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- AfD-Steuerreformplan – Viel mehr als Populismus (29.11.2024)
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AfD-Steuerreformplan – Viel mehr als Populismus
Finanzpolitik: Der Steuerreformplan der AfD ist radikal, geht aber in die richtige Richtung
Ulrich van Suntum
Der Bundestagstagswahlkampf hat begonnen, obwohl Kanzler Olaf Scholz erst am 11. Dezember die Vertrauenfrage stellt und der Bundestag erst am 16. Dezember darüber abstimmen soll. Doch schon versprechen die Parteien wieder das Blaue vom Himmel. Das gilt auch für die Steuerpolitik: So kündigte CDU-Chef Friedrich Merz kürzlich auf einem Branchentreffen der Gastronomie an, den Mehrwertsteuersatz auf Speisen in Gaststätten wieder absenken zu wollen.
Die Bundesregierung unter Angela Merkel und ihrem Vizekanzler Scholz hatte ihn während der Corona-Krise im Juli 2020 für ein halbes Jahr auf fünf Prozent abgesenkt und danach nur auf sieben Prozent erhöht. Im Januar 2024 hob die Ampel Gastro-Mehrwertsteuersatz wieder auf 19 Prozent an – obwohl Scholz vor den Kameras der ARD-Wahlarena im September 2021 das Gegenteil versprochen hatte: Das schaffe man nicht wieder ab!
Streichung ganzer Steuerarten und ein einheitlicher Steuersatz
Ähnlich ging es 2005 zu: Die CDU wollte die Mehrwertsteuer um zwei Prozent erhöhen, die SPD gar nicht: Unter Schwarz-Rot stieg sie sogar um drei Prozentpunkte auf die heutigen 19 Prozent. Merz will Bürokratie abbauen, Unternehmensgewinne nur noch pauschal mit 25 Prozent besteuern und die Netzentgelte für Energie halbieren. Ähnliche Forderungen hört man aus der FDP. Selbst SPD und Grüne machen sich für Steuersenkungen stark, allerdings nur für kleinere Einkommen und ausgewählte Produkte wie zum Beispiel Milchersatz, die als besonders klimafreundlich oder gesund gelten.
Gemeinsam ist all diesen Vorschlägen, daß sie punktuell ansetzen, das extrem komplexe deutsche Steuersystem im Grundsatz aber nicht antasten. Vorbei sind die Zeiten, in denen Merz vor 21 Jahren die Steuererklärung auf einem Bierdeckel zusammenfassen wollte und die CDU mit dem Kirchhof-Konzept eine grundlegende Reform der Einkommensteuer zum Wahlkampfthema machte. Wer heute in der politischen Landschaft nach einer solch umfassenden Steuerreform sucht, wird nur noch bei der AfD fündig. Das ist insoweit nicht erstaunlich, als diese Partei ursprünglich von Ökonomen um den Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke gegründet wurde.
Auch heute hat sie noch viele Ökonomen unter ihren Unterstützern und in den eigenen Reihen, darunter die Kovorsitzende Alice Weidel. In der breiten Öffentlichkeit ist das allerdings kaum jemandem präsent. Denn die AfD wird in den Medien vorwiegend als Partei der (angeblichen) Klimaleugner und Ausländerhasser dargestellt. Wenn man überhaupt über ihre ökonomischen Vorschläge berichtet, werden diese zudem in aller Regel als populistisch, undurchdacht und unfinanzierbar abgetan. So lehnten CDU und FDP mit solchen Argumenten beispielsweise 2023 den AfD-Antrag im Bundestag ab, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie dauerhaft zu senken – um jetzt im Wahlkampf genau dies selbst zu fordern.
Was aber ist von den Steuerplänen der Partei insgesamt zu halten? Diese gehen weit über Einzelmaßnahmen hinaus und beinhalten nicht weniger als einen radikalen Umbau des gesamten Steuersystems, inklusive der Streichung ganzer Steuerarten und eines einheitlichen Steuersatzes für alle. Ausdrücklich beruft sich die AfD dabei auf das ursprüngliche Konzept des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Damit hatte Angela Merkel schon im Wahlkampf 2005 punkten wollen, war allerdings grandios gescheitert. Denn es gelang Gerhard Schröder, die Vorstellungen des „Professors aus Heidelberg“ als weltfremde Phantastereien und Ausgeburt sozialer Kälte zu diffamieren. Die CDU selbst rückte daraufhin von ihrem eigenen Schatten-Finanzminister wieder ab und verlor anschließend die Wahl. Dagegen scheint die AfD heute in weiten Teilen hinter ihrem Steuerkonzept zu stehen. Mit dem Finanzwissenschaftsprofessor Fritz Söllner hat sie sich zudem einen ausgewiesenen Fachmann als Hilfe für dessen Ausarbeitung und Modernisierung geholt. Herausgekommen ist dabei ein radikaler Reformansatz, der es in sich hat.
Große Sparpotentiale bei Migration und der Klimaschutzpolitik?
Danach soll das deutsche Steuersystem im wesentlichen nur noch auf zwei Säulen fußen, nämlich der Einkommen- und der Mehrwertsteuer – alles andere könne im Prinzip weg. Tatsächlich machen derzeit die Steuern auf Ertrag und Umsatz rund drei Viertel der gesamten Steuereinnahmen aus. Der Rest entfällt auf eine Vielzahl von Spezialabgaben, die oft nur noch historisch zu erklären und teilweise inhaltlich kaum zu rechtfertigen sind. Komplett abschaffen will die AfD insbesondere die Erbschafts- und Schenkungssteuer, ebenso die – seit der jüngsten Reform besonders unbeliebte – Grundsteuer sowie die Gewerbesteuer.
Letzteres haben schon viele Ökonomen gefordert, es scheiterte aber daran, daß die Gewerbesteuer eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen ist. Allerdings will auch die AfD sie nicht ersatzlos streichen. Vielmehr will sie – auch hier greift man einen Vorschlag vieler Finanzwissenschaftler auf – die Kommunen zum Ausgleich mit einem Zuschlagsrecht zur Einkommensteuer ausstatten. Das macht durchaus Sinn, denn die Gewerbesteuer ist ein bürokratisches Monstrum, das es so in keinem anderen Land der Welt gibt. Dagegen wäre eine kommunale Beteiligung an der Einkommensteuer sehr einfach umsetzbar. Zudem haben dann ähnlich wie im Schweizer Steuersystem alle steuerzahlenden Einwohner ein direktes Interesse daran, daß ihre Gemeinde nicht zu viel Geld für irgendwelchen Blödsinn ausgibt.
Kritischer ist der AfD-Plan zu sehen, anstelle der progressiven Einkommensteuer einen Einheitssteuersatz von maximal 25 Prozent (inklusive Kommunalsteuer) einzuführen. Zwar sollen dafür ähnlich wie im Kirchhof-Konzept Ausnahmen und Steuergestaltungsmöglichkeiten weitgehend gestrichen werden. Aber unter dem Strich dürfte es dennoch zu erheblichen Mindereinnahmen des Staates kommen – zusätzlich zu den gänzlich wegfallenden anderen Steuern. Darüber, wie das aufgefangen werden soll, schweigt sich das Reformkonzept weitgehend aus. Die AfD verweist hier lediglich darauf, daß der Staat riesige Sparpotentiale hat.
Allein die Kosten der von ihr abgelehnten Migrationspolitik beziffert sie auf 70 Milliarden pro Jahr. Hinzu kämen 50 Milliarden für die zahllosen und aus ihrer Sicht größtenteils unsinnigen Klimaschutzprojekte. Aber all dies läßt sich natürlich nicht von heute auf morgen ändern bzw. einsparen. Das Steuerkonzept der AfD ist insoweit eher eine langfristige Idealvorstellung, die auch unter einer Bundeskanzlerin Weidel bestenfalls schrittweise realisiert werden könnte. Aber immerhin, es geht durchaus in die richtige Richtung. Wenn die Opposition nicht solche Perspektiven aufzeigen würde, wer sollte es in der Politik denn dann tun?
AfD-Gesetzentwurf zur „Kalten Progression“: https://dserver.bundestag.de/btd/20/133/2013357.pdf
AfD-Antrag „Grundlegende Steuerreform“:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/133/2013356.pdf
… Alles vom 29.11.2024 von Ulrich van Suntum bitte lesen in der JF 49/24, Seite 10
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