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Javier Milei: 100 Tage libertäre Revolution
Am 26.3.2024 hat der Argentinische Präsident Javier Milei auf dem IEFA (International Economic Forum of Americas) in Buenos Aires eine bislang eher unbeachtete Rede gehalten. Anders als seine Rede in Davos im Januar dieses Jahres ging diese nicht viral, was daran liegen kann, dass er nach nunmehr gut 100 Tagen im Amt zu liefern scheint, was in Davos noch als übertriebe Ankündigen belächelt werden konnte. Die Rede wird hier nur inhaltlich wiedergegeben, soweit dies aus dem spanischen Original auf der Basis einer automatisierten simultanen Übertragung in englische Untertitel ohne Spanischkenntnisse möglich ist. Das Original ist in YouTube HIER abrufbar. https://www.youtube.com/watch?v=IMclDt1YH-o
Zu Beginn wendet sich Milei gegen die Überschätzung künstlich durch staatlichen Eingriff erzeugten Wachstums, weil dieser Boom unweigerlich zum Bust führen muss. Sozialismus, von ihm als „Populismo“ bezeichnet, ist nicht gratis. Die Entwicklungen der letzten 20 Jahre beweisen das.
In den Neunzigerjahren lag das Durchschnittseinkommen der Argentinier bei rund 800 Dollar, was inflationsbereinigt in 2024 eigentlich 3.000 Dollar sein sollten. Tatsächlich beträgt es heute bei optimistischer Betrachtung maximal noch 600 Dollar. Das sozialistische Abenteuer hat die Argentinier in 20 Jahren somit 80% ihres Wohlstands gekostet.
Obwohl Argentiniens Landwirtschaft über 400 Millionen Menschen weltweit ernährt, hungern 5 Millionen Argentinier. Und dabei werden bei einer Staatsquote von 70% von jeder Ernte Nahrungsmittel für rund 280 Millionen Menschen mittelbar konfisziert und umverteilt. 50% der Argentinier leben in Armut.
Am Ende des sozialistischen Experiments, bei Mileis Amtsübernahme im Dezember 2023 betrug das jährliche staatliche Defizit unfassbare 17% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Um das einzuordnen, weißt Milei drauf hin, dass 4% schon schwierig und 8% bereits als tiefrot und mittelfristig unbeherrschbar anzusehen seien.
In der ersten Dezemberwoche betrug die Inflation 23,1% oder auf Jahresbasis: 3.700%. Hochgerechnet auf den gesamten Monat Dezember betrug sie zum Amtsantritt geschätzte 54% pro Monat, was annualisiert sogar 17.000% und damit Hyperinflation bedeutet.
Die Wirtschaft war seit mehreren Quartalen in der Rezession und wurde nur durch zusätzliche schuldenfinanzierte Staatsausgaben gestützt. Die Beschäftigung des privaten Sektors war auf dem Niveau von 2011. Das BIP pro Einwohner ist 15% niedriger als 2011. Die Zentralbank war überschuldet.
Als Zielsetzung für erste Maßnahmen, die Milei bereits drei Tage nach Amtsantritt umzusetzen begann, nannte er die Reduzierung der Staatsausgaben, die Stabilisierung des Wechselkurses zum Dollar und die Definition einer neuen glaubwürdigen Fiskalpolitik.
Seine Regierung hat den bislang gestützten und regulierten Wechselkurs des Pesos zum Dollar in kontrollierten Schritten auf Schwarzmarktniveau gesenkt. Eine finale Freigabe ist geplant, sobald die Nettodollarreserven des Landes 15 Milliarden betragen, um dann möglicherweise zu erwartende spekulative Angriffe auf den Peso abwehren zu können.
Im Hinblick auf den Staatshaushalt verfolgt Milei eine rigorose Null-Defizit-Politik unter Berücksichtigung aller Kosten, also insbesondere auch der Zinsen auf alte Anleihen. Ziel ist das Staatsdefizit in Relation zum BIP langfristig zu senken, damit der Zins als maßgebliche Kenngröße für sinnvolle wirtschaftliche Entscheidungen wieder zum Marktzins ohne bürokratische Manipulation durch die Zentralbank zurückkehren kann.
Diese Null-Schulden-Politik ermögliche es, da der Staat die Zentralbank nicht mehr zur Geldschöpfung missbraucht, die Unterdeckung in der Bilanz der Zentralbank in Fremdwährungsreserven, die zum Amtsantritt noch 11,5 Mrd. Dollar betrug, zu beseitigen.
Ziel war es, das Nulldefizit gegen Ende des Jahres 2024 zu erreichen. Dafür wurde die “Kettensäge” angelegt, also die radikale Kürzung von allem, was rechtlich möglich ist, und die natürliche Reduktion der realen Kosten durch Nutzung der Inflation genutzt.
Es wurden ganze Bürokratien abgeschafft, Transfers an die Provinzen eingestellt und staatliche Transferleistungen, Renten und Gehälter, insbesondere in höheren Gehaltsklassen, nur teilweise an die Inflation angepasst. 50.000 Mitarbeiter wurden ebenso gekündigt wie 70.000 Verträge und 200.000 irreguläre soziale Programme wurden gestrichen.
Zum sozialen Ausgleich wurden die direkten Zahlungen an die Ärmsten der Bevölkerung erhöht. Essensgutscheine wurden verdoppelt, der Mutterschutz verdreifacht, der Schulsachenzuschuss vervierfacht und, um geldbedingte Schulwechsel zu vermeiden, die Einführung eines Schulgeldzuschusses für private Schulen beschlossen.
Die Bezieher von Sozialleistungen wurden von ihren Nachweispflichten befreit. Dies hatte zur Folge, dass die kriminellen Strukturen, die bisher von der Kontrolle der Nachweispflicht profitierten und bis zu 50% der Sozialleistungen einbehielten, wegfielen. Ohne zusätzliche Haushaltsmittel kommt damit doppelt so viel bei den bedürftigen Empfängern an.
Zugleich wurde eine direkte Anzeigeschaltung eingerichtet, um kriminelle Vorgänge der Vergangenheit gefahrlos melden zu können. Bisher sind 300.000 Beschwerden eingegangen und in 18.000 Fällen wurden bereits Strafverfahren eingeleitet. Der zuständige Minister geht von insgesamt 50.000 bis 100.000 neuen Strafgefangenen aus. Milei wörtlich: “Sie werden dafür zahlen, die sozial Schwächsten ausgepresst zu haben”.
Der “Superhit”, d.h., nach Ausgaben und Zinszahlungen einen Staatsüberschuss zu erzielen, wurde bereits im Januar 2024 erreicht und im Februar fortgesetzt. Die Einsparungen im Staatshaushalt betragen annualisiert 5 % des BIP. Das Defizit der Zentralbank, die für ein jährliches Defizit von 10% stand, ist bereits auf 4% gesunken. Noch nie hat eine Regierung eine derart massive Einsparung von 11% des BIP in nur drei Monaten nach Amtsantritt realisiert.
Das Nulldefizit ist für Milei unverhandelbar:
Schon in der dritten Dezemberwoche 2023, also wenige Tage nach Ankündigung der ersten Maßnahmen, fielen die Preise im Vergleich zur Vorwoche, was ein unerwartet gutes Zeichen war. Die monatliche Inflation betrug im Dezember daher tatsächlich nur noch 25% anstelle der erwarteten 54%, im Januar 20% und im Februar 13%, und laut Milei, nach Bereinigung um Einmaleffekte, im Februar sogar nur 7% pro Monat. In der dritten Märzwoche stoppte der Preisaufschwung ganz.
Der Wechselkurs zum Dollar wurde stabilisiert, obwohl 11,5 Milliarden Dollar am Markt erworben wurden, ohne die monetäre Basis in Pesos auszuweiten. Damit wurde die Bilanz der Zentralbank in nur drei Monaten stabilisiert und die Nettounterdeckung der Reserven beseitigt.
Das Staatsrisiko ist von 2900 Punkten (die Berechnungsmethode bleibt leider unklar) auf bereits 1400 Punkte gesunken und die Analysten sehen sie bereits bei 1000 Punkten. Existierende Bonds, die in 2023 noch mit nur 18% des Nominalwertes gehandelt wurden, liegen nun bei 54%.
Als Folge des massiven Rückgangs staatlicher Ausgaben ist das BIP im ersten Quartal der Regierungszeit um 4,5% gesunken. Vorhergesagt war ein Rückgang um 6%. Trotz viel radikalerer Anpassung als erwartet schrumpft die Wirtschaft weniger als prognostiziert. Es sähe sogar schon so aus, als sei der Boden bald erreicht, und einige Analysten rechnen angeblich schon mit einer leichten Erholung.
Die Zahl der Argentinier, die angeben, dass es ihnen in einem Jahr besser gehen wird, stieg von bei Amtsantritt 20% auf im Januar 30% und im Februar 42% und steht Ende März bei 50%. Und das, obwohl aufgrund der getroffenen Maßnahmen und der eintretenden Anfangsverschlechterung die persönliche Lage tatsächlich noch nicht besser ist.
70% sind überzeugt, dass die Inflation enden wird. 50% glauben, dass das noch in 2024 erfolgen wird. Die Menschen haben wieder Hoffnung, trotz der aktuell schwerer werdenden Lage, weil sie erkennen, dass Sozialismus nirgendwo hinführt.
Das Desaster war gemäß Milei nicht verwunderlich, weil man an der Universität in Buenos Aires zwar Karl Marx kennt, aber weder Ludwig von Mises noch Murray Rothbard. Die Ideologisierung der Ausbildung muss seiner Meinung nach beendet werden.
Milei plant, das Finanzsystem umzubauen. Das sei kein Problem, weil es faktisch kein funktionierendes Finanzsystem gäbe. Die Finanzierung des privaten Nichtbankensektors beträgt nur 4% des Kreditvolumens und ist damit faktisch nicht vorhanden. Er will ein Finanzsystem ohne „lender of the last resort“. Ziel ist ein freies und wahrscheinlich mit 100% Deckung arbeitendes Bankensystem ohne Zentralbank.
Als besonders ambitioniert kann man Mileis Überlegung bezeichnen, die Ausgabe von staatlichem Geld unter Strafe zu stellen. Dazu möchte er freies Geld als ein Menschenrecht etablieren, so dass selbst eine zukünftige Gesetzesänderung die Gefahr einer späteren Strafbarkeit für die involvierten Politiker hat.
Ziel ist ein System mit unterschiedlichen, rechtlich gleichgestellten Geldtypen, deren Wechselkurs von den Menschen in privaten Wechselstuben freiwillig ausgehandelt wird und nicht von Bürokraten bestimmt. Diese machen es laut Milei entweder falsch oder, wenn sie es richtig machen, kommt das exakt gleiche Ergebnis heraus, so dass man sie nicht braucht.
Auch wenn die ebenfalls kurz nach Amtsübernahme eingeleiteten gesetzlichen Maßnahmen von den Mehrheiten im Parlament blockiert werden, gelingt es Milei durch die ihm rechtlich möglichen Maßnahmen zu zeigen, dass die Richtung stimmt. Obwohl Mileis Partei nur 7 Senatoren stellt, haben 25 für das Gesetzespaket gestimmt.
Die Art und Weise seines Vorgehens zwingt nach Mileis Ansicht jeden Gegner ins Rampenlicht und zeigt, wer eigene Privilegien mit allen Mitteln auf Kosten und zu Lasten der kleinen Leute beibehalten will, da Milei insbesondere durch die sozialen Netzwerke die Öffentlichkeit direkt findet und sich nicht scheut, jede Gruppe auch zu benennen.
Seiner Meinung nach gibt es drei Gruppen: Befürworter radikaler Veränderungen, offene Gegner und die große Gruppe derer, die zwar keine Veränderung befürworten, aber dabei unerkannt bleiben wollen. Diese dritte Gruppe wird durch ihr namentlich bekanntes Abstimmungsverhalten in die Öffentlichkeit gezwungen. Milei ist zuversichtlich, dass gerade das destruktive Verhalten des Gesetzgebers ihm bei den anstehenden Wahlen in 2025 in die Karten spielt.
Die bisherigen Eliten kommen durch die sichtbaren Erfolge seiner Politik unter Druck und geraten schon jetzt in die Defensive. Er hält diesen Druck aufrecht, indem er an den entscheidenden Stellen keine Kompromisse macht. Desto größer seine Erfolge werden und damit desto unentschuldbarer der Widerstand gegen Veränderungen wird, desto größer sieht er seine Chancen bei Wahlen.
Er plant im nächsten Schritt 3.000 Reformen, von denen 300 aktuell im Gesetzgebungsverfahren sind, und hat angeblich nochmal 20.000 im Köcher.
Alles in allem sollte man sich meines Erachtens keinen Illusionen hingeben. Milei wird ein kurzes Zeitfenster nach erfolgreichen Wahlen genügen, um komplett und in einer Art zu deregulieren, wie es die Welt bisher nur während Revolutionen gesehen hat. Er und seine Mannschaft sind vorbereitet. Wahlumfragen sagen angeblich bis zu 58% voraus und seine Popularität ist trotz der harten Maßnahmen hoch. „Die Argentinier wachen auf und werden von Lämmern zu Löwen.“
… Alles vom 8.4.2024 von Stephan Ring bitte lesen auf
https://www.misesde.org/2024/04/javier-milei-100-tage-libertaere-revolution/
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Dr. Stephan Ring ist Jurist und Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland.
Die Seite https://www.misesde.org bietet hochinteressante zu Volkswirtschaft und Staat. Eine wertvolle Informationsquelle auch für Schüler und Studenten.