Musliminnen und Christinnen im Gespräch in Littenweiler

Musliminnen und Christinnen ins Gespräch bringen, Vorurteile abbauen und andererseits Vertrauen wachsen lassen: Mit dieser Absicht hat Dilek Gezer, Leiterin des Treffpunkts im Gemeindesaal der evangelischen Auferstehungskirche, den das städtische Büro für Migration und Integration im Rahmen des Projekts „Frauen stärken im Quartier“ eingerichtet hat, vor kurzem ein Forum zum interreligiösen Dialog ausgerichtet. Dass ein Austausch wichtig wäre, hat die Sozialpädagogin bei ihrer Arbeit gespürt, die sie im November 2010 aufgenommen hat. „Für muslimische Frauen war die Hemmschwelle anfangs groß, den Raum einer christlichen Gemeinde aufzusuchen“, sagt sie. „Im Lauf der Zeit haben sie ihre Skepsis überwunden und sind neugierig geworden.“ An Weihnachten war die Idee aufgekommen, ein Treffen muslimischer und christlicher Frauen zu initiieren – 35 waren dazu gekommen.Religion ist ein weites Feld, im Blick auf die Zielgruppe hat Dilek Gezer die Themen „Stellenwert der Frau und Familie“ und „Frauenbilder“ in den Mittelpunkt gestellt. Zum Auftakt sprachen die evangelische Theologin Ute Niethhammer, Religionslehrerin und Mitarbeiterin des Frauenreferats bei der Landeskirche, und Elif Tunay, Studierende der Islamwissenschaften an der Universität Freiburg. Weiter zeigte Laila Koller vom E-Werk Ausschnitte aus ihren Film „Wie hast du´s mit der Religion?“, worin Frauen erzählen, wie sie ihren Glauben ausdrücken. Wer hätte das gedacht? Auch der Koran kennt die Geschichte von Adam und Eva, wobei die beiden dort die Schuld am Verzehr der verbotenen Frucht teilen und Gott ihnen vergibt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Auch die Weihnachtsgeschichte steht im Koran, wobei es dort eine Maryam ist, die von einem Engel erfährt, sie werde einen Sohn gebären. Relevant ist: Maryams Sohn Isa ist nicht Gottes Sohn. Weiter zeigt sich, dass beide Religionen das Gebot der Nächstenliebe und den Gleichheitsgrundsatz haben. Dennoch haben beide eine Geschichte der Gewalt, und es hat sich eine hierarchische Ordnung der Geschlechter durchgesetzt. Dass in der evangelischen Kirche auch Frauen predigen und eine Gemeinde leiten können, ist eine noch junge Entwicklung und innerhalb der monotheistischen Religionen eine Ausnahme.

Die Aussprache der Besucherinnen ist lebhaft. Auf eine Frage, warum Frauen in manchen muslimischen Familien schlecht behandelt werden, auch wenn die Religion das gar nicht erlaube, antwortet Elif Tunay: „Es sind die dunklen Seiten, die ein Mensch in sich hat. Der Islam liefert keine Rechtfertigung dafür. Im Gegenteil. Mohammed hat in seiner Abschiedsrede hinterlassen: Der Beste unter euch ist der, der eine Frau am besten behandelt.“ Die Frage, warum in christlichen Kirchen Kerzen brennen, beantwortet Ute Niethhammer: „Weil wir im Licht ein Symbol für Jesus sehen, der sagte: Ich bin das Licht der Welt.“ Eine Frau will wissen, warum Christen taufen. Um die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft zu signalisieren, sagt Ute Niethhammer. Muslime hingegen haben die Vorstellung, schon als Zugehörige ihrer Religion geboren zu werden. Wer als Erwachsener konvertiere, spreche jedoch ein Glaubensbekenntnis, erklärt eine Besucherin. Das wiederum ist eine Praxis, die auch Christen vertraut ist.
Was liegt näher als angesichts der vielen Gemeinsamkeiten auch gemeinsam zu beten, meint Dilek Gezer. Das tun die Frauen vor dem Essen auch: Oh Gott, segne unsere Gaben, spricht Ute Niethhammer auf Deutsch. Und eine Muslimin auf Arabisch: Oh Allah, segne unser Essen und beschütze uns.
Die Stimmung im Gemeindesaal der Auferstehungskirche ist heiter. „Eine sehr gute Idee war das“, lobt Taro Salinet, eine muslimische Irakerin, die seit elf Jahren mit ihrer Familie in Littenweiler wohnt, die Initiative Dilek Gezers. Sie ist gekommen, weil sie es wichtig findet, die Religion der Gesellschaft zu verstehen, in der sie lebt. Aus Interesse dafür, was Frauen anderen Glaubens im Gemeindesaal machen, war Gerda Lukowitz von der Auferstehungskirche zum Austausch gekommen. „Der Dialog ist gut und wichtig“, findet auch sie.
Silvia Faller

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