„Die ethische Frage, die sich die Europäer stellen müssen: Erhält derjenige, der es übers Meer an den Strand schafft, das Aufenthaltsrecht vor jenen, die in den Lagern Jordaniens oder des Libanon warten? Ist es ethisch zu vertreten, diese Ankömmlinge zu privilegieren, nur weil sie nun einmal da sind und die Überfahrt bezahlen konnten? Ich halte es eher für gerechtfertigt, sie zurückzuweisen und stattdessen Flüchtlinge nach objektiv durchdachten Kriterien direkt aus den Lagern zu holen.“ So der in Princeton/USA lehrende, australische Philosoph und Humanist Peter Singer (in „Gehet hin und tut Gutes“, Der Spiegel vom 1.8.2015, S. 118-122).
Die Medien sind voll mit Darstellungen von Einzelschicksalen von Flüchtlingen – auf dem Weg nach Europa wie in Wohnheimen irgendwo hier in D. Dies erhöht die Zeitungsauflage, die TV-Einschaltquote und ggf. sogar den Gottesdienstbesuch (Kirchenasyl). Für Singer als Wegbereiter des „Effektiven Altruismus“ (Selbstlosigkeit) hingegen ist es viel wichtiger (weil wirkungsvoller), die Ursachen der Flüchtlingswelle bzw. Völkerwanderung zu bekämpfen. „Menschen spenden besonders willig, wenn sie das Foto eines ausgemergelten Kindes mit großen Augen sehen und am besten noch den Namen und das Alter erfahren. Emotionale Empathie ist notwendig, aber nicht hinreichend. Um die Wirkung der Spenden zu optimieren, muß rationales, abstraktes Kalkül hinzukommen. Effektive Altruisten sind empfänglich für Zahlen und Kosten.“ Und hier ist der Focus auf die Hilfe in den Herkunftsländern zu richten, wo die nächste und übernächste Flüchtlingswelle bereits heute im Entstehen ist. Hier ist eine aktive Einwanderungspolitik gefragt, die über ein Einwanderungsgesetz einen klaren gesetzlichen Rahmen vorgibt. Unsere passive Politik des bloßen Reagierens und ‚weiter so‘ führt angesichts von 400.000 Migranten zum Abbau des inneren sozialen Friedens.
Der 1946 in Australien geborene Sohn Wiener Juden ist einer der bekanntesten Philosophen weltweit. Umstritten sind seine Thesen zu Schwangerschaftsabbruch (PID), Behinderung und aktiver Sterbehilfe (die er ethisch rechtfertigt bei Verlust des personalen Bewußtseins). In seinen neuen Buch «The Most Good You Can Do. How Effective Altruism Is Changing Ideas About Living Ethically» wendet sich Singer nun der Weltarmut zu: Menschen in der westlichen Welt haben die moralische Pflicht, als „effektive Altruisten“ einen großen Teil ihres Einkommens zur Bekämpfung der Armut zu spenden – selbstlos, aber auf Wirksamkeit ihrer Hilfe bedacht.
(1) Armut: Die Armut ist für Singer das größte Übel der Welt, er sieht sie als Quelle der meisten Plagen an wie Krieg, Gewalt, Klimawandel, Umweltzerstörung, Migration, Hunger, Krankheit und Unwissenheit.
(2) Spenden: Der Altruist soll 30 bis 40% des Einkommens an wohltätige Organisationen spenden, die wirkungsvoll die globale Armut bekämpfen. „Opfer und Verzicht sind keine sind keine notwendigen Bestandteile des Altruismus. Der rationale Altruist trifft Entscheidungen, die sein Glück mehren, nicht schmälern“.
(3) Glück: Abgeben und Spenden ergibt eine subjektive Belohnung, die den Verlust an Konsumkaufkraft übersteigt. „Selbstachtung ist eine wichtige Komponente des Glücksgefühls. Und anderen Gutes zu tun mehrt das Selbstwertgefühl. Ich gehe so weit zu behaupten, dass ein ethisches Leben die solide Basis der eigenen Selbstachtung bildet und einen Weg zum nachhaltigen Glück jenseits der hedonistischen Tretmühle der Konsumgesellschat öffnet.“
(4) Verstand statt Emotion: „Wahrscheinlich ist nicht Liebe die Triebkraft des effektiven Altruisten, sondern Empathie, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen.“ Dabei geht es Singer weniger um den emotionalen Aspekt der Empathie (Bauchgefühl, Mitleid, Herz, „Liebe“) als um deren kognitiven Aspekt (Vernunft, Verstand, Wirkungsgrad).
(5) Auf das Preis-Leistungs-Verhältnis achten nicht nur Konsumenten, sondern auch effektive Altruisten. Sie sind empfänglich für Zahlen und Kosten: „Es ist einfach vernünftiger, 10000 Dollar an eine Organisation zu spenden, die ein Kinderleben für 2000 Dollar retten kann, als an jene, die dafür 5000 Dollar braucht.“
(6) Warren Buffett, Markt Zuckerberg und Bill Gates gehören zu den größten effektiven Altruisten in der Geschichte der Menschheit. Spenden Milliardäre aber nicht auch aus Eitelkeit? Dazu Singer: „Ich bin mehr an Ergebnissen als an Motiven interessiert.“
(7) Effektive Altruisten sind Utilitaristen, schauen also stets auf die Konsequenzen ihres Handelns, auf den Nutzwert. Demgegenüber ist für Christen der gute Wille an sich mindestens genauso wichtig. „Wenn sich beim Jüngsten Gericht die Waagschale neigt, fällt der gute Vorsatz ins Gewicht. Da ich nicht daran glaube, ist die Intention nicht so wichtig für mich.“ Peter Singer geht ganz bewußt über die christliche Nächstenliebe hinaus.
4.8.2015
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Effektiver Altruismus
Die Grundidee des Effektiven Altruismus (Selbstlosigkeit) besteht darin, die eigenen Ressourcen so einzusetzen, dass sie den größten positiven Impact generieren. So geht es beim „klugen Spenden“ auch um die Kosteneffektivität von Hilfsorganisationen, d.h. um die Frage, wie viel Gutes pro Geldeinheit bewirkt wird, wie viele Leben etwa gerettet werden können.
„Der effektive Altruismus nutzt die Vernunft und empirische Evidenz, um herauszufinden, wie man am meisten tun kann, um die Welt zu verbessern, und wie man sein Leben gestalten sollte, um möglichst viel Gutes zu tun“. Als Vertreter des Utilitarismus (Nützlichkeit als Kennzeichen sittlichen Verhaltens) ist es für Peter Singer entscheidend, ob etwas das Glück vermehrt: „Leiden und Glück kennen wir alle aus eigener Erfahrung. Mir scheint eine offensichtliche Sache, dass man gute Dinge vermehren und schlechte vermindern sollte.“
https://effectivealtruism.ch/
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/effektiver-altruismus
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Peter Singer contra Michael Schmidt-Salomon (GBS)
Schwerbehinderte Neugeborene töten, Tiere nicht essen, Geld für die Armen spenden: Der Philosoph Peter Singer sorgt seit Jahren für Kontroversen. Ein Gespräch über Präimplantationsdiagnostik, Sterbehilfe und effektiven Altruismus….
Peter Singer im Interview auf der NZZ am Sonntag vom 24.5.2015 auf
https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/philosoph-peter-singer-ein-embryo-hat-kein-recht-auf-leben-1.18547574
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Der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, wendet sich gegen das o.a. NZZ-Interview: „Peter Singer hat in diesem Interview Positionen vertreten, die meines Erachtens nicht nur im Widerspruch zu einem humanistisch-emanzipatorischen Politikverständnis, sondern auch im Widerspruch zu seinen früheren Standpunkten stehen“, betont aber, „dass Peter Singer die ethische Debatte über Tierrechte, Anti-Diskriminierung, Bekämpfung der absoluten Armut, Schwangerschaftsabbruch und Sterbehilfe befruchtet hat wie kaum ein anderer Philosoph weltweit“. Seine Impulse für eine zeitgemäße ethische Debatte seien unverzichtbar, seine aktuellen Äußerungen jedoch unverständlich, wenn nicht gar unverantwortlich. ….
Alles auf vom 25.5.2015
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/schmidt-salomon-peter-singer
Effektiver Altruismus – die deutsche Flüchtlingspolitik will davon nichts wissen
Effektiver Altruismus gilt nach Peter Singer nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Regierungen. Ein Beispiel: Flüchtlinge erhalten ein Taschengeld von 140 Euro/Person. In Albanien hat sich dies längst herumgesprochen. So kommen immer mehr Migranten (die nie als politische Verfolgte bzw. Asylanten anerkannt werden) zu uns, bleiben hier 6 Monate und kehren dann zu Beginn des Winters in ihre Heimat zurück – eine fünfköpfige Familie mit stolzen 4.200 Euro, einem unvorstellbar riesigem Einkommen in Albanien. Die deutsche Politik ist also alles andere als effektiv: Das Taschengeld lockt Flüchtlinge nach Deutschland an, das jedoch für das zugrundeliegende Flüchtlingsproblem keinerlei Hilfe bietet – die Armut in Albanien bleibt wie sie ist, die Korruption wird durch die deutsche Flüchtlingspolitik eher noch gefördert.