Datenspuren jedes Einzelnen

Wir hinterlassen unsere Datenspuren aufgrund dreier technischer Errungenschaften: Erstens sind wir über PC und  Smartphone bzw. Social Media permanent und überall im Internet angebunden, also online erreichbar. Zweitens ermöglicht das neue Internetprotokoll IPv6, unvollstellbare 340 Sextillionen (eine 1 mit 36 Nullen) verschiedene IP-Adressen zu unterscheiden – Internetadressen von Personen (Handy, Laptop usw.) wie Geräten (TV, Stromzähler usw). Und drittens stellt uns das Cloud-Computing riesige Datensilos zur Verfügung, dessen vermeintlich kostenlose Massenspeicher wir bereitwillig nutzen, um unsere auch persönlichsten Daten nicht mehr auf dem heimischen PC (Festplatte, CD, …) ablegen und verwalten zu müssen, sondern „irgendwo in der Cloud“. Damit wird das Internet (Netz, Web, WWW) fast so selbstverständlich und notwendig wie die Atemluft. Wir vertrauen dem Netz unsere Daten an: Gespräche, Texte, Bilder, Videos, Musikstücke, Theateraufführungen, … Und wir akzeptieren, dass diese unsere Daten a) immerzu ins Netz wandern, b) zur freien Verfügung (jeder kann die Daten lesen, jede Verschlüsselung ist zu knacken) und c) inkognito lesbar sind – wir bemerken gar nichts von all den Lauschern bzw. Schnüfflern und können deshalb auch ganz cool und unbekümmert  sein. Wir hinterlassen unsere Datenspuren bereitwillig in fünf Bereichen:
(1) Bewegungsprofile: Satellitennavigation, GPS, WLAN, Bluetooth-Sender, Indoor-Navigation in Behörde wie Einkaufszentrum zeigen, wo genau man sich bewegt.
(2) Privatwohnung: Smart-Meter (internetfähige Stromzähler) zeigen nicht nur dem Kunden den Energiebedarf an, sondern auch dem Energieversorger die Verbrauchsgewohnheiten. Smart-TVs liefern gemäß HbbTV-Standard an fremde Werbefirmen die índividuelle Programmwahl der Glotze.
(3) Identifizierung: Kein Handy bzw. Telefon ohne Digitalkamera. Fotoprogramme erkennen Gesichter immer treffsicherer. Und verschlagwortete Fotos mit Koordinaten und Zeitstempel verraten, wann wer wo war. Dabei fotografiert nicht nur der Mensch, sondern auch Geräte wie digitale Werbetafeln über eingebaute Fotosensoren: „Er“ bekommt in der Fußgängerzone eine andere Werbung gezeigt als „sie“.
(4) Gesundheit: Schrittzähler, Pulsuhren, Waagen, Körperfett- wie Bluthochdruckmessgeräte, sensorbestückte Gabeln und Zahnbürsten stellen Körperdaten online, besonders wenn die Krankenkasse dies mit Prämien belohnt.
Eigentlich müssten wir argwöhnen, dass im Netz alle Datenspuren immer ausgespäht werden und dass nicht nur Geheimdienste Data-Mining betreiben, um von jedem Individuum minutengenaue Bewergungsprofile, alltägliche Verhaltensmuster, Stimmungen, Befindlichkeiten und Körperfunktionen auszulesen. Was tun wir? Nichts, denn Datensparsamkeit und Netzabstinenz sind zeitgeistmäßig überhaupt nicht „in“.
Eigentlich gibt es keinen Grund, sich über NSA, Spionage, Schnüffelei, Datenschutz und Snowden aufzuregen. Solange wir mit dem Handy gegen Elektrosmog demonstrieren, sind wir unglaubwürdig. Und solange wir mit iPad und Smartphone in der Hand für Datenschutz und Privatsphäre unterwegs sind, sind wir noch weniger glaubwürdig.  “Ich verstehe dieses ganze Mitteilungsbedürfnis nicht und dass die Kommunikation auch noch öffentlich geschieht. Ich laufe doch auch nicht nackt durch die Fußgängerzone” – so Sebastian Vettel, der soziale Netze nicht und das Internet kaum nutzt.

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