Die Ampel will Hartz IV durch das Bürgergeld ersetzen. Dazu drei Kritikpunkte:
1. Arbeitslosen drohen im ersten halben Jahr keine Strafen mehr. Damit entsteht der Eindruck, dass man sich im Bürgergeld-System in Ruhe einrichten kann. Es geht bei den bisherigen Sanktionen aber nicht um bestrafen, sondern um Mitwirkung zu fordern.
2. Die Bezieher von Bürgergeld können zunächst in großen Eigentumswohnungen – bis zu 140 Quadratmeter für zwei Personen – bleiben. Dabei geht es jedoch nicht nur um Eigentum, sondern auch um Miete und Heizkosten, die der Staat bezahlt.
3. Während der ersten zwei Jahre kann man Vermögen von bis zu 60 000 Euro pro Kopf behalten, ohne dass es auf die Zahlungen angerechnet wird. Dieser Betrag ist zu hoch.
Diese „bedingungsarme Leistung“ des Bürgergelds kommt fast einem bedingungslosen Grundeinkommen gleich. Dabei sollten die Arbeitslosen der Gemeinschaft wie bei Hartz IV weiterhin schulden, sich auch selbst um die Verbesserung ihrer Situation bzw. um Aufnahme einer Arbeit zu bemühen.
7.11.2022
Bürgergeld: Falsches Signal
Mit dem Bürgergeld möchte die Regierung das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ersetzen. Empfänger müssen unter anderem deutlich weniger Sanktionen fürchten und können viel mehr Vermögen anrechnen als bisher. Was als Hilfe gedacht ist, wandelt sich damit zu einer bedingungsarmen Leistung, die im schlimmsten Fall Arbeitslosigkeit verfestigt.
Das Bürgergeld soll das schlechte Image von Hartz IV verbessern, soweit zumindest der Plan der Ampel-Regierung. Offen bleibt, was am bisherigen System falsch war – tatsächlich war es sehr wirksam. Bis kurz vor der Corona-Pandemie sank die Arbeitslosenquote auf einen Tiefstand von 5,5 Prozent. Davon haben auch Hartz-IV-Empfänger profitiert. Lediglich die statistische Erfassung ukrainischer Geflüchteter seit Juni hat verhindert, dass die Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger auf einem historischen Tiefstand liegt.
Aussetzung von Sanktionen vermindern die Chance auf Arbeit
Nach der Reform werden Arbeitslose, die im ersten halben Jahr eine schwere Pflichtverletzung begehen, nicht mehr sanktioniert. Die Forschung zeigt aber: Droht der Staat mit Geldkürzungen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, wieder Arbeit zu finden. Gerade am Anfang der Erwerbslosigkeit gibt es also keinen Grund, am Prinzip der Sanktionierung etwas zu ändern.
In der längeren Frist haben Sanktionen allerdings auch negative Nebenwirkungen – dem muss der Staat mit gezielter Förderung begegnen. Eine Abschwächung der Sanktionen kann daraus nicht abgeleitet werden, denn dadurch würde die unmittelbare Chance auf Eingliederung in Arbeit vermindert.
Signal: Mit der Arbeitssuche Zeit lassen
Zusammen mit der ebenfalls geplanten zweijährigen Karenzzeit für die Anrechnung von Vermögen und die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ergibt sich ein falsches Signal. Neu ins System eintretenden Leistungsempfängern wird der Eindruck vermittelt, dass sie sich mit der Arbeitssuche ruhig Zeit lassen können, dass sie sich in aller Ruhe im System einrichten können und dass zunächst nicht allzu viel von ihnen erwartet wird. Dieser Eindruck ist fatal, denn bei vielen Leistungsempfängern droht Langzeitarbeitslosigkeit. Mit jedem Tag, der ohne Arbeit verbracht wird, schwinden die Chancen darauf, einen Job zu finden. Damit erschwert der Gesetzgeber die Arbeitssuche und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Langzeitarbeitslosigkeit.
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Schäfer, Holger, 2022, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) Bundestags-Drucksage 20/3873 und weitere Anträge, IW-Report, Nr. 58, Berlin
… Alles vom 7.11.2022 von Holger Schäfer bitte lesen auf
https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/holger-schaefer-falsches-signal.html
Holger Schäfer ist Arbeitsmarktexperte beim unternehmensnahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) und hat die oben genannte Studie zum Bürgergeld geschrieben, die man als PD runterladen kann.