Bodo Kaiser: Filmzensur Diskurs

Warum versteckt man einen Film durch Zensur anstatt ihn den Bürgern vorzuführen, damit diese über ihn diskutieren zu können? Der Dokumentarfilmer Bodo Kaiser musste diese Erfahrung der Cancel Culture nun erneut machen. Sein Film „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein!“ darf im Kommunalen Kino Freiburg nicht gezeigt werden. Nur vorläufig?
.
(1) Das Kommunale Kino (kurz Koki, https://www.koki-freiburg.de) in Freiburg, dem von der Stadt Räumlichkeiten im Alten Wiehrebahnhof zur Verfügung gestellt wurden, ist eine tolle Einrichtung. Als „Ort der Filmkultur“ beteiligt sich das Koki seit 1972 über das einfache Zeigen von Filmen hinaus „an aktuellen Diskussionen zu Kunst, Politik und Gesellschaft“. Filmkultur als Teil einer Diskussionskultur, ohne die unsere plurale Demokratie nicht funktioniert.
„Im Unterschied zum kommerziellen Kino stehen im Kommunalen Kino Unbekanntes und Vernachlässigtes, Wiederzuentdeckendes und Zukunftsweisendes im Vordergrund“.
.
(2) Die Filmauswahl liegt dezentral bei den einzelnen Filmreihen bzw. Programmformaten des Koki wie Asian Takes, Ciné Club, Film des Monats, Freiburger Fenster, Kinderkino, Kinoavantgarde, KritischeMedizin, Mittwochskino, Ost-West Dialoge, Psychoanalytik, Reconance (Musik & Film), Schulkino und Stummfilm. Um dem o.a. Anspruch von Pluralismus und Diskussion zu genügen, gelten Vielfalt und Toleranz als Maxime. Und hier gibt es bei der von Wolfgang Stickel betreuten Filmreihe „Freiburger Fenster“, die monatlich Freiburger Filmemacher*innen vorstellt, Probleme.
.
(3) Zum Ende der Coronazeit wurde dem bekannten Freiburger Dokumentarfilmer Bodo Kaiser verwehrt, seinen Film „Corona-Welten. Des Pudels Kern“ mit 20 Interviews über das Coronajahr 2021 im „Freiburger Fenster“ des Koki zu zeigen. Die Premiere am 2.10.2023 im Alten Wiehrebahnhof wurde wegen angeblicher Unausgewogenheit abgelehnt bzw. wegzensiert. Ein Skandal aus zwei Gründen:
Zum einen ist Bodo Kaiser (91) ein weit über Freiburg hinaus anerkannter Kameramann, Video-Produzent und Filmemacher.
Zum anderen degradiert das Aufführungsverbot die mündigen Bürger zu hörigen und bevormundeten Untertanen: Auch als Freiburger Bobbele haben die Bürger das Recht, einen wie auch immer umstrittenen Film anzuschauen, um sich dann in der anschließenden Diskussion im Abwägen von Argument und Gegenargument ihre eigene Meinung zu bilden. Diskussion muß kontrovers sein und demokratischer Streit darf heftig sein – aber sie müssen stattfinden können. Ganz besonders in einem nicht-kommerziellen, kommunalen Kino, das neben dem Ticketverkauf von der Bürgerschaft finanziert wird – also von Spenden, Fördermitgliedern und Kulturzuschüssen der öffentlichen Hand.
Zwischenzeitlich wurde „Corona-Welten. Des Pudels Kern“ vielfach aufgeführt (siehe hier) z.B. hier und der Film regt die Besucher zum Nachdenken an – auch aus dem Grunde, da bis heute im Gegensatz zu Ländern wie USA, Australien und Canada eine Aufarbeitung, Rechenschaft und Versöhnung der Coronazeit in Deutschland immer noch nicht stattfinden darf.
.
(4) Anfang Oktober 2025 erfährt der Dokumentarfilmer Bodo Kaiser eine erneute Ablehnung: Auch sein jüngster neuer Film „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein“ darf im Koki unter dem „Moderator beim Freiburger Fenster“ Wolfgang Stickel nicht gezeigt werden. Aus der Begründung zur Ablehnung: „… Für mich ist das kein Film, sondern eine Aneinanderreihung von Zitaten aus Gesprächen, die du mit den Leuten geführt hast. Anscheinend dreht sich alles um den Begriff „Bewußtsein“, was du selbst dazu zu sagen hast, kommt leider nicht im Film vor. Ich habe mich bei der Sichtung wirklich angestrengt und versucht, zu verstehen, was die Leute meinen, aber vieles kam mir doch etwas „wirr“ vor. …“.
Gerade weil der Film als „wirr“ empfunden wird und zudem „sehr aufgeregt“ hat, muß doch er doch umso dringlicher einer offenen und freien Diskussion zugeführt werden.

(5) Bodo Kaiser bleiben somit drei Möglichkeiten:
1. Film in den Schrank. 2. Auf Social Media hochladen. Oder 3. Den Saal im Alten Wiehrebahnhof vom Koki auf eigene Kosten anmieten.
.
(6) Zum Schluß sei das Eingangszitat des Koki Freiburg nochmals wiederholt, um die ganze Widersprüchlichkeit aufzuzeigen: Als „Ort der Filmkultur“ beteiligt sich das Koki seit 1972 über das einfache Zeigen von Filmen hinaus „an aktuellen Diskussionen zu Kunst, Politik und Gesellschaft“.
Die Diskussionskultur in Deutschland ist im Niedergang begriffen. Leider.
.
Anstelle eines Fazit:
Liebe Leute vom Koki Freiburg! „Bewußtsein“ ist ein Begriff, der kaum zu fassen und – wie Sie selbst sagen – mit den Adjektiven „wirr“ und „aufregend“ zu belegen ist. Deshalb sollten wir alle froh sein, daß Bodo Kaiser zu diesem so delikaten Begriff einen Film gemacht hat und „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein!“ ins Programm des Koki aufnehmen. Dabei allerdings für eine anschließende Diskussion bitte viel Zeit einplanen, da zu erwarten ist, daß diese „wirr“ und „aufregend“ sein wird. Vielleicht werden die Diskutanten (besser Diskutierenden) ja weniger vom Bewußsein geleitet, sondern von Intuition? Wir werden sehen …
15.10.2025
.
Ende von Beitrag „Bodo Kaiser: Filmzensur Diskurs“
==============================================================
Beginn von Anlagen (1) –

.
(1) Rezension zu Bodo Kaiser: „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein“
Thematik und filmisch-künstlerische Gestaltung entsprechen sich

Im Film „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein“ widmet sich der Freiburger Filmemacher Bodo Kaiser mit dem Bewußtsein einer Thematik, die schwierig zu fassen und kaum erklärbar ist. „Wirr und aufregend“ – so kommentiert Wolfgang Stickel vom Koki Freiburg den Film zu recht. Diese Wirrheit will Bodo Kaiser auch gar nicht auflösen, sondern im Gegenteil sichtbar machen:
Zum einen in den Meinungsäußerungen der zehn Interviewten. In der Aneinanderreihung dieser Gespräche – zuerst die zehn Interviewten hintereinander und dann in nur scheinbar willkürlicher Mixtur.
Zum anderen in der filmisch-künstlerischen Gestaltung der Übergänge – mit Wischtechnik, assoziativer Einblendung, abrupter Zäsur usw.
.
(1) Der Maler Harald Herrmann nennt Martin Heidegger „Bewußtsein der Menschen gibt es nicht“. Zur Coronazeit „Alle wollen gesund bleiben“: Man kann nicht über Leute reden ohne über den Tod. „Je beitragsloser, desto besser ist es für die Kunst“.

(2) Hans-Peter Hagmann, Psychotherapeut und Sozialpädagoge. Vom Jesuitenschloß am Schönberg mit Blick auf Freiburg. Er hebt die Empathie für Andersdenkende hervor. Statt sich individuell abzukapseln. „Wir brauchen keine neue Ideologie“.

(3) Die Kinderpädgogin Gabi: „Ich hatte Angst, mein Bewußtsein drängte mich zur Coronazeit auf die Strasse, auf Demos“ . Es galt, das eigene Bewußtsein auf andere zu übertragen bzw. in anderen zu entdecken, sich zu vernetzen. Was muß sich ändern – der Mensch selber muß in sich gehen.

(4) Thomas, der Soziologe, zu den acht Milliarden Menschen auf der Erde: „Das Bewußtsein soll die Ziele vorgeben“ ist fraglich.
Als Übergang marschiert die Gruppe „Schwarze Wahrheiten“ auf der Fußgängerbrücke im Stadtgarten auf – im Hintergrund das Freiburger Münster.

(5) Die Krishna Reiki Meisterin: Die Natur reagiert auf und und wir müssen diese wahrnehmen. Das Bewußtsein, daß wir in ständiger Verbundenheit mit ihr leben, müssen wir durchkommen lassen. Der weibliche Aspekt des Heilenwollens. Das Motto „einfach Freude haben“. Aus dem 3-jährigen Corona- Krisenmodus endlich herausgehen. Gemeinsames Bewußtsein als Energiefeld bilden. „Sich austauschen, um so abweichende Meinungen zu respektieren“. Energiemedizin.

6) Bobby Glatz im Café im Vauban: „We are peace“. Der Reizüberflutung bewußt werden. Ausklingen mehrmals am Tag. „Wir fühlen uns machtlos, ist deswegen Selbstbewußtsein so wichtig?“.

(7) Die Lehrerin und Malerin Sabine: „Ich habe ein inneres Bild und versuche dem nahzugehen“. Zum Beispiel der Geschichte meines Großvaters, als Kommunist des Hochverrats angeklagt, Moorsoldaten, Emslandlager. „Wir sind die Moorsoldaten, und ziehen mit dem Spaten, ins Moor“ – immet wieder. An Veletzungen und Wunden Anteilnahme erzeugen. „Ich übe, Menschen zu betrachten“

Übergang: Der CSD zieht mit seiner Demo 2017 durch Freiburg.
.
(8) Für Computerfachmann Jotho herrscht derzeit das Bewußtsein vor, alles zu diskutieren, was wir NICHT haben wollen. In Erwartung von Katastrophen. Verantwortung hat mit Antwort zu tun.

Übergänge: Eine große Gänseschar schnattert daher.
Die Gedenkstätte auf dem Platz der Alten Synagoge.

(9) Rebecca Metzger alias Carla Fuchs aus Villingen: Der Zeitenwandel spült Frage nach der Orientierung heraus. Unterricht, Musik, Malerei, Filme – diese Vielfalt macht jeweils neue Perspektive bewußt. Compassion, mit mir im Einklang sei und dann auf andere Leute zugehen

Übergang: Die Tanzperformance Tipping Point vor dem Altar im Münster, von der Kanzel aus herunter gefilmt. Update: Übergang entfernt.

(10) Unternehmensberater Hans-Jürgen mahnt an, ein Buddha-Bewußsein zu erwerben. Zur inneren Freiheit. Ich will immer mehr – verursacht nur Leid. Quellenbewußtsein: Wie können wir beantworten, aus welcher inneren Quelle heraus ein Maler sein Bild malt?

Übergang: das Freiburger Münster, unversehrt, inmitten der Trümmerlandschaft 1944. Innen heile, aussen Trümmer. Dann das Verarbeiten von Trümmern und Schutt zu Sand. Baufahrzeug, Recycling.

(1 nochmals) Die Innerlichkeit geht verloren, sie wird verschüttet.

Übergang: Die stillgelegte Südzucker-Fabrik bei Karlsruhe: Trümmer, aber neue Pflanzen wachsen.

(5) In der Informationsflut nicht untergehen: Welche Information lasse ich rein und welche gebe ich raus – ohne krank zu werden und Angst zu machen?

(1) Die Menschen tauschen sich kaum mehr aus, sondern sie stempeln sich gegenseitig ab – das ist kryptofaschistisch. Sich bündeln, um Einzelpersonen fertig zu machen. Die Programmierer der KI sind die modernen Faschisten. Künstliche Intelligenz nein. Künstlerische Intelligenz ja.

(10) Die Verlockungen des Materialismus machen nie satt. Wohl aber das Bewußtsein des inneren Wachstums, die Herzenswärme.

Übergang: Vom kollektiven Bewußtsein „Krieg, Ukraine, Gaza“ zur Ohmenkapelle bei St. Märgen, die früher ein keltischer Kurort war. Danksagungen und Bilder zu „Maria hat geholfen“. Ein gewichtiger Einschnitt – Gibt es ein zweites Leben? Den Streit mit Nachbarn im jetzigen Leben belassen.
Update: Ohmenkapelle ersetzt durch Alten Friedhof Freiburg.

(1) Es geht überhaupt nicht um das Bewußtsein, sondern um Potentiale und Intuition. „Jeder Mensch ist voll von Intuition, die nicht begreifbar ist.“ Intuition leitet unsere Handlungen.

Als Intro und zum Ende des Films spielen zwei Streichmusiker.
.
Für die Mehrzahl der Interviewten ist der Begriff „Bewußtsein“ überhaupt nicht zu erfassen, er wirkt im Unterbewußtsein und schimmert ab und zu durch. Auch Bodo Kaiser lehnt ihn ab bzw. will ihn durch „Intuition“ ersetzen: Wir handeln intuitiv.

Das Großartige am Film „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein“ ist, daß er „Bewußtsein“ nicht zu erklären bzw. entwirren versucht, sondern im Gegenteil die Wirrheit dieses Begriffs sowohl in den Gesprächen als auch in den Übergängen zwischen den Interviews sichtbar zu machen vermag. Wenn der Film vom Kommunalen Kino (Koki) Freiburg als „wirr und aufregend“ bezeichnet wird, dann ist das OK. Wenn er dann aber gerade aus diesem Grunde, also wegen „wirr und aufregend“, abgelehnt bzw. wegzensiert wird, dann wird dadurch ein Anachronismus wie auch Armutszeugnis sichtbar.

Bodo Kaiser schafft mit „Himmelwärts – zum Bewusst-Sein “ einen wertvollen und sehenswerten Fílm, in dem sich Thematik (Bewußtsein) und filmisch-künstlerische Gestaltung entsprechen – beide „wirr“.

Der Film mag die Zuschauer „wirr und aufgeregt“ zurücklassen. Deshalb sollte im Anschluß an die Filmvorführung genügend Zeit zur sicher hochinteressanten Diskussion eingeräumt werden.
Wir brauchen Filme, die zur Diskussion anregen. Wir brauchen Diskussionskultur.
20.10.2025, E.K.

Dieser Beitrag wurde unter Bildung, Freiburg, Kultur, Kunst, Medien abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar