gestaltung steht ein verkümmertes Menschenbild, das unser gesamtes Dasein reduziert auf das Körperlich-Materielle. In einem solchen Menschenbild werden Menschen zu Fallzahlen, zu Inzidenzen. Aus dieser einseitigen Wahrnehmung des Menschlichen entwickelt sich der Glaube, man könne alles technisch lösen – z.B. „allein die Impfung kann die Pandemie beenden“. Dies ist Ausdruck einer übersteigerten und verabsolutierenden rationalen Logik, die alles andere, was Leben bedeutet, außer Acht lässt.

Dies könnte ein Grund dafür sein, dass – spätestens seit der Finanzkrise – in unseren Regierungen „Technokraten“ am Werk sind. Technokratie aber bedeutet, dass nicht mehr verantwortlich gehandelt und gestaltet wird, sondern dass man sich „Sachzwängen“ beugt. Nun schaffen aber die neuen technischen Möglichkeiten immer neue Sachzwänge: Was machbar ist, wird auch gemacht werden. Risiken und Nebenwirkungen will man nicht sehen.
Auch bei den riskantesten Dingen nicht: Wer weiß, worum es sich z.B. bei der Gain-of-Function-Forschung handelt? Da wird daran gearbeitet, Coronaviren noch tödlicher und noch ansteckender zu machen … Was soll das? Diese einseitige Haltung, oder besser: Ideologie, prägt das Denken im Silicon Valley: „Move fast and break things“ (Zuckerberg) – nur schnell voran, egal was dabei kaputtgeht.
Was dabei kaputt geht, sollten wir uns ganz genau anschauen. Die Bundesfamilienminsterin Lisa Paus gab neulich bekannt, das inzwischen jedes vierte (!) Schulkind unter Depressionen leidet – vor 2020 war es „nur“ jedes zehnte.

Vor diesem Hintergrund muss ich dieses reduktionistische, technokratische Menschenbild zutiefst ablehnen – und jegliche politischen Großversuche, die darauf gründen, zurückweisen.
Sollten wir nicht erstmal versuchen, unsere Menschlichkeit zu entwickeln, bevor wir uns in das Transhumane stürzen? Es bereitet mir enormes Unbehagen, dass unsere Bewusstseinsentwicklung mit dem technischen Fortschritt offenbar nicht Schritt hält.
Könnte es nicht sein, dass der (angebliche) Fortschritt, um den es geht, mit einem geistigen Rückschritt einhergeht? Das rein rationale Bewusstsein neigt dazu, die materielle Seite des Lebens zu verabsolutieren. Dabei ist es nur die materielle Seite des Lebens, und Leben ist soviel mehr. Lasst uns das Seelische, das Geistige wieder beleben, und damit das, was uns als Menschen ausmacht. Dies bedeutet ja nicht, dass wir Forschung und Wissenschaft ignorieren, sondern es käme darauf an, beides zu integrieren. Das würde die verheerende Spaltung aufheben, und heilen – wir könnten wieder ganz werden.

Welchen Beitrag kann die Kultur, Künstlerinnen und Künstler dabei leisten? Nun, wir praktizieren das eigentlich täglich: indem wir spielen. Friedrich Schiller hat gesagt, dass der Mensch da ganz Mensch ist, wo er spielt. Wenn wir musizieren, üben sich Körper, Seele und Geist miteinander, verbinden sich, befinden sich im Einklang. Dass dies auch auf kollektiver Ebene funktioniert, zeigt schon ein Blick in ein normales städtisches Sinfonieorchester. Da musizieren Menschen aus vielen unterschiedlichen Nationen, Kulturen und politischen Systemen – und harmonieren.
Im West Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim spielen MusikerInnen aus Israel, Palästina und mehreren arabischen Staaten miteinander – friedlich und auf Weltniveau.
Wie es der Musik spielend gelingt, gegensätzliche Positionen zusammenzubringen, verdeutlicht Barenboim am Beispiel einer Fuge: In ihr treten mehrere Stimmen gleichzeitig auf, die man Kontrapunkte nennt (also Gegen-Stimme). Die Gegen-Stimmen bekämpfen einander jedoch nicht, sondern werden so sorgfältig balanciert, dass sie ihre Gegensätzlichkeit erhalten bleibt und sie sich doch in vollkommener Harmonie befinden. Wenn das doch in unserer Gesellschaft auch so ginge!

Das Schöne ist: es geht! Und wir kennen es gut: als die offene, demokratische, pluralistische Gesellschaft. Lasst sie uns erhalten.
Bevor ich gleich das eben Gesagte auch musikalisch demonstrieren werde – mit Präludium & Fuge fis-moll von J.S. Bach (aus: Das Wohltemperierte Klavier Bd.II) -, möchte ich mein Anliegen nochmals in andere Worte fassen:
Im gesellschaftlichen Zusammenspiel brauchen wir alle Stimmen: Stimmen UND Gegenstimmen,
die Stimme des Körpers UND des Geistes,
die Stimme der Erde UND des Himmels,
die Stimme der Alten UND der Kinder,
die Stimme der Kultur UND die der Wissenschaft,
die Stimmen der Befürworter und der Skeptiker, der Mahner und der Risikofreudigen,
– von mir aus auch die der ganzen durchgeknallten Tech-Visionäre (sie müssen aber nicht unbedingt den Ton angeben…) –
denn es gilt, dass dann all diese verschiedenen Stimmen zu einer Balance finden. Es soll keine Stimme unterdrückt werden, aber es können ruhig mal die einen, und dann die anderen mal etwas lauter und mal etwas leiser zu hören sein.
Dabei ist es gut zu wissen, dass gerade die Dissonanzen, die scheinbar nicht harmonierenden Töne, die unser Ohr herausfordern, den Lauf der Musik voranbringen: weil sie nach Auflösung drängen, Lösungen fordern – vielleicht sogar Er-Lösung?
Wir können das hören – wenn wir zu-hören.
(Präludium und Fuge fis-moll aus WTK II)
Christian Nagel. St.Peter
https://www.nagelmusic.de 

Rede auf der Demo von FreiseinFreiburg am 2.7.2022 auf dem Platz der Alten Synagoge
im Video:
https://t.me/FreiSeinFreiburg/32480
Eine weitere Rede von Christian Nagel vom 26.2.2022 finden Sie hier.