Jos Fritz: Maske auf – Nazis raus

Die Freiburger Buchhandlung Jos Fritz stellt ein Plakat ins Schaufenster mit der Aufschrift „Maske auf, Nazis raus“ und erfährt danach einen gewaltigen Shitstorm in den sozialen Medien. Beides ist gleichermaßen dumm – Plakat wie Shitstorm.

Auf der einen Seite suggeriert das Plakat einen Zusammenhang (Korrelation, wenn nicht gar Kausalität?) zwischen Maske und Nazi. Wer als Coronaskeptiker keine Maske trägt, muß wohl ein Nazi bzw. Antisemit sein?
Auf der anderen Seite fühlen sich irgendwelche Rechtsextremisten berufen, durch massenweise Kommentar-Postings einen Shitstorm zu generieren, um so den Eindruck einer großen Welle der Entrüstung vorzugaukeln und dem Buchladen zu schaden.

Beide Seiten handeln gleichermaßen aggressiv: Es geht ihnen um die Spaltung der Gesellschaft, um die Behandlung des Mitbürgers als Feind (den man kaputt machen will) statt als Gegner (den man im demokratischen Diskurs mit Argumenten überzeugen will), um Abbau der Diskussionskultur bzw. um die Zerstörung des „Consent of the Governed„.
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Schade, daß sich die Jos Fritz-Buchhandlung seit spätestens 9/2015 von politisch links (Durchlässigkeit der Gesellschaft zugunsten der kleinen Leute bzw. Arbeitnehmer als Ziel) zu politisch lifestyle-links (i.S. von Sahra Wagenknecht: Beschäftigung mit Identitätspolitik als Hauptaktivität; Minderheiten, die in D durch Herkunft, Kultur, Religion usw. sowie weltweit durch Klimawandel geschädigt sein sollen) gewendet hat.

Früher war ich über lange Jahre hindurch Stammkunde bei Jos Fritz, die ich als linke Buchhandlung geschätzt habe: Breites Buchsortiment, „Wo links ist, ist auch rechts“ (Safranski), fachliche Beratung. Da wurden interessante Diskussionen geführt, im Laden wie im Café bzw. Hinterhof; mit Linken und Rechten, mit jung und alt, mit akademischen Klugscheißern und mit einfach Gestrickten.
Da gab es kontroverse Events wie z.B. am 18.12.2013 zum Thema „Café Judenhass“:
https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/broder-judenhass-palestine/
Henryk M. Broder (jüdischer Herausgeber von Achgut.com), Jürgen Grässlin (Deutschlands Abrüstungsexperte Nr. 1), Gabi Weber (Initiatorin des Café Palestine), Salem E. (Palästinenser aus Gaza), Felix Rottberger (Jüdischer Friedhof am Rosbaumweg in FR) und andere diskutierten im übervollen Buchladen über das Nahostproblem Gaza-Palästina-Israel. Es gab heftigen Streit, aber man sprach miteinander. Die andere Meinung wurde bissig bekämpft, aber angehört. Man war äußerst erregt, aber respektierte einander. Nach der Diskussion saß man beieinander bei einem Glas Rotwein – natürlich trocken.
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Heutzutage ist eine derartige Diskussionsveranstaltung mit politisch so unterschiedlich orientierten Gästen im Jos Fritz und auch anderswo schlicht undenkbar. Die degenerierte Lifestyle-Linke hat die Diskussionskultur begraben und vermeidet Debatte bzw. ersetzt diese durch abweisende Plakatierung (hier „Maske auf, Nazis raus“). Als Lifestyle-Linker spricht man nicht mit Menschen abweichender Meinung und verweigert ihnen den Zutritt. Oder wie auf der Frankfurter Buchmesse geschehen: Eine linke Buchautorin sagt die Teilnahme ab, weil auch rechte Autoren als Aussteller anwesend ist.

Wie auch immer – die ideologische Segregation garantiert gähnende Langweile bei der Kommunikation der gleichgesinnten Gleichdenkenden. Zum Glück jedoch mißfällt immer mehr altmodisch-echten Linken diese Segregation. Drei Beispiele:
Sascha Lobo, der in seiner Spiegel-Kolumne vom 21.10.2020 linke Doppelmoral und linken „Verniedlichungsrassismus“ anprangert: „Nach einem rechtsextremen Mord ist Verlass auf linke Empörung in den sozialen Medien. Auf einen islamistischen Mord hingegen folgt Stille, linke Zerknirschtheit – und manchmal sogar Schlimmeres.“
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/islamistische-anschlaege-die-linke-social-media-empoerung-bleibt-aus-kolumne-a-9ac7415a-f0d2-4d7d-8279-e5c606f2a82f

Oder Sahra Wagenknecht (MdB, Linke), die in ihrem neuen Buch „Die Selbstgerechten“ die Lifestyle-Linke als abgehobene Gesellschaftsschicht beschreibt, die am liebsten mit sich selbst und der Opferrolle irgendwelcher Minderheiten beschäftigt ist.

Oder die kalifornische Medienprofessorin Catherine Liu, die anhand des in den USA geläufigen Begriffs der PMC für „Professional Managerial Class“ bzw. „Berufliche Führungs-Klasse“ eine feine Lifestyle-Linke anprangert, die als grüne, postmoderne und identitätspolitisch orientierte linke Hipster-Mittelschicht immer mehr zum Feind der kleinen Leute wird, ja einen Klassenkampf gegen die einfachen Leute, genannt Arbeiter, führt.
https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/linke-contra-lifestyle-linke-pmc/
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Zurück zum Plakat „Maske auf, Nazis raus“ im Schaufenster vom Jos Fritz: Vielleicht läd die Buchhandlung ja mal zu einem Diskussionsabend ein, um darüber zu sprechen. Die fernen Internet-Shítstormer werden sicher nicht kommen, wohl aber die vielen so nahen Freiburger.
24.12.2021

https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/business/handel/buchhandel/josfritz/

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Freiburger Buchladen zeigt Flagge gegen Rechts – und erntet Shitstorm
Die Buchhandlung Jos Fritz an der Wilhelmstraße ist Opfer eines Shitstorms geworden, nachdem unter anderem ein verschwörungstheoretischer Youtuber aufgerufen hatte, dem Laden schlechte Bewertungen bei Google zu geben. Hintergrund ist ein Plakat, das der Laden am Samstag in sein Schaufenster gehängt hatte: „Maske auf, Nazis raus“, war darauf zu lesen.
… Alles vom 21.12.2021 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburger-buchladen-zeigt-flagge-gegen-rechts-und-erntet-shitstorm–207499035.html

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