Tarodunum

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Blick nach Osten vom Breitehof übers Dreisamtal und Kirchzarten zum Hinterwaldkopf am 21.6.2007 - ist das nicht schön?

Blick nach Osten vom Breitehof übers Dreisamtal und Kirchzarten zum Hinterwaldkopf am 21.6.2007 – ist das nicht schön?

 

 

 

Name des Oppidums Tarodunum anhand astronomischer Überlegungen

Das 200 Hektar große Oppidum erstreckt sich auf einer Hochfläche Beginn des Dreisambeckens auf Gemarkung der Gemeinden Kirchzarten und Buchenbach. Erstmals wird es im Jahr 765. n.Chr. in einer Urkunde in St. Gallen als Zarduna bezeichnet. Ebenso wie das Oppidum Heidengraben oder Ruisavia war die Gemarkung bereits in Antikel bekannt, wo sie der Geograph Claudius Ptolemäus unter dem Namen Tarodunum in seinem Atlas erwähnt. Lange Zeit war es ungewiss, ob sich auf dieser Hochfläche tatsächlich die von Ptolemäus erwähnte Siedlung befunden hatte. Hier gab nur wenige Lesefunde die keine stichhaltigen Beweise lieferten und vereinzelte Grabungen zeigten, dass während der Besiedelung auch ein Verteidigungswall nicht vollständig beendet wurde. Erst das Forschungsprojekt ‚Tarodunum‘ der Universität Tübingen erbrachte neue Erkenntnisse. Anhand von Münzfunden konnte nachgewiesen werden, dass in der Siedlung eine Münzprägung stattfand. Funde von Eisenschlacken die aus Rennöfen stammten, waren Indizien für einen Wohlstand innerhalb der Siedlung, der durch die Gewinnung und der Weiterverarbeitung von Eisenerz entstanden sein musste. Diese Annahme unterstützen auch mehrere Funde von Schmiedewerkzeugen. Die überregionale Bedeutung als Handelszentrum an einem Weg der später auch von Römern benutzt wurde war wahrscheinlich mit ein Grund weshalb Ptolemäus dieses Oppidium in sein Werk aufnahm. Unklarheit herrscht aber weiterhin über die Ursprünge des Namens ‚Tarodunum‘. Während der Prähistoriker Rolf Nierhaus vermutet dass `Tara´ ein Eigenname sei, sah die Namensforscherin Ilse Haenel den Namen `Taradunum´ als Summe einzelner Eigenschaften des Ortes. Die Silben tar- o – dun übersetzte sie in Anlehnung an die keltischirische Sprache als Passstrasse bei einer Festung. Heute wird die Existenz einer befestigten römischen Straße, die von von `Tarodunum´ nach `Brigobanne´, dem jetzigen Hüfingen, durch den südlichen Schwarzwald führte. Über diesen Verkehrsweg berichtete Johannes Humpert erstmals seinem Artikel `Eine römische Straße´ in den Archäologischen Nachrichten aus Baden.

Angesichts ihrer überregionalen Bedeutung kann der Ort bei Kirchzarten wohl kaum den wenig prägnante Namen `Passtrasse bei einer Festung´ getragen haben. Eine schlüssigere Erklärung bietet der Wortstamm `taro´, der eine Verwandtschaft zur keltischen Bezeichnung des Stieres aufweist. Hier existieren gleich mehrere Schreibweisen, die von `tarwo´, dem irischen `tarbh´, bis zu dem `kymrischen` tarwo´ reichen. Doch in den unterschiedlichen Bezeichnungen sieht der Historiker Bernhard Meier dennoch eine Entwicklung hin zur Schreibweise taro. Doch nur noch im Norden existiert diese Schreibweise, da sie durch die in der indogermanischen wie in der griechischen Sprache ähnliche Bezeichnung `taûros´verdrängt wurde. Zusammen mit der lateinischen Endung `unum´, da frei übersetzt bedeutet, `aus vieles eines´, wäre der Name folgerichtig aus einer Reihe von Stieren abgeleitet die eine Einheit ergaben. Die Geradlinigkeit der einstigen Grenzen Tarodunums unterscheidet sich von zahlreichen anderen Oppida, die oft konzentrische, oder ovale Grundrisse besitzen. Auch in dieser spezifischen Geometrie zeigt sich eine Nähe zum Sternbild des Tauros, das sehr geradlinig verläuft. Dabei zeigt ein Vergleich mit den Grenzen Tarodunums, dass zwei unterschiedliche Positionen des Sternbildes am Tag der Wintersonnenwende das Grundgerüst für den umriss bildeten. Einen Teil des Umrisses bestimmte die Lage des Sternbildes während der Kulmination um Mitternacht, wie sie um 800 v. Chr. beim Blick nach Süden zu sehen war. Der zweite Teil war wenige Stunden später zu sehen als das Sternbild beim blick nach Westen knapp über dem Horizont stand. Die beiden Bilder Kulmination und Untergang des Stieres vereinten sich so zu einem Bild das der Übersetzung `aus vieles eines´ gerecht würde. Zu dieser Zeit blickte die mythologische Verehrung des Stieres bereits auf eine knapp 4000 jährige Geschichte zurück. Sie begann mit der Verlagerung des Frühlingspunktes vom Sternbild Zwilling im Jahr 4460 v. Chr. zum Sternbild des Stieres. Bereits im 9. Jahrtausend v. Chr. gehörten die aus dem indoeuropäischen Auerochsen gezüchteten Hausrinder in Europa zum Alltag der bäuerlichen Kultur. Zu dieser Zeit waren sie aber weniger die Milch- und Fleischlieferanten wie wir sie heute kennen, sondern der Stier wurde hauptsächlich wegen seiner Arbeitskraft geschätzt.
Der Wandel innerhalb der Viehwirtschaft wird auch in der Sage des Herakles thematisiert, wo er in seiner fünften Arbeit von König Eurystheus den Auftrag erhielt, die Ställe des Königs Augias auszumisten. Auch in der Zeit des römischen Reiches war die Viehwirtschaft im Wesentlichen immer noch auf die Aufzucht von Ochsen beschränkt, den kastrierten männlichen Tieren. Gerade auf Grund ihrer Ausdauer und Sanftmut wurden sie vor allem als Zugtiere benutzt, wogegen Kühe auf Grund ihrer geringen Leistungsfähigkeit weit weniger geschätzt wurden. Dagegen dienten unkastrierte Stiere damals hauptsächlich als Zuchtbullen oder Opfertiere. Verglichen mit dem heutigen Milchverbrauch spielte die Kuhmilch eine untergeordnete Rolle bei der Ernährung der Bevölkerung, denn deren Versorgung wurde hauptsächlich durch Ziegenmilch gewährleistet. Entsprechend verhielt es sich mit dem Fleischverbrauch, wo nur Kalbfleisch eine höhere Wertschätzung genoss. Doch der Stier lieferte nicht nur die Arbeitskraft, sondern seine Exkremente dienten als Baumaterial und Dünger zugleich. Selbst die Abfälle aus Schlachtungen wurden auf vielfältige Weise verwertet. Aus seinem Fell wurde Leder gefertigt und aus dem Darm konnte die Hülle für Würste oder eine dünne Haut für regenfeste Bekleidung hergestellt werden. Selbst die Knochen wurden zu Werkzeugen, Waffen, Gerätegriffen, oder auch zu Schmuck verarbeitet.
Bekannt sind heute noch die Hörner des Stieres aus den Trophäen oder Trinkgefäße entstanden. Sie bildeten auch den oberen Teil des Symbols das für das Sternbild Stier steht. Er taucht zum ersten mal im Gilgamesch Epos auf, das im 2. Jahrtausend v. Chr. Entstand. Nach den sumerischen Überlieferung war Gilgamesch König der sumerischen Stadt Uruk, und zu einem Drittel menschlich, aber zu zwei Dritteln göttlich. Sein Name bedeutet `der Ahne war ein Held ebenso wie der Nachkomme. Dieses Epos erzählt von den Heldentaten des jungen Königs, die er zusammen mit seinem Gefährten, dem menschenähnlichen Wesen Enkidu auf der Suche nach der Unsterblichkeit erlebte. Zum eigentlichen Kampf kam es als Gilgamesch einen Heiratsantrag der Himmelsgöttin Ischtar ablehnte, die daraufhin den Himmelsstier ausschickte, der Gilgamesch töten sollte. Auf Grund von Beschreibungen des Stieres, der nur am östlichen Horizont grasen könne, wo er er zu dieser Zeit am Frühlingsbeginn zusammen mit der Sonne aufging, deuten auf eine Einbettung des Epos in den Lauf der Gestirne. Auch Dr. Werner Papke deutet den Text so. Er sieht im Satz, `Ischtar führt den Himmelsstier an einem Nasenseil nach Uruk´, die Himmelskönigin in der Gestalt des Sternbildes Jungfrau die den Stier bis zu seinem Untergang am westlichen Horizont führt. Gilgameschs` Kampf mit dem Himmelsstier bildet also eine Szene am Sternenhimmel ab, die in der Aufgang und Untergang zweier Sternbilder eng miteinander verknüpft sind. Nach Papkes Auffassung können auch weitere Figuren aus dem Epos, wie dem ´wahren Himmelshirten´ oder den ´Lohnarbeitern mit den Sternbildern Orion und Widder in Zusammenhang gebracht werden. Somit scheint die Interpretation Papkes zuzutreffen, dass der Mythos des Helden Gilgamesch auf volkstümliche Weise die Wanderung der Sternenkonstellation zum n Herbstzeitpunkt erklärte. Da der Stier als wuchtiges Signal für die Kalenderrechnung war bescherte ihm dies seine mythologischen Funktion in vielen weiteren Legenden die dem Gilgamesch Epos folgten. Aus diesem Grund finden sich seit dem frühen Neolithikum im gesamten Bereich Vorderasiens und Südosteuropas.Bildnisse von Stieren oder auch Hornsymbole.
Erst mit dem Beginn der Bronzezeit werden sie auf Grund der Wanderung des Frühlingspunktes in das Sternbild des Widders von dessen Symbol abgelöst. Seit den Ausgrabungen des britischen Archäologen Arthur Evans in Knossos, werden deshalb hornförmige Objekte auch als ´horns of consecration´, als rituelle Kultobjekte bezeichnet. Später erweiterte die Archäologin Ute M. Gimbutas diesen Begriff, denn sie hält das schematisierte Stiersymbol für eine elementare philosophische Idee und Grundlage der alteuropäischen Religionen. In dieser Idee soll sich nach ihrer Meinung der Glaube an eine Stiergöttin manifestiert haben, die als Symbol der Transformation und Regeneration des Lebens galt. Bis heute gilt deshalb die Region des fruchtbaren Halbmondes als die Keimzelle dieser Religion. Nach der Erwähnung im Atlas des Ptolemäus taucht der Name des Ortes am Eingang des Dreisamtales erst wieder im Jahr 765 in einer Urkunde auf. Doch jetzt fehlt das T, das durch ein Z ausgetauscht wurde. Sprachwissenschaftler erklären die Änderung mit einer Lautverschiebung, die während des Wechsels zur althochdeutschen Sprache stattfand. Doch diese Erklärung zu kurz, denn verschleiert nicht nur den Kern des Namens Tarodunum, sondern auch ein Kapitel blutiger Geschichte der Alemannen. Mit dem Beginn des 5. Jahrhunderts konnten sich die Römer dem verstärkten Ansturm der Alemannen nicht mehr erwehren und zogen sich hinter den Rhein zurück. Der Frankenkönig Chlodwig der mit politischem Geschick dieses entstandene Machtvakuum füllte, verhinderte mit der Schlacht bei Zülpich die Entstehung eines Alemnannenstaates und förderte in der Folge mit Hilfe irischer Missionare die Christianisierung des Südwestens. Einer der ersten ist Trudpert, der zusammen mit den anderen, später heilig gesprochen Missionaren Fridolin, Pirminius, Gallus, Othmar, Columban von Luxeuil und Landolin im Gebiet des Schwarzwaldes missionierten. Sie legten die Grundstein für die späteren Klöster. Um den immer wider aufflammenden Widerstand der Alemannen endgültig zu brechen griff der merowingisches Hausmeier Karlmann im Jahr 746 zu einer List. Er berief die alamannischen Herzöge und Adligen zu einer Versammlung nach Cannstatt ein, wo er ein großen Teil von ihnen hinrichten ließ. Nach dem später als Blutgericht von Cannstatt bezeichneten Ereignis, war das bis dahin existierende Herzogtum der Alemannen führungslos geworden und fiel in die Hände der Merowinger. Sals wenige Jahre später Tarodunum in einer Urkunde als Zarodunum wieder auftaucht, kann auch dies als geschickter Schachzug gedeutet werden um das Vergessen der alten Machtstrukturen zu fördern. In der zur gleichen Zeit entstehenden althochdeutschen Sprache wurde auch das römische Wort Cäsar, das Kaiser bedeutet zu Kaizar abgewandelt. Allein die zweite Silbe `Zar´, die später im slawischen Sprachraum mit dem Wort Zar die römische Bedeutung wieder aufleben ließ, genügte um in einem Vexierspiel den Wechsel von alt zu neu durchzuführen. Durch den Austausch der Buchstaben lebte zwar der vertraute Klang des Namens fort, aber die Stadt schien damit schon immer eine Stadt des Kaisers gewesen zu sein. Dies spiegelt sich der Rolle der Äbte des Patronatsklosters in St.Gallen wieder. Sie waren bis 1798 Reichsfürsten, die Sitz und Stimme im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches ausgestattet waren.

Obiger Text ist ein Auszug aus dem in Kürze erscheinenden Buch `Himmel der Kelten´, in dem der Name des Oppidums Tarodunum anhand astronomischer Überlegungen erklärt wird.
26.8.2014, Reinhard Gunst
Freier Architekt, Stuttgart , vektor04@online.de
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Archäastronomie
Die Studie zum `Himmel der Kelten´ begann beim Magdalenenberg in Villingen. Da stellte sich die Frage, ob dies ein einmaliges Werk war, oder die Kenntnis eventuell öfters zur Anwendung kam. Anschließend wurden mehrere
keltische Hügelgrabfelder und Ansiedlungen aufgesucht, um deren Geometrie, sowie die Namensentwicklung auf eine mögliche Anwendung astronomischer Gedanken zu untersuchen. Darunter auch das Oppidium Tarodunum zwischen Stegen und Kirchzarten im Dreisamtal. Die im Buch erläuterten Gedanken über den Zusammenhang von Geometrie und Sternbildern von frühgeschichtlichen Ansiedlungen sind neu und werden dieses Jahr zum ersten mal auf dem Kongress der Archäastronomen vorgestellt.

Reinhard Gunst: „Der Himmel der Kelten“
ISBN 978-3-95544-020-6, August 2014
Verlag Manuela Kinzel, Hohenstaufen,  www.manuela-kinzel-verlag.de

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