Ist es heute oder unter Konrad Adenauer leichter zu regieren? Friedrich Merz antwortete auf diese Frage in der FAZ so: „In aller Bescheidenheit: Vermutlich war es damals leichter. In der jungen Bundesrepublik konnte jede politische Entscheidung das Land nach der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nur besser machen. Heute beobachten wir sehr viel Angst vor Veränderungen. Viele im Land fürchten, dass es ihnen in Zukunft schlechter gehen könnte. Ich stelle das ohne jede Larmoyanz fest, aber Adenauer konnte viele Dinge auch deshalb durchsetzen, weil die Bevölkerung damit fast immer Hoffnungen verband und sich diese Hoffnungen ja auch sehr schnell erfüllt haben“ (1).
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Diese Antwort zeigt das beachtliche Ausmaß an Ignoranz, Überheblichkeit, Einbildung und Realitätsferne der Kanzlerschaft von Friedrich Merz. Hat Merz noch nie etwas gehört von den für heutige Verhältnisse unvorstellbar heftigen Richtungskämpfen im Bonner Bundestag um die Einführung der freien Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung und den Beitritt zur Nato? Vom Mut, Lagerwahlkämpfe zu führen und eine Mitte-Rechts-Koalition mit wirklich deftig rechten Parteien zu bilden? Dagegen sehen die Mut- und Saftlosigkeit sowie die Unbeständigkeit (was heute gesagt wurde, wird übermorgen widerrufen) von Friedrich Merz äußerst blass aus.
Merz wurde im Frühjahr 2025 gewählt mit dem wiederholten Versprechen auf Beendigung der Massenmigration (durch Übernahme von AfD-Positionen), Verzicht von Neuverschuldung (Einhaltung der Schuldenbremse), Neuordnung der Asylgesetzgebung, Aufarbeitung von Corona-Unrecht und Energiewende (Gas, Kernkraft). Der Bruch aller dieser zentraler Wahlversprechen machten ihn unglaubwürdig – die Umfragewerte zeigen es. Adenauer hingegen versprach nicht allzuviel, sondern handelte und kämpfte – auch gegen die planwirtschaftlichen Utopien der SPD.
Adenauer hätte sich einen derartigen Wahlbetrug und Vertrauensbruch niemals erlauben können, seine Widersacher von der SPD hätten ihn gnadenlos abgestraft – Kurt Schumacher hätte ihn weggefegt. Denn in Bonn funktionierte der Parlamentarismus noch.
„Friedrich Merz, der Kanzler in schwierigerem Fahrwasser als Adenauer? Es ist wohl kaum notwendig auszuführen, dass das Blödsinn ist“ – so klar kommentiert Max Mannhart von Apollo-News (3) die Arroganz von Friedrich Merz.
Karlheinz Weißmann spricht vom „qualitativen Abstand“ (4) zwischen Kanzler Adenauer und Kanzler Merz. Adenauer bewegte sich durch Trümmerlandschaften und tat etwas dagegen. Auch Merz ist mit Trümmern – Deindustrialisierung, Energiemangel, sozialer Unfrieden, usw. – konfrontiert, tut aber wenig dagegen, außer die Schuld irgendwelchen äußeren (Putin, Trump, Brics, …) und inneren Feinden (Opposition, Mittelstand, direkte Demokratie, …) zuzuschieben.
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Wenn Friedrich Merz auf dem Niveau von Konrad Adenauer stehen würde, dann kann die Antwort des heutigen Bundeskanzlers im Oktober 2025 nur so lauten:
„Die Frage, ob Adenauer es leichter hatte zu regieren, beantworte ich mit einem klaren „nein“. Als sechster CDU-Bundeskanzler habe ich es zum Glück leichter als der Erste, aber das Problem heute ist im Grunde das gleiche wie damals vor 76 Jahren:
Konrad Adenauer hat 9/1949-10/1963 die freie, soziale Marktwirtschaft gegen die sozialistische Planwirtschaft durchgesetzt – geleitet von der Überzeugung, daß dezentral auf den Mittelstand gestützte Entscheidungen ökonomischer sind als zentrale Planungen. Diese Überzeugung hat sich bewahrheitet und gilt heute noch – auch für mich: Unser Regierungssystem ist – bei allen Erfordernissen zu Korrekturen – das beste weltweit. Kein anderes System hat es bislang vermocht, seinen Bürgern so lange Freiheit und Wohlstand zu gewähren wie die im demokratischen Rechtsstaat eingebettete freie, soziale Marktwirtschaft.
Deshalb ist es ab 2/2025 ist es meine Aufgabe, der bereits fortgeschrittenen Erosion der Marktwirtschaft durch linke Wirtschaftspolitik Einhalt zu gebieten: Erhalt des Privateigentums, unternehmerische Freiheit, Pluralismus der Meinungen, Verteidigung der im Grundgesetz verbrieften Rechte der Bürger als Abwehrrechte gegen den übergriffigen und zu sehr wachsenden Staat.
Konrad Adenauer hat gekämpft, um die Marktwirtschaft einzuführen. Und ich, Friedrich Merz, werde dafür kämpfen, sie zu erhalten bzw. zu restituieren.“
Wunschdenken, leider ….
24.10.2025
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Ende von Beitrag „Adenauer und Merz“
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Beginn von Anlagen (1) – (4)
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(1) Merz im Interview: „„Wir wollen die stärkste konventionelle Armee in Europa aufbauen“
Bundeskanzler Friedrich Merz sieht das vorläufige Ende der regelbasierten Ordnung. Er spricht von Grenzen der Integration in Europa und setzt auf die Nationalstaaten.
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Herr Bundeskanzler, als die CDU vor 80 Jahren gegründet wurde, lag Deutschland wirtschaftlich und moralisch am Boden, blickte aber mit Zuversicht nach vorn. Jetzt geht es uns relativ gut, aber wir gucken zunehmend bang in die Zukunft. In welcher Zeit ist es leichter zu regieren für einen Kanzler?
… Alles vom 17.10.2025 bitte lesen auf
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/merz-im-interview-wir-wollen-die-staerkste-konventionelle-armee-in-europa-aufbauen-110737192.html
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(2) Führung aus Beton: Wie der Kanzler dem Land die Veränderung verweigert
Friedrich Merz wollte die AfD halbieren, nun halbiert sie ihn. Seine Brandmauer steht für eine Partei, die Stabilität mit Stillstand verwechselt. Ein Kommentar.
enn Argumente fehlen, die Angst vor der Überforderung wächst und das Vertrauen schwindet, hilft nur Abschottung. Oder in anderen Worten: eine Mauer. Bundeskanzler Friedrich Merz hat sie an diesem Montag nicht errichtet, sondern mit Beton ausgegossen. Damit entspricht er dem Sinnbild eines Politikers, der Stabilität mit Stillstand verwechselt und einer klaren Leitlinie folgt: lieber einmauern, als das Land zu bewegen.
… Alels vom 21.10.2025 bitte lesen auf
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/merz-li.10001606
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(3) Flucht der großen Männer
Friedrich Merz erklärt, er habe es schwerer als Konrad Adenauer. Das Herbeiphantasieren einer historischen Rolle ist der letzte argumentative Strohhalm dieser bisher vor allem belanglosen Koalition.
Friedrich Merz kann man beim Zusammenbrechen zusehen, in einem Absatz allein.
Von der FAZ wird er gefragt, ob es leichter wäre, heute zu regieren oder unter Konrad Adenauer. Daraufhin antwortet Merz: „In aller Bescheidenheit: Vermutlich war es damals leichter.
In der jungen Bundesrepublik konnte jede politische Entscheidung das Land nach der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nur besser machen. Heute beobachten wir sehr viel Angst vor Veränderungen. Viele im Land fürchten, dass es ihnen in Zukunft schlechter gehen könnte. Ich stelle das ohne jede Larmoyanz fest, aber Adenauer konnte viele Dinge auch deshalb durchsetzen, weil die Bevölkerung damit fast immer Hoffnungen verband und sich diese Hoffnungen ja auch sehr schnell erfüllt haben.“
Friedrich Merz, der Kanzler in schwierigerem Fahrwasser als Adenauer? Es ist wohl kaum notwendig auszuführen, dass das Blödsinn ist – dass Konrad Adenauer nahezu alle großen Programme seiner Amtszeit von der Westbindung bis zur Wiederbewaffnung gegen enormen, heute unvorstellbaren Gegenwind und gegen klare Mehrheiten in der Bevölkerung durchgesetzt hat; dass das Wirtschaftswunder auf einem historischen Alleingang nahe am politischen Suizid von Ludwig Erhard basiert. Die Gesellschaft der Nachkriegszeit war weitaus perspektivloser, die Richtung, in die das Land steuerte, war weitaus unklarer – und das intellektuelle Format, das nötig war, in diesen Wirren eine Vision zu entwickeln, war weitaus größer. Heute ist eigentlich jedem recht klar, was passieren muss und wird – es tut nur keiner, aus Bequemlichkeit und aus Angst. Ironisch, dass ausgerechnet Friedrich Merz in seiner selbstmitleidigen Selbstüberhöhung die historische Leistung der ersten Generation der CDU derart kleinredet.
Larmoyanz, das neue Lieblingswort von Merz, kann natürlich auch in dieser Ausführung nicht fehlen. Am Samstag wagt Merz dann den nächsten Adenauer-Vergleich. Er schwört seine Partei auf die Brandmauer ein: „Das ist eine Partei, die mit der Tradition von Konrad Adenauer brechen will“. Ironisch, wenn man bedenkt, dass Adenauer die genannten großen Leistungen für Deutschland gerade deshalb erbringen konnte, weil er mit der SRP koalierte, einer Partei, die jedenfalls weit rechts der AfD stand. Er koalierte mit ihr, um eine Koalition mit der SPD zu vermeiden, die eben vor dem Godesberger-Programm und damit der Wandlung in die Mitte stand. Merz hingegen koaliert mit einer SPD, die, wenn man es genau nimmt, längst auf dem Weg zurück hinter das Godesberger Programm ist.
Ironisch ist auch, dass Friedrich Merz das Statement einleitet mit den Worten: „Es gibt zwischen der AfD und der CDU keine Gemeinsamkeiten“. Das ist natürlich offensichtlicher Nonsens und ein Satz, der den ganzen Realitätsverdrängungs-Marathon einfängt, unter dem dieses Land leidet.
Doch mit ewigen Sprücheklopfen wird sich die Schieflage im politischen System nicht beheben lassen. In Sachsen-Anhalt steht die AfD bei 40 Prozent – wie will man weitermachen? Man will warten, bis es zu spät ist, ganz einfach.
Ganz nebenbei räumt man dieser Tage dann aber noch auf unerklärliche Art und Weise die großen, traditionsreichen Linien der Union ab. Joachim „Joe“ Wadephul meint etwa: „Es waren Menschen aus der Türkei, die das Wirtschaftswunder möglich gemacht und Deutschland mit aufgebaut haben“. Eine ahistorische Aussage, schließlich war es objektiv gesehen einfach andersherum: Durch das Wirtschaftswunder entstanden so viele Arbeitsplätze, dass man 1961 ein Anwerbeabkommen mit der Türkei schloss. Das Wirtschaftswunder verdankt Deutschland ganz im Wesentlichen der persönlichen Lebensleistung von Ludwig Erhard.
Für Friedrich Merz ist die Flucht in eine verquere Betrachtung der Geschichte seine wenig erfolgversprechende Rettungsstrategie. Gleichsam versucht diese Regierung, ihrer relativ belanglosen und bis dato niemals mutigen Politik einen Nimbus des Historischen zu verleihen. Sei es Friedrich Merz, der hartnäckig, aber ohne jeden Anflug eines Beweises behauptet, er hätte die NATO gerettet, sei es ein Bürgergeld-Reförmchen, das man als neue Agenda 2010 verkaufen will, oder die Rhetorik, die den Eindruck erwecken will, diese Regierung sei die letzte Verteidigungslinie in der Spätphase einer neuen Weimarer Republik.
Doch an dieser Koalition ist bis dato rein gar nichts historisch, außer ihrer Ignoranz. Es ist eine Koalition des Verschleppens und Vertagens, des flüchtigen Übermalens und bestenfalls des Stopfens der offensichtlichsten Lecks. Die eigene Überhöhung entkoppelt diese Regierung nur weiter von der Realität – und mit ihrer Anmaßung gegenüber den wirklich großen Figuren der CDU demontiert man sich selbst. Friedrich Merz sehnt sich nach der eigenen Größe vor der Geschichte – die wenigsten großen Männer haben ihre Größe allerdings auf der Flucht gefunden.
… Alles vom 19.10.2025 von Max Mannhart bitte lesen auf
https://apollo-news.net/flucht-der-groen-mnner/
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(4) Merz und Adenauer: „der qualitative Abstand“
Der Kanzler hat zu Beginn eines Interviews (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Oktober) in „aller Bescheidenheit“ festgestellt, daß es sein Amtsvorgänger Adenauer in der unmittelbaren Nachkriegszeit „leichter“ hatte als er. Denn in „der jungen Bundesrepublik konnte jede politische Entscheidung das Land nach der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nur besser machen. […]
Adenauer konnte viele Dinge auch deshalb durchsetzen, weil die Bevölkerung damit fast immer Hoffnungen verband und sich diese Hoffnungen ja auch sehr schnell erfüllt haben. Nehmen Sie schon zuvor die Währungsreform: Innerhalb von wenigen Tagen waren die Geschäfte voll. Die Politik konnte Grundsatzentscheidungen treffen, da lag ein weißes Blatt Papier vor ihnen. Vor mir liegt heute kein weißes Blatt Papier. Wir haben es in Teilen mit einer blockierten Republik zu tun.“
Was Merz hier zur Nachkriegsgeschichte vorträgt, ist noch größerer Unsinn als die Aussage des Außenministers zum Thema „Wiederaufbau“ durch türkische Gastarbeiter. Der Gedanke jedenfalls, daß Währungsreform und zukunftsfrohe Bevölkerung einst dafür sorgten, daß sich die Dinge mehr oder weniger von selbst regelten, ist absurd. Deutschland war zu Zeiten Adenauers durch einen Krieg verwüstet, die überlebende Bevölkerung zum Teil vertrieben, deportiert, immer noch in Gefangenschaft, der verbliebene Rest des Staatsgebiets geteilt, die Bundesrepublik permanent vom Osten bedroht. Es bestand ein außerordentlich kostspieliges Besatzungsregime, die Währungsreform brachte keineswegs sofort den Wirtschaftsaufschwung.
Vielmehr hatte das erste Kabinett Adenauer mit steigenden Preisen und steigenden Arbeitslosenzahlen zu kämpfen, und der Kanzler hielt es keineswegs für ausgeschlossen, daß man ihn in näherer Zukunft als „Kollaborateur“ der Siegermächte aus dem Amt jagen würde (Schumachers Vorwurf, er sei kein „Kanzler der Deutschen“, sondern ein „Kanzler der Alliierten“, kam ja nicht von ungefähr). Ein so schimpfliches Schicksal ist ihm erspart geblieben, aber allein die Möglichkeit zeigt, wie groß der qualitative Abstand zwischen der Situation, in der sich Merz befindet, und der Situation, in der sich Adenauer befand, gewesen ist.
… Alles vom 24.10.2025 von Karlheinz Weißmann bitte lesen ain der JF 44/25, Seite 15