In Stegen-Eschbach fand am 18.4.2015 ein Begegnungsabend mit Flüchtlingen statt, der von Dr. Walburga Rehmann-Linden, dem Eschbacher Ortschafts- und Gemeinderat Martin Rombach und seiner Tochter Leandra organisiert wurde. Die Idee für diesen Abend zu Migration und Integration entstand durch einen persönlichen Kontakt Martin Rombachs, der den Pakistani Saeed, sein Schicksal und sein Leben hier kennenlernte. Der Abend soll helfen, die Situation der Menschen, die geflohen sind, „ein bisschen besser zu begreifen und zu verstehen“, so Rombach.
Die Flüchtlingsproblematik ist ein sehr vielschichtiges und emotional besetztes Thema, entsprechend feinfühlig versuchten die Initiatoren sich dem Thema zu nähern. Was schlussendlich entstand, war ein Abend mit vielen Facetten, weil Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, mit unterschiedlichen Schicksalen und Erfahrungen zu Wort kamen.
Die Initiatoren hatten Flüchtlinge und Menschen, die diese Flüchtlinge unterstützen, eingeladen.
Ein Gast war Markus Löffler, der als Chef seiner Gerüstbaufirma große Schwierigkeiten hat, Arbeitskräfte zu finden. Die einmal flapsig ausgesprochene Bemerkung, dass man sicher Mitarbeiter unter den Asylbewerbern finden würde, wurde tatsächlich Wirklichkeit. Es war ein Zufall, dass Mitarbeiter seiner Firma Saeed aus Pakistan auf der Straße ansprachen und dieser sofort Interesse an der Arbeit auf dem Bau zeigte. Seit zwei Jahren ist er nun ein absolut zuverlässiger und geschätzter Mitarbeiter der Firma Löffler Gerüstbau. Löffler berichtet, dass er damals einfach handelte und dann von der Realität eingeholt wurde. Saeed hätte als Asylbewerber nämlich noch gar nicht arbeiten dürfen. Diese Hürde wurde überwunden. Ein anderes Problem besteht nun darin, dass Saeed keine Wohnung findet. Im Moment bewohnt er eine Ein-Zimmer-Wohnung mit zwei anderen Flüchtlingen. Löffler bietet potentiellen Vermietern an, die Miete über sein Geschäftskonto abzuwickeln, bisher leider erfolglos. Saeed hat noch keine Anerkennung als Flüchtling. Löffler hofft jedoch, dass er bleiben und seine Familie nachholen kann. Denn, so Löffler, „Saeed ist eine Bereicherung für uns und für unsere Gesellschaft“.
Ein anderer Gast war Jekerey aus Gambia. Er lebt seit drei Jahren in Deutschland und floh vor der allseits herrschenden Armut in seinem Land. In Deutschland möchte er arbeiten und Geld verdienen, um damit seine Mutter und seine drei Geschwister finanziell zu unterstützen. Er hat ein Praktikum im Kirchzartener Pflegeheim absolviert und eine Halbtagsstelle angeboten bekommen. Ohne Arbeitserlaubnis durfte er sie nicht antreten. Danach machte er ein Praktikum bei der Firma Elektro Tritschler in Stegen, auch dort könnte er als Auszubildender anfangen.
Aber sein Duldungsstatus lässt dies nicht zu. Derzeit besucht er die Schule im Römerhof und bereitet sich auf den Realschulabschluss vor. Er leidet darunter, nicht arbeiten zu dürfen. Seine Situation ist zermürbend und er hat Angst vor einer Abschiebung.
Mehrere Flüchtlinge brachten auch große Dankbarkeit zum Ausdruck, dass sie hier sein können und herzlich aufgenommen werden. Einen Beitrag dazu leistet sicherlich Miteinander Stegen e.V. und der vor etwa sechs Wochen unter dem Dach des Deutschen Roten Kreuzes Stegen gegründete Helferkreis, der über Patenschaften einzelne Flüchtlinge oder Familien ehrenamtlich über Patenschaften begleitet und Deutschkurse im Ökumenischen Zentrum anbietet.
Diskutiert wurde auch die sehr problematische Frage der Rückkehr in das Heimatland. Viele Flüchtlinge würden liebend gerne zurückkehren. Bei politischen Flüchtlingen ist das unmöglich, weil sie Folter und Tod erwartet. Bei den sogenannten Armuts- oder Wirtschaftsflüchtlingen ist der Weg zurück meist auch versperrt. Oft sparte die Familie über Jahre hinweg das Geld für die Flucht mit dem Ziel, dass dann einer die Familie finanziell unterstützen kann. Ist diese Person dann nicht erfolgreich, dann hat sie quasi ihr Lebensrecht in der Dorfgemeinschaft verwirkt.
Anwesend war auch die Bürgermeisterin Fränzi Kleeb, die sich von den Schicksalen der Flüchtlinge berührt zeigte. Sie dankte den Bürgern für ihr Engagement, Verständnis für die Flüchtlinge zu wecken, und den Willen, ihnen helfen zu wollen und bot die Zusammenarbeit von Seiten der Verwaltung an.
Unternehmer Markus Löffler mit seinem Mitarbeiter Saeed aus Pakistan
Weltweit sind laut UNO-Flüchtlingshilfe 51 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sind 51 Millionen Einzelschicksale, 51 Millionen Tragödien. Und um diese abstrakte Zahl anschaulicher werden zu lassen: das sind die Einwohner von fünfzig Städten wie Köln, das etwa eine Million Einwohner hat, oder etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung. 90 % der Flüchtlinge verbleiben in den Krisenregionen. Sie sind als Binnenflüchtlinge Vertriebene im eigenen Land oder fliehen in angrenzende Länder und leben dort in Zeltstätten oder Flüchtlingscamps, meist unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die wenigsten Flüchtlinge schaffen es nach Europa. Im Jahr 2014 haben 200.000 Menschen in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt, für 2015 werden 300.000 erwartet.
Die Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, werden zuerst in Sammelunterkünften untergebracht und danach Kommunen zugeteilt, die für die Anschlussunterbringung zuständig sind. Aufgrund der stark gestiegenen Zahlen haben die Kommunen zunehmend Probleme, Wohnraum für die Flüchtlinge zu finden.
23.4.2015, Dagmar Engesser, www.dreisamtaeler.de