Selbstmord Europas – Essay von Mark Steyn
Den postchristlichen Wohlfahrtsstaaten fehlen Kinder und Mut. Demographie ist die beste Waffe der Moslems
Viel von dem, was wir vage die westliche Welt nennen, wird dieses Jahrhundert nicht überleben. Vermutlich wird es auf den Landkarten noch eine Region geben, die als Italien oder Deutschland bezeichnet wird, so wie es in Istanbul immer noch ein Bauwerk gibt, das St.-Sophia-Kathedrale heißt. Nur ist es eben keine Kathedrale mehr, sondern bloß eine Immobilie. Ebenso werden Italien und Deutschland Namen von Liegenschaften sein. Für jene, die glauben, daß die westliche Zivilisation per saldo besser ist als alle Alternativen, besteht die Herausforderung darin, zumindest einen Teil des Westens zu retten. So ziemlich alle Parteien im Westen haben sich dem verschrieben, was man die sekundären Impulse einer Gesellschaft nennen könnte – Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Elternzeit. Wir haben den sekundären Impulsen Vorrang vor den primären eingeräumt: Landesverteidigung, Familie, Glaube, und, am elementarsten, die Fortpflanzung – „Geht hin und mehret euch“. Wenn nicht, dann könnt ihr all die sekundären Impulse nicht bezahlen. Der Konstruktionsfehler der säkularen sozialdemokratischen Staaten ist, daß sie die Geburtenrate einer gläubigen Gesellschaft bräuchten, um sich zu erhalten. Das Problem ist, daß Gesellschaften des sekundären Impulses ihre Schwächen als Stärken – oder wenigstens als Tugenden – mißverstehen, und deshalb versagen sie kläglich im Umgang mit einer Urgewalt wie dem Islam.
Apropos: Wenn wir uns tatsächlich im Krieg befinden – eine Annahme, die die Hälfte der Amerikaner und ein deutlich höherer Anteil der Europäer nicht teilt -, worum genau wird dieser Krieg dann geführt? Es gibt viele Brandherde auf der Welt, aber generell läßt sich auf eine Konfliktpartei stets verläßlich schließen: Moslems gegen Juden in „Palästina“, Moslems gegen Hindus in Kaschmir, Moslems gegen Christen in Afrika, Moslems gegen Buddhisten in Thailand, Moslems gegen Russen im Kaukasus, Moslems gegen Touristen auf Bali. Wie die Umweltschützer denken diese Kerle global, aber agieren lokal. Sie wissen, daß sie auf dem Schlachtfeld niemals gewinnen können, aber sie rechnen sich eine Chance aus, die Sache so lange hinzuziehen, bis die westliche Zivilisation an sich selbst zugrunde geht. Darum geht es in diesem Krieg: um unser mangelndes zivilisatorisches Selbstvertrauen. Das fortschrittliche Programm – verschwenderische soziale Wohlfahrt, Abtreibung, Säkularismus, Multikulturalismus – ist, zusammengenommen, das eigentliche Selbstmordattentat. Das Tolle am Multikulturalismus beispielsweise ist, daß man gar nichts von anderen Kulturen wissen muß. Alles, was es braucht, ist, andere Kulturen cool zu finden. Multikulti heißt, daß Ihr Kind für die Weihnachtsfeier statt „Stille Nacht“ irgendeinen Stammesgesang lernt, aber nicht, daß Sie in einer afrikanischen Gesellschaft leben möchten.
Wir machen uns um die falschen Dinge Sorgen. In seiner bahnbrechenden Studie „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 erklärte der Club of Rome, daß uns bis 1993 Gold, Quecksilber, Blech, Zink, Erdöl, Kupfer, Blei und Gas ausgegangen wären. Nichts davon trat ein. Genaugenommen schwimmen wir in Ressourcen, aber die Menschen gehen uns aus – die eine wirklich unersetzliche Ressource. Wenn es darum geht, die Zukunft vorherzusagen, sprechen die Geburtenraten eine unmißverständliche Sprache. Wenn im Jahr 2006 eine Million Babys geboren werden, dann werden 2026 dem Arbeitsmarkt wohl kaum zwei Millionen junge Erwachsene zur Verfügung stehen. Die harten Fakten besagen, daß der westlichen Welt die Kinder viel schneller ausgehen als das Öl. Die zur Erhaltung der Bevölkerungszahl notwendige Geburtenrate liegt bei 2,1 Babys pro Frau. Manche Länder liegen deutlich drüber: Somalia bei 6,91, der Niger bei 6,83, Afghanistan bei 6,78, der Jemen 6,75. Haben Sie bemerkt, was diese Länder verbindet? Am Ende der Geburtenratenrangliste finden Sie schließlich die USA – mit 2,07 Geburten pro Frau in etwa auf Erhaltungsniveau. Irland liegt bei 1,87, Australien bei 1,76. Kanada ist mit 1,5 schon deutlich unter dem Erhaltungsniveau, Deutschland und Österreich befinden sich mit 1,3 bereits am Rande der Todesspirale. Rußland und Italien liegen bei 1,2, Spanien bei 1,1 – ungefähr die Hälfte dessen, was zur Erhaltung nötig wäre. Bis 2050 wird Italiens Bevölkerungszahl um 22 Prozent gesunken sein. Bis 2050 wird es 100 Millionen Europäer weniger geben. Während die Geburtenraten sinken, altert die Gesellschaft wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Diese Länder werden aus dem Geschäft ausscheiden – es sei denn, sie finden den Mut zur Veränderung. Was ich nicht glaube. Wenn Sie sich die europäischen Wahlergebnisse anschauen – zuletzt in Deutschland -, fällt die Schlußfolgerung nicht schwer, daß die Wähler mit ihrer politischen Elite unglücklich sind. Und zwar deshalb, weil sie nicht gern aufgefordert werden, die Höhe der staatlichen Zuschüsse, die sie bekommen, zu überdenken, ganz egal, wie unbezahlbar diese für die kommende Generation auch sein mögen.1970 scheint gar nicht lange her, und doch hat sich die Welt seitdem grundlegend verändert. 1970 hatten die Industrieländer einen zweimal höheren Anteil an der Weltbevölkerung als die Moslems: 30 gegen 15 Prozent. Im Jahr 2000 waren sie gleichauf: Jeder hatte etwa 20 Prozent. Die Welt ist heute also viel islamischer als damals, 20 Millionen Moslems sind (offiziell) seitdem dazugekommen – das entspricht der Bevölkerung von zusammen vier europäischen Ländern (Irland, Belgien, Dänemark, Estland). Keine Religion breitet sich im Westen schneller aus als der Islam: In Großbritannien besuchen jede Woche mehr Moslems als Christen den Gottesdienst. Können diese Trends weitere 30 Jahre anhalten, ohne daß das Konsequenzen hätte? …
Um den Zusammenbruch zu verhindern, werden die europäischen Nationen mehr Einwanderer aufnehmen müssen, als es je eine stabile Gesellschaft versucht hat. Die CIA sagt den Zusammenbruch der EU für das Jahr 2020 voraus. Zwar hat die CIA im letzten halben Jahrhundert so ziemlich alles falsch verstanden. Aber sogar ein mieser Agent landet einmal in 30 Jahren einen Treffer. Der Zeitpunkt des EU-Zusammenbruchs ist eher noch vorsichtig geschätzt. Wahrscheinlicher scheint, daß die Widersprüche der EU schon innerhalb der nächsten paar Wahlperioden auf die übliche Weise zutage treten. Ab 2010 können wir dann auf amerikanischen Nachrichtenkanälen zuschauen, wie in Europa die Häuser brennen und es zu Straßenkämpfen und Mordanschlägen kommt. Und selbst wenn es gelingt, das zu verhindern, bleibt die Vorstellung eines kinderlosen Europas, das Amerika militärisch oder ökonomisch Konkurrenz macht, lachhaft. Irgendwann in diesem Jahrhundert wird es 500 Millionen Amerikaner geben, und was in Europa noch übrig ist, ist dann entweder sehr alt oder sehr moslemisch. Westliche Liberale haben feine Antennen. Wann immer man die Frage aufbringt, ob in einer oder in drei Generationen noch Italiener in dem als Italien bezeichneten Landstrich leben werden, schreien sie „Rassismus!“. Und sich um den Anteil der „Weißen“ an der Bevölkerung zu sorgen ist tatsächlich grotesk und unangebracht. Aber es geht ja auch gar nicht um Rasse, es geht um Kultur. Wenn 100 Prozent einer Bevölkerung an die liberale, pluralistische Demokratie glauben, ist es egal, ob sie zu 70 oder zu fünf Prozent „weiß“ ist. Aber wenn der eine Teil einer Bevölkerung an die liberale, pluralistische Demokratie glaubt und der andere nicht, spielt es eine große Rolle, ob der Teil, der es tut, 90 oder nur 60, 50 oder 45 Prozent der Bevölkerung auf sich vereint. Laut einer Umfrage von 2004 wollen 60 Prozent aller britischen Moslems unter der Scharia leben – und zwar in Großbritannien. Wenn eine Gemeinschaft „in Zwietracht mit der modernen Welt“ die sich am schnellsten vermehrende des Planeten ist, wie stehen dann die Chancen, daß die „moderne Welt“ überlebt? Nicht gut.
Aus dem Amerikanischen von Wieland Freund. Der stark gekürzte Text erschien zuerst in der Januarausgabe der amerikanischen Zeitschrift „New Criterion“ (©) Mark Steyn
Kompletten Artikel vom 9.2.2006 auf www.welt.de:81/data/2006/02/09/842944.html lesen
„It’s the demography, stupid“ von Mark Steyn.
Mark Steyn ist bekennender Konservativer; was herauskommt, wenn „so jemand“ über die Geburtenrate der westlichen Gesellschaften, die Rolle der Frau, und über die Bedrohung des Westens durch den Islam schreibt, könnte man ahnen und ungelesen abtun. Allerdings nur „könnte“: Ein Körnchen bis ein Korn Wahrheit ist immer dabei, und ein mit Schmackes geschriebener längerer Aufsatz der politischen „Gegenseite“ kann immer dazu dienen, den eigenen Standpunkt zu klären. Und dafür ist dieser Aufsatz bestens geeignet.
11.1.2006 https://www.bela1996.de/literature/le.html