Die EU legt fest, wie unser Trinkwasser aufbereitet werden darf und welche Grenzwerte eingehalten werden müssen. Wer noch Zweifel hat, dass Europarecht seinen Alltag durchdringt, sollte sich bewusst machen, dass auch der tägliche Dreh am Wasserhahn mit europäischen Regeln zu tun hat. Für die Wasserwirtschaft von Bedeutung sind die EG-Richtlinie 98/83/EG „Über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“, die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG, wonach bis zum Jahr 2015 Bäche, Flüsse, Seen und Küstengewässer sowie die Grundwasservorräte „einen guten ökologischen Zustand“ erreicht haben müssen, und die Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG. Umgesetzt werden diese Regelwerke durch das deutsche Wasserhaushaltsgesetz sowie die nationale Grundwasser- und Trinkwasserverordnung. Sie vollständig zu erläutern ist unmöglich, herausgegriffen seien daher einige Aspekte – und zwar am Beispiel der Möhlingruppe. Das ist ein Zweckverband, der rund 14 500 Einwohner der Gemeinden Schallstadt, Bollschweil, Ehrenkirchen und Pfaffenweiler sowie des Bad Krozinger Ortsteils Biengen mit Trinkwasser versorgt. Dafür betreibt der Verband ein System von Quellfassungen, Leitungen, Pumpwerken, Verteilern und Behältern, dessen Herzstück und Schaltzentrale ein Mischbehälter oberhalb Ehrenkirchens an der Südseite des Schönbergs ist. Die vier Kammern aus Stahlbeton können 3000 Kubikmeter Wasser aufnehmen. 700 000 Kubikmeter Wasser durchlaufen ihn jedes Jahr. 500 000 Kubikmeter liefern Quellen am Schauinsland, weitere 100 000 Kubikmeter Quellen auf der Gemarkung Bollschweils und noch einmal 100 000 Kubikmeter kommen aus dem Wasserwerk Hausen der Badenova.
Das Wasser wird regelmäßig auf Keime untersucht. Damit ist schon viel gesagt über die rechtlichen Vorgaben. „Sie schreiben vor, welche Materialien mit Wasser in Berührung kommen und welche Stoffe und Verfahren die Wasserversorger anwenden dürfen, um das Wasser aufzubereiten“, erklärt Klaus Rhode, Leiter des Fachbereichs Wasser bei der Badenova, von deren Ingenieuren sich die Möhlingruppe seit 1997 fachlich beraten lässt. Von ihnen unterstützt hat dieser Zweckverband auch einen Maßnahmenkatalog für Notfälle erarbeitet, was ebenfalls nach EU-Recht vorgeschrieben ist. Weiter sind laufende bakteriologische Untersuchungen des Rohwassers und des fertigen Trinkwassers nötig. Die Möhlingruppe macht das sechs Mal im Jahr; der Rhythmus hängt von der Wassermenge ab, die ein Versorger abgibt. Die Freiburger Badenova etwa, die mit 13,7 Millionen Kubikmetern ungleich mehr Wasser allein an die Freiburger verkauft, untersucht das Wasser wöchentlich auf Keime. Eine chemisch-physikalische Untersuchung erfolgt bei der Möhlingruppe einmal im Jahr. Dabei werden rund 50 Werte ermittelt, beispielsweise wie hoch der Gehalt an Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen oder Radioaktivität ist. Bestimmte Grenzwerte müssen eingehalten werden.
Natürlich folgt die Bereitstellung von Trinkwasser in Deutschland nicht erst seit dem Erlass der EG-Richtlinie 98/83/EG Regeln. Der traditionell hohe nationale Standard wirkte sogar als Impulsgeber für das europäische Recht. Erst 2012 haben das Bundesgesundheitsministerium und das Umweltbundesamt im Bericht zur Trinkwasserqualität festgestellt, dass das Wasser, das deutsche Haushalte erreicht, zu 99 Prozent den gesetzlichen Auflagen entspricht und nur sehr selten Grenzwerte überschritten sind. Die europäische Richtlinie beschreibt Mindestanforderungen, die sicherstellen sollen, dass Trinkwasser „keine Mikroorganismen, Parasiten und Stoffe jedweder Art in einer Konzentration enthält, die eine potenzielle Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellt“.Bereits 1913 veröffentlichte der Vorgänger des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW), einer technisch-wissenschaftlichen Vereinigung, der die öffentlichen Ver- und Entsorger angehören, Vorschriften für die Ausführung und Veränderung von Wasserleitungsanlagen, die später als technische Vorschriften und Richtlinien Wasser daherkamen und 1940 zur Grundlage einer DIN-Norm wurden. Bis heute gibt der DVGW regelmäßig verbindliche Regelwerke heraus, die den aktuellen Stand der Technik und die gesetzlichen Vorgaben fortschreiben, auch ist er für die Normung und Zulassung von Verfahren und Materialien zuständig. Er setzt sozusagen das europäische und nationale Recht um.
27.4.2013, Silvia Faller