EU: Westeuropa und Osteuropa

„Die Europäische Union – und als wesentlicher Taktgeber Deutschland – fühlt sich seit Jahrzehnten als moralisch überlegener Vorreiter der Zivilisation und betrachtet die Staaten des ehemaligen Ostblocks als Demokratielehrlinge. Sie reagiert nun mit hilflosem Entsetzen auf ihren Ansehensverlust im ehemaligen Ostblock. Gesellschaften, die es ablehnen, Feminismus, Gendersternchen, erneuerbare Energien oder Feinstaub für die Kernfragen der Menschheit zu halten, machen die Vertreter unseres Mainstreams wütend.“
Mit diesen Worten kennzeichnet Arnold Vaatz, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Spannungen innerhalb der EU zwischen West- und Osteuropa (das Interview bitte hier lesen). Moritz Mücke spricht von einem „Geistigen Vorhang“ anstelle des seit 1989 abgebauten „Eisernen Vorhangs“.
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Die EU hat neben dem Nord-Süd- auch ein Ost-West-Problem ihrer Mitgliedsländer. Natürlich geht es bei all diesen Problemen letztendlich stets um die Finanzierung, also ums Geld. Gleichwohl scheinen beim Ost-West-Problem eher tiefgreifende Unterschiede hinsichtlich der nationalen, kulturellen bzw. religiösen Souveränität der Staaten eine Rolle zu spielen. Diese zeigen sich besonders deutlich im Verhältnis zu Ungarn, Polen bzw. den Visegrad-Staaten.
Wie zerrüttet dieses Ost-West-Verhältnis derzeit ist, zeigt das folgende Zitat: „Wir müssen ihn finanziell aushungern. Er braucht das Geld‘ . So droht – man darf auch sagen hetzt – die deutsche EU-Parlamentarierin Katarina Barley (SPD) über den demokratisch mit großer Mehrheit gewählten Präsidenten von Ungarn, Viktor Orban. Man stelle sich vor, welche Wertschätzung der EU gegenüber solch ein arrogantes Statement bei der ungarischen Bevölkerung auslöst.
7.3.2021

Der großen intereuropäischen Rochade steht nichts im Weg
Diese Mentalitätsunterschiede lassen sich recht einfach aus den verschiedenen Erfahrungen erklären, die im Westen und Osten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden. Der Osten musste ein knappes halbes Jahrhundert in diktatorischen Verhältnissen unter dem sowjetischen Knüppel vor sich hin darben. Das prägt. Alle Tricks der modernen Tyrannei wurden an diesen Völkern exerziert, und schwer wiegt dieses Vermächtnis auf ihren individuellen und kollektiven Gedächtnissen. Auf der anderen Seite, im Westen, hat die Marktwirtschaft die Ambitionierten reich und dick gemacht, während der Sozialstaat die Würde der Armen geschützt und die Abstiegsängste der Mittelschicht gemindert hat.
In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, darauf hinzuweisen, dass es nicht der Osten, sondern der Westen ist, der sich in einer abnormalen psychologischen Position befindet. Krieg, Angst, Notwendigkeit—das sind die herkömmlichen Kategorien mit denen sich zu allen Zeiten und Orten die überwältigende Mehrheit der Bürger aller Staaten haben herumschlagen müssen. Luxus und Freizeit war das Privileg der Wenigen, die freilich immer schon von der Arbeit der Vielen gelebt haben. Dieses Muster durchbrochen zu haben ist das Verdienst der westlichen Zivilisation in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Leider kommt man nicht umher, gewisse psychologische Kollateralschäden diagnostizieren zu müssen.
Besonders anschaulich lässt sich das am Beispiel der Angst skizzieren. Sie ist Teil der menschlichen Natur und kann uns niemals vollkommen ausgetrieben werden. Allerdings sucht sie sich neue, künstliche Objekte, sobald es einem Staat gelingt, ihre natürlichen Objekte – Krieg, Mord, Raub – aus der unmittelbaren Gegenwart zu verbannen. Bald löst die Angst sich von den vulgären Vorurteilen der Vergangenheit, bald steigt sie auf in immer höhere Sphären reinster Abstraktion. Aus diesem Grund haben die Deutschen Angst vor einem atomaren Super-GAU, dem nicht unmittelbar erlebbaren Klimawandel, und dem durch Handelsabkommen verursachten, eigentlich lachhaften Chlorhühnchen. Für solche abstrakten Ängste hat man in Osteuropa wenig Verständnis – und zwar nicht nur deshalb, weil man den schweren Atem Russlands im Nacken spürt.
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Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Natürlich gibt es Länder in Osteuropa, die sich mit extremen, strukturellen Problemen herumzuschlagen gezwungen sind (etwa die Ukraine oder Georgien). Allerdings sind zumindest die Visegrad-Staaten so weit gesundet, dass sie es in Zukunft besser haben werden als das „alte Europa“. Als Staatenbund wären sie eine echte Alternative zur verkrusteten und undemokratischen (besser gesagt: antidemokratischen) EU. Ironischerweise könnte hierbei auch Migration eine Rolle spielen – denn als Länder, die europäische Kultur zu niedrigen Preisen und mit weitgehender Freiheit von Terror und Kriminalität bieten können, wären sie für westeuropäische Leistungsträger eine attraktive Adresse. Nur niedrigqualifizierten Einwanderern aus der dritten Welt würden die Tore verschlossen bleiben.
Natürlich hätten die neuen Gäste aus Westeuropa einige Hürden zu nehmen, etwa die nur schwer zu erlernenden Sprachen Osteuropas. Allerdings spricht die jüngere Generation in den Visegrad-Staaten sehr gut Englisch – und bereits heute gibt es brauchbare Software zur direkten, akustischen Übersetzung von Fremdsprachen in Echtzeit. In fünf Jahren wird das Problem in dieser Form nicht mehr existieren. Der großen intereuropäischen Rochade steht nichts im Weg.
… Alles vom 28.7.2021 von Moritz Mücke bitte lesen auf
https://www.achgut.com/artikel/ein_geistiger_vorhang_zieht_sich_durch_europa
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Kommentare:
Ein äußerst bemerkenswerter Artikel
– auch ich habe mir schon öfters gedacht, ob die bessere Zukunft der Europäer nicht in Osteuropa sein würde. Aber bei allen Versuchen, diesen Gedanken zu diskutieren, bin ich immer auf komplettes Unverständnis der Mitmenschen gestoßen. Sie sind eben geistig nicht so beweglich, plötzlich jahrzehntelang geltende Dinge in Frage zu stellen – dazu bedarf es wohl heftiger Anstöße. Allerdings sind diese ja nun in Nizza, Ansbach, Würzburg – als Vorboten – schon zu erkennen
29.7.2016, C.D., AO
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Wunderbar beobachtet und beschrieben! Bravo!
Ich bin vor Kommunismus und “Eisernen Vorhang” geboren und erinnere mich an die bedrueckende Atmosphere 1956 (Budapest) und 1968. Prag bekraeftigte mein Entschluss zu emigrieren. Deutschland bedeutete damals Westen, Freiheit und Antikommunismus! Alles wichtige Faktoren. Deutschland von damals ist (leider) verloren und entwickelt heute (unter einer linken Koalition) beaengstigende Tendenzen. Werden wir, auf der suche nach Freiheit und Demokratie, wieder nach Ost- oder Suedosteuropa fluchten muessen? Zur Zeit kann man fast neidisch auf UK blicken und fast stolz auf Visegrader- Staaten! Gesunde Menschenverstand wird so gerne in Deutschland strapaziert, weiss diese Gesellschaft noch ueberhaupt was es bedeutet? Scheinbar nicht! Man lebt nur einmal, und wer einmal um einem Teil seines Lebens beraubt wurde, wird nicht bereit sein jetzt von gleichen Ideologen in Deutschland noch einmal betrogen zu werden! Ost- und Suedosteuropa haben noch eine Zukunft !
29.7.2016, I.d.G.

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