Der schwierige Weg zur Integration – am konkreten Beispiel. Seit neun Jahren führen Karin Pinkus und der aus Iran stammende Farhad Vakof ihr Geschäft „Donya – Waren aus aller Welt“ mit einem mediterranen und asiatischen Feinkost-Sortiment in der Kapplerstraße 1 in Freiburg-Littenweiler. Das Interview von Beate Kierey zeigt, wie mühsam und lange die Integration von Migranten in unsere Gesellschaft sein kann.
Wie sind Sie denn ausgerechnet nach Littenweiler gekommen, Herr Vakof?
Im bin im Nord-Iran, nahe am Kaspischen Meer geboren und aufgewachsen. Das Gymnasium besuchte ich in Teheran. Nach der ‚Islamischen Revolution‘ 1978/79, die zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi und damit zum Ende der Monarchie führte, kam Anfang 1979 Ajatollah Chomeini an die Macht und proklamierte die ‚Islamische Republik‘. Ich bin vor der Revolution zum Architekturstudium in die USA gereist. In meiner Familie herrschte immer ein weltoffener Geist für Modernisierung.
Mit großen Hoffnungen auf eine Demokratisierung bin ich dann nach der Revolution wieder zurück in meine Heimat gegangen und direkt in die Bewegung gegen die Islamisten und neuen Machthaber gekommen, die im „Iranischen Frühling“ aktiv waren. Es herrschte weiterhin Bürgerkrieg, man spürte überall den Druck, die Unfreiheit, Repressionen der reaktionären Kräfte. Viele bekannte Gesichter „verschwanden“ plötzlich, viele wurden ermordet. Ich ging in den Untergrund. Zehn Jahre meines Lebens hat es mich gekostet, es war schwer in einer Zeit zu leben, in der der Iran-Irak Krieg das Leben aller Iraner strikt und brutal prägte. Ich lebte aber wie viele politisch Verfolgte und Deserteure in strenger sozialen Entbehrung und Rechtlosigkeit mit einem gefälschten Pass.
Im August 1989 bin ich dann endlich aufgebrochen. Mit Hilfe von Schleusern bin ich über die Grenze geflohen. Ab dort war ich in der Hand weiterer Menschenschmuggler. Über die Türkei bin ich später 1990 nach Frankfurt gekommen, dann ging es weiter nach Schwalbach, später verbrachte ich zwei Jahre in einem Ausländerheim in Fulda – ohne Arbeitserlaubnis, da war ich 32 Jahre alt. Um irgendwie innerlich wach zu bleiben, lernte ich weiter deutsch.
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Nach meiner offiziellen Anerkennung als politisch Verfolgter, bin ich nach Köln gegangen. Auf Anraten des Arbeitsamts machte ich dort eine Umschulung zum Technischen Zeichner. Dann wurde ich durch den Leistungsträger Sozialamt zwangsweise – ohne Möglichkeit mich in meinem neuen Beruf zu bewerben – als Bibliothekar-Gehilfe in die Bibliothek nach Köln geschickt, um dort die Bücher zu digitalisieren. Nach einem Jahr wurde ich entlassen. Auf Anraten des Arbeitsamtes wurde ich zum Netzwerkadministrator umgeschult, fand aber trotzdem keine Arbeitsstelle. Auch nicht mit der Fortbildung zum Programmierer MSCD; trotz meiner guten Zeugnisse. Ich war wirklich motiviert! Dann war ich schließlich völlig enttäuscht von all den Zwängen und „Beratungen“… Ich zog deshalb nach Freiburg und arbeitete in einem Lebensmittelladen, um ein neues Leben zu führen. Hier lernte ich meine Frau Karin, übrigens eine gebürtige Bayerin, kennen und gründete mit ihr den Laden „Donya“ in Littenweiler.
Wir haben uns auf mediterrane und asiatische Feinkost spezialisiert. Wir kaufen für unsere Kunden regional und saisonal frische Produkte aus der Umgebung ein, so kommen unsere Tomaten beispielsweise aus Opfingen. Unser Wein-Sortiment ist breit aufgestellt, wir führen darin auch tolle Weine aus Baden, bieten frische Anti-Pasti, aromatische Aufstriche, selbst eingelegten Käse, Oliven, frische Datteln, Gemüse, Blumen, Kaffee und Tee. Aber die Zeiten sind schwieriger geworden. Mein Vorgänger hat den Laden mit dem Worten geschlossen „ich wurde hier nicht angenommen“.
Wir sind kein exotisches Museum, wir bieten einfach nur frische, saisonale, regionale Qualität und möchten damit unser Auskommen haben. Trotzdem frage ich mich immer öfter, besonders wenn ich mitbekomme, dass weiter neue Flüchtlinge unterwegs nach Deutschland sind, wer hat bei meiner ‚Integration‘, so wie ich sie mir vorstelle, versagt? Der Staat? Das Amt? Der Mensch, also ich, Farhad Vakof? Ich habe doch alle Voraussetzungen erfüllt, habe gelernt, Abschlüsse gemacht, kann Zeugnisse vorlegen, spreche die deutsche Sprache, bin motiviert und der Staat hat viel Geld in mich investiert, und nun? Was wartet auf die Neuen, besonders auf die in meinem Alter? Ich war ja damals erst 30 Jahre alt.
Was schätzen Sie an Deutschland?
Die Ordnung hier, die deutsche Sprache, die Wissenschaft und die politische Verfassung.
Haben Sie eine Vision?
Ja, ich wünsche mir sehr eine persönlich und finanziell gesicherte Zukunft und, dass wir beide, meine Frau und ich, es finanziell schaffen, in die Rente zu kommen.
Das Gespräch mit Farhad Vakof führte Beate Kierey..
6.10.2015, www.littenweiler.dorfblatt.de
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Farhad Vakof und Karin Pinkus, Dipl-Geografin
Kappler Strasse 1, 79117 FR-Littenweiler,
Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr und samstags von 8 bis 19 Uhr
donya_freiburg@yahoo.de , Tel 0761/6008936