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Landesgartenschau2022 in Neuenburg am Rhein

  • Neuenburg – Landesgartenschau 2022 (20.6.2022)

 

Neuenburg – Landesgartenschau 2022
Stadt und Fluss wieder zusammenbringen: Darum geht es bei der Landesgartenschau 2022 in Neuenburg am Rhein.
Neuenburg hatte 1525 ein traumatisches Erlebnis: Ein gigantisches Rheinhochwasser riss nahezu die Hälfte der Stadt weg. Seither sind die Stadt, die sich in ihrem Namen dennoch „am Rhein“ nennt, und der Strom nicht zuletzt durch Tullas Begradigung im 19. Jahrhundert immer weiter voneinander abgerückt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schob sich zudem eine neue Barriere zwischen Stadt und Fluss – die Autobahn, verbunden heute mit einem in drei Kreiseln gebündelten Gewirr von Straßen. Über all das will jetzt die Landesgartenschau mit einem großen Schritt hinwegsetzen und Stadt und Fluss wieder zusammenbringen: ein mutiges Unterfangen, das nicht nur während der fünfeinhalb Monate der Gartenschau gelingen soll. Die „Rheingärten“, der zweite und größere Teil dieser Landesgartenschau, sind ja auch eine Investition in die Zukunft.

Darin liegt ohnehin das politisch Bemerkenswerte dieser Veranstaltung: Die Stadt Neuenburg demonstriert, dass eine Kommune mit den vom Land betriebenen Planungen für den Hochwasserschutz, das sogenannte Integrierte Rheinprogramm, auch kreativ und für sich gewinnbringend umgehen kann. Darin unterscheidet sie sich von den Nachbarn im Norden, die im Hochwasserschutz nur eine Zerstörung tradierter Grünzonen entdecken können. Die Neuenburger haben dagegen die Auskiesung und Tieferlegung ihrer Uferseite am sogenannten Restrhein genutzt, um eine spannende Naherholungslandschaft anzulegen. Sie verbindet die Magerwiesen der höher gelegenen Trockenaue mit den dichten Baumbeständen der Feuchtaue direkt am Fluss zu einem Erlebnisraum, wie er am Hochrhein nur noch selten in dieser Einheit anzutreffen ist. Auch wenn hier von Strand gesprochen wird, verbietet die Fließgeschwindigkeit des Rheins doch das Baden – und die hochliegende Betonkante der Hochwassergrenze erinnert zudem daran, dass dieser Fluss nicht immer nur das freundlich plätschernde Gewässer wie in diesen sonnigen Tagen ist, an dem die Frösche um die Wette quaken. Weshalb auch der neue große Spielplatz jenseits diese Betonkante angesiedelt ist, während weiter unten Liegestühle zum Sonnenbad einladen.
Die Neuenburger Landesgartenschau präsentiert auf diesen Flächen keine Sensationen, wenn auch vieles, was zu ihren unentbehrlichen Attraktionen und Angeboten gehört, hier aufgebaut ist – von Infoständen diverser Institutionen über Schaubeete und Kunst bis hin zur Gastronomie. Denen aber, die genauer hinschauen, dürfte bewusst werden, wie karg es auf den Magerwiesen über dem Kiesschotter zugeht, während unten am Ufer, etwa im grünen Loch des einstigen Neuenburger Hafens, eine frische Feuchtigkeit herrscht: klimatische Wechsel auf kürzester Entfernung.

Die großzügig aus dem Wegesystem ausgesparten Magerwiesen, derzeit eine zartfarbige blühende Landschaft, die von einem „Blütenband“ in deutlich leuchtenderen Farben durchzogen ist, dazu die Streuobstwiesen sind bekanntlich gefährdete Biotope, vermutlich auch und gerade in der Umgebung einer wachsenden Stadt: Als Besucher der Gartenschau wüsste man gerne, was aus ihnen nach dem Herbst wird. Denn gleich nebenan beginnt ein Gewerbegebiet, und auch auf dem Weg zur Stadt kommt man an Flächen vorbei, die bei einigem Lärmschutz an der Autobahn wie Bauerwartungsland erscheinen.

Was ja durchaus verständlich ist: Noch erstreckt sich der neue Park am Rhein abseits von der Wohnbebauung. Was liegt da näher, als die Stadt in diese Richtung zu entwickeln? In der Landesgartenschau erfährt man dazu leider nicht viel – nur ahnt man, dass sie der Zukunft Neuenburgs ziemlich weit vorausgreift mit diesem Schritt an den Rhein. Was ja nicht verwunderlich ist, bedenkt man die langen Fristen einer Bewerbung um eine Landesgartenschau und den noch langfristigeren Zeitplan des Integrierten Rheinprogramms

Diese Ahnung kommt unwillkürlich auf, wenn man den Weg zum kleineren Teil der Landesgartenschau einschlägt, dem „Wuhrloch“: Man verlässt den Garten und geht durch eine zwar künstlerisch aufgepeppte, aber immer noch enge Unterführung unter der Autobahn und anschließend einer Ortstraße hindurch. Die Gartenschaugestalter haben das Problem dieses umständlichen Zugangs gewusst, haben ihn mit Farben, Blumen und Schülerkunst aufzuwerten versucht. Aber die endgültige Lösung für eine attraktive Verbindung zwischen Stadt und Rheingärten kann das nicht sein.

Zumal der Park um das „Wuhrloch“ zwar stadtnah ist, aber ebenfalls von der hoch gelegenen Altstadt deutlich getrennt ist – durch eine Straße und eine mehrere Meter hohe Mauer aus rotem Stampfbeton, hinter sich ein neues Parkhaus verbirgt. Die einzige Verbindung in die Altstadt stellt derzeit ein noch nicht völlig fertiggestellter Aufzug samt Brücke her, dessen etwas überhöhter Aufbau als Bertoldsturm ein neues Merkzeichen für Neuenburg setzt. Dieser Turm ist zwar unabhängig von der Landesgartenschau entstanden, steht aber dafür, dass die Altstadt vom damit verbundenen Investitionsschub ebenfalls profitieren soll.

Das „Wuhrloch“ selbst, der Name deutet es schon an, ist eine nicht allzu attraktive ehemalige Aushöhlung des Rheins, deren Ufer zwar abgeflacht wurden, die aber durch offenbar wechselnde Wasserstände recht kahl blieben. Drumherum gibt es einen Biergarten unter alten Kastanienbäumen, dazu kommen ein Spiel- und Bouleplatz sowie ein „Skate- und Funpark“, die, wenn die Zäune der Gartenschau fallen, gewiss rasch ins angrenzende Wohngebiet integriert sind. Bei den Rheingärten wird das gewiss nicht so einfach sein.
… Alles vom 10.6.2022 von Wulf Rüskamp bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/der-zukunft-ziemlich-weit-voraus–213758302.html

Landesgartenschau 2022 in Neuenburg am Rhein. Täglich geöffnet von 10 bis 19 Uhr.