In keiner westlichen Demokratie gibt es einen Verfassungsschutz deutscher Prägung, um die politische Gesinnung der Bürger zu überprüfen und ggf. „öffentlich an den Pranger stellen zu können“. Auch deshalb fordert Mathias Brodbeck im Buch „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik“ die Abschaffung des Verfassungsschutzes bzw. Inlandsgeheimdienstes „als eine für die Demokratie unwürdige Institution“. Eine Reform lehnt Brodkorb ab.
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Das Buch liefert eine umfassende Analyse des Verfassungsschutzes mitsamt sechs Fallstudien: Zwei der politischen Linken (Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und den Bürgerrechtler Dr. Rolf Gössner), drei der Rechten (das Institut für Staatspolitik (IfS) um den Verleger Götz Kubitschek in Schnellroda, der Politik-Professor Dr. Martin Wagener und die AfD) sowie den Fall der „Delegitimierung“ als den „allumfassendsten Skandal in der Geschichte des deutschen Inlandsgeheimdienstes“.
Klärend sind seine Abgrenzungen zum Radikalismus/Extremismus und zum Volksbegriff (ethnisch bzw. ethnokulturell, Staatsvolk). Für den Verfassungsschutz ist der „ethnische Volksbegriff” der Schlüsselbegriff im „Kampf gegen Rechts”. Danach habe als Verfassungsfeind zu gelten, wer die Meinung vertritt, daß es ein ethnisch-kulturelles deutsches Volk als Teilmenge des deutschen Staatsvolks gebe.
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Mathias Brodkorb lehnt diese Negierung des ethnischen Volksbegriffs durch den Verfassungsschutz ab und beantwortet dieses strittige Problem wie folgt: „Verfassungsfeindlich wäre ein ethnischer Volksbegriff dann und nur dann, wenn auf ihn rechtlich ungerechtfertigte Ausgrenzungen und Benachteiligungen gestützt würden” (Seite 137).
Wie in wohl jedem Land der Welt hätten dann auch in Deutschland zwei Volksbegriffe ihre Gültigkeit: Ethnokulturelles Volk und Staatsvolk. Damit gelten auch die vielen im Ausland lebenden Deutschen (z.B. in der Ukraine ca 15.000) als Deutsche, obwohl sie keinen deutschen Pass besitzen.
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Wie Mathias Brodkorb lehnt auch der Freiburger Staatsrechtler Prof Dietrich Murswiek die Sichtweise des Verfassungsschutzes als unzutreffend ab, bereits ein ethnischer Volksbegriff sei verfassungsfeindlich .Auf die Frage, welchen Volksbegriff unser Grundgesetz hat, stellt Murswiek klar: „Das Volk, dem das Grundgesetz die Souveränität zuspricht, ist nicht das ethnische, sondern das Staatsvolk. Und dem gehört jeder an – ist also „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes“ –, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Natürlich ist das Staatsvolk nicht mit dem ethnischen Volk identisch, sonst wären nationale Minderheiten und Einbürgerungen nicht möglich.“
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Mit „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?“ hat Mathias Brodkorb ein ausgefeiltes Analysebuch vorgelegt, das zur Klärung der Auseinandersetzungen um die Begriffe Volk und Extremismus beitragen wird.
Einen Auszug des Buchs finden Sie unter „Verschwörungstheoretiker von Staats wegen“ hier. Eine Rezension von Michael Klonovsky unten unter (1). Eine weitere Buchrezension von Sebastian Ostritsch hier.
23.3.2024
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Mathias Brodkorb, Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik. Sechs Fallstudien.
Zu Klampen Verlag, Hardcover mit Überzug, 250 Seiten, 25,00 €
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Ende des Beitrags „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?“
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Beginn von Anlage (1) – (2)
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(1) „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?“ – Buchrezension von Michael Klonovsky
Brodkorb eröffnet seine Analyse mit dem schönen Aphorismus: „Verfassungsschützer sind Verschwörungstheoretiker im Auftrag des Staates.“ Das führe zu einer „mimetischen Rivalität“ (die Wendung stammt von René Girard) mit ihren Beobachtungssubjekten, die in der Figur des V‑Mannes (V‑Menschen?) wohl ihren sinnfälligsten Ausdruck findet. Das schreibt Brodkorb nicht explizit, er spricht aber vom „Versuch, den gerissenen Verfassungsfeind durch noch mehr Gerissenheit zu entschlüsseln und zu übertrumpfen“, wodurch es „zur Anverwandlung an das eigentlich zu bekämpfende Objekt kommen“ könne. So wie der sagenhafte König Midas alles in Gold verwandelte, was er berührte, verwandelt der Verfassungsschützer alles in Verfassungsfeindschaft, womit er auftragsgemäß in Berührung kommt. Bei rechtem Zwielichte besehen ist nämlich so gut wie jeder Mensch ein Fall für den Verfassungsschutz, gerade in ‘schland, wo nach Günter Maschkes geflügeltem Wort „jeder zum Verfassungsfeind des anderen werden kann“. Es verhält sich ja nicht nur so, dass die Regierung der Opposition Verfassungsfeindlichkeit vorwirft, sondern auch umgekehrt. Nur kontrolliert eben die Regierung den Inlandsgeheimdienst.
Ich weiß nicht, ob Brodkorb den Verfassungsschutz (fortan: VS) genau deshalb abschaffen will. Jedenfalls will er es überhaupt – „und das”, um Gunnery Sergeant Hartman aus „Full Metal Jacket” zu zitieren, „genügt uns”. Der Sozialdemokrat hält den VS für ein historisch überholtes deutsches Spezifikum, gewissermaßen den Blinddarm des guten alten „Sonderwegs“, für eine Behörde zudem, die ihre Befugnisse geradezu methodisch überschreite und sich „immer mehr zu einer Sprach- und Gedankenpolizei“ erhebe. Das ergebe sich zum einen aus der parteipolitischen Instrumentalisierung des Bundesamts. Die VS-Behörden sind dem Bundesinnenminister (w) sowie den Landesinnenministern (m/w/d) unterstellt, ihre Chefs sind politische Beamte, denen jederzeit gekündigt werden könne, wenn sie nicht das Gewünschte lieferten (man hat es am Fall Hans-Georg Maaßen studieren können), was sich naturgemäß auf die präsentierten Resultate auswirke; in Diederich Haldenwang ist das Apportieren Person geworden.
Zum anderen wohne dem Auftrag des VS ein Kardinalwiderspruch inne: Eigentlich bestehe dessen Mission nicht darin, sich mit politischen Ansichten zu beschäftigen; vielmehr sei auch verfassungsfeindliches Denken durch das Grundgesetz gedeckt. Der VS habe sich ausschließlich mit Bestrebungen – und das heißt: Handlungen – zu befassen, die sich gegen das Grundgesetz richten, wobei als zusätzliches Kriterium noch ein Minimum an Erfolgswahrscheinlichkeit anzusetzen sei. Die Behörde soll also verfassungsfeindliche Handlungen vorausahnen und im Keim ersticken, ohne zugleich ungerechtfertigt bloße Ansichten zu verfolgen. Nun geht der Gedanke bekanntlich der Tat voraus, und in der Grauzone zwischen beiden müssen sich unsere braven Verfassungsschützer unter einem schier übermenschlichen Differenzierungsdruck bewegen. Kaum ein Schlapphut hält ihm auf Dauer stand – insbesondere wenn ein Innenminister den VS auf ein gesamtes politisches Milieu ansetzt und mit dem entlastenden Freibrief ausstattet, auch Äußerungen zu ächten (und demnächst bereits drohende Äußerungen), wie es Brodkorbs Genossin N. Faeser seit ihrem Amtsantritt mit wachsendem Elan tut.
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Der darf bekanntlich niemanden verhaften oder Gefährderansprachen z.B. an Schulen durchführen und Hausbesuche allenfalls elektronisch abstatten. Seine einzige Waffe war bislang der jährliche Bericht (die Innenministerin arbeitet an der Ausweitung der Befugnisse). Wen der VS für verfassungsfeindlich hält, darüber informiert er die Öffentlichkeit – und hier, so Brodkorb, „beginnt das Problem. Es berührt den Kern der repräsentativen Demokratie.“ Denn die Öffentlichkeit sei das Alpha und Omega der demokratischen Willensbildung. „Ohne Öffentlichkeit”, zitiert Brodkorb Carlo Schmid, „fehlt der besten sachlichen Arbeit die Weihe und die Legitimität demokratischer Geburt.“
Umgekehrt ist die soziale Exkommunikation ebenfalls ein öffentlicher Akt. „Erst die nachhaltige Beschädigung des öffentlichen Rufes führt zum Verlust des gewohnten menschlichen Umgangs.“ Gerade weil moderne Demokratien „Gesellschaften mit allumfassenden Öffentlichkeiten sind”, notiert der Autor, „kann die Informationsarbeit des Verfassungsschutzes schärfere Einschnitte in das Leben von Menschen hervorrufen als ordnungs- oder gar strafrechtliche Maßnahmen”, denen selten eine vergleichbare Resonanz zuteil wird.
Die berühmten prophetischen Worte von Tocqueville über die unblutige Waffe der sozialen Isolation in demokratisch verfassten Gesellschaften setze ich als bekannt voraus. Was der VS durch seinen Bericht – und neuerdings auch zunehmend durch Statements seines Präsidenten – vornehme, seien, so Brodkorb, „innerstaatliche Feinderklärungen”. Es handelt sich um einen modernen Pranger. Wer dort steht, kann allerdings durchaus zu den Gerechten gehören. In diesem Falle handelt es sich um nicht weniger als sozialen Rufmord. „Die durch die Maßnahmen des Verfassungsschutzes eintretenden Folgen sind keine Kollateralschäden, die sich zugunsten höherer Zwecke nicht vermeiden ließen. Sie sind durch und durch beabsichtigt.”
Wie der Verfassungsrechtler Professor Dietrich Murswiek feststelle, erwarteten die Verfassungsschutzbehörden „von allen Bürgern, dass sie sich an der Ausgrenzung der Verfassungsfeinde beteiligen“. Es geht bei den Bewertungen des VS also „nicht um ein intellektuelles Glasperlenspiel”, schreibt Brodkorb. „Die Begriffe sind jene Messer, mit deren Hilfe der Verfassungsschutz gedanklich in den Volkssouverän schneidet, um die vermeintlich Guten von den vermeintlich Bösen zu scheiden. Und präzise Begriffe” – bzw. eben unpräzise – „sind beim Verfassungsschutz keine lässliche Sünde, sondern der erste entscheidende Schritt auf dem Weg zum Rechtsbruch unter staatlicher Verantwortung.”
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Ich habe hier mehrfach ausgeführt, dass der „ethnische Volksbegriff” der Passepartout des VS im Kampf gegen „Rechts” ist. Ein (potentieller) Verfassungsfeind ist demnach, wer die Ansicht vertritt, es gebe neben dem deutschen Staatsvolk und als dessen bislang noch größte Teilmenge ein ethnisch-kulturelles deutsches Volk. So erklärte der VS in seinem Gutachten zur AfD anno 2018 zum Beispiel die Aussage des damaligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland: „Wir wollen Deutsche bleiben, damit sind wir Weltbürger genug” als zumindest im Ansatz verfassungsfeindlich, da sie „ein ethnisch-biologisch bzw. ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis” zum Ausdruck bringe, „das gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG verstößt”.
Es ist nicht allein grotesk, dass solche Argumente Verfassungsfeindlichkeit begründen sollen, sondern sie dürften selbst verfassungswidrig sein. Sie demonstrieren, wie sehr der angebliche Verfassungsschutzdienst zum Instrument einer politischen Tendenz herabgesunken ist. Spätestens seit diesem sogenannten Gutachten kann jeder wissen, dass sich Verfassungsschutztexte über die AfD auch für den geübtesten Blindverkoster nicht von einem Spiegel- oder Zeit-Kommentar unterscheiden lassen.
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Zurück zum Vorwurf des „ethnischen Volksbegriffs”, der in dreien der sechs Fallbeispiele die Hauptrolle spielt: Sowohl der Schwefelpartei als auch dem IfS als auch Professor Wagener wirft der VS vor … – ja was eigentlich? An die Existenz eines ethnisch-kulturellen deutschen Volkes als Bestandteil des deutschen Staatsvolkes beziehungsweise überhaupt zu glauben? Ich habe im letzten Eintrag bereits diesen Abschnitt aus Brodkorbs Opus eingerückt.
„Nun hat der Anwalt des IfS eine Broschüre des Bundesinnenministeriums gefunden. In dieser lobt dieses sich ausdrücklich dafür, mit einem millionenschweren Programm die „ethnokulturelle Identität“ von Auslandsdeutschen zu fördern. Auch auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums werden „Erhalt und Weiterentwicklung der ethnokulturellen Identität“ der Auslandsdeutschen als politische Ziele de Bundesregierung deklariert, das tut ausgerechnet jenes Ministerium, dem zugleich das Bundesamt ür Verfassungsschutz unterstellt ist. Wenn radikale Rechte also von einem ethnokulturellen Volksbegriff ausgehen und die „ethnokulturelle Identität“ Inlandsdeutscher erhalten wollen, ist das verfassungswidrig. Wenn die Bundesregierung ihrerseits von einem ethnokulturellen Volksbegriff ausgeht und die „ethnokulturelle Identität“ fördert, nicht.“
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Verfassungsfeindlich und menschenwürdewidrig, wenngleich nicht ganz klar ist, wessen Würde genau auf dem Spiel steht, dürfte auch diese Behauptung eines Regierungsbeauftragten sein.
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„Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten
Deutsche Minderheit in der Ukraine
Etwa 33.000 ethnische deutsche leben nach Angaben der ukrainischen Volkszählung von 2001 in der heutigen Ukraine. Ihre Siedlungsräume sind dabei wenig konzentriert, sondern über das ganze Land verteilt.“
Die oben erwähnten Russlanddeutschen waren nach Ansicht keineswegs nur der damaligen Bundesregierung ethnisch-kulturelle Deutsche. War der Kanzler der Einheit ein Verfassungsfeind, der „ein ethnisch-biologisch bzw. ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis” zum Ausdruck brachte, „das gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG verstößt”? Und nicht nur Helmut Kohl: „Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass der Begriff des deutschen Volkes in gewissem Umfang auch auf ethnischen Kategorien basiert. Würden ‚Ethnos’ und ‚Rasse’ dasselbe bedeuten, müssten ausgerechnet im Bundesverfassungsgericht mehrheitlich Extremisten sitzen.” Ethnos bedeutet aber nicht „Rasse”, sondern der Begriff bezeichnet eine Großgruppe von Personen, die durch Faktoren wie Abstammung, Kultur, Tradition und territoriale Bindung eine Einheit bilden, in der Regel auch in ihrem Selbstverständnis. Weltweit gibt es über 1000 Ethnien, und außer dem VS, den Grünen, den Feuilletons und Freiburgs Trainer Christian Streich scheint niemand ein Problem damit zu haben, dass auch… Aber es soll nicht sein, zum Höcke! „Im Kern läuft alles darauf hinaus, die Kategorie der Ethnizität für rein biologisch und insgesamt für illegitim zu erklären”, resümiert Brodkorb. Man müsse wohl alle ethnologischen Lehrstühle an Deutschlands Hochschulen fortan unter den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit stellen – oder am besten ganz abschaffen.
Im Grunde dürfte auch dem VS klar sein, dass er sich in den schwankenden Gefilden des Spaltungsirreseins bewegt, wie Brodkorb an folgendem Beispiel verdeutlicht: „Menschenwürdewidrig sei ein politisches Programm dann, wenn es ‚mit einem biologisch-rassistischen oder ethnisch-kulturellen Volksbegriff verbunden wird, der bestimmte Menschen qua Geburt und ihrer Natur nach aus dem Volk ausschließt‘. Dieses kurze Zitat ist aus ganz verschiedenen Gründen sehr bemerkenswert:
Erstens wird man am Schluss des Zitates das Wort ‚Volk‘ wohl als ‚Staatsvolk‘ lesen müssen. Anders ergibt der Satz keinen Sinn. Wenn man das aber tut, unterscheidet der Verfassungsschutz plötzlich selbst zwischen einem ethnisch definierten deutschen Volk und dem rechtlichen Staatsvolk. Verschiedene Autoren, teils auch Gerichte und Verfassungsschutzbehörden halten aber bereits dies für verfassungswidrig.
Zweitens unterscheidet der Verfassungsschutz hier definitorisch strikt zwischen zwei ethnischen Volksbegriffen: einem biologischen und einem kulturellen. Und beide sind erst dann verfassungswidrig, wenn auf sie sachlich ungerechtfertigte und damit letztlich willkürliche rechtliche Diskriminierungen gestützt werden. Das ist zwar völlig korrekt, widerspricht allerdings in der Sache zahlreichen Veröffentlichungen der Verfassungsschutzbehörden.“ Ein weiteres Mal seien „begriffliche Inkohärenzen offenkundig“.
Das betrifft nicht allein den Verfassungsschutz, sondern auch Teile der Justiz, beispielsweise das Verwaltungsgericht Köln, welches bei der Verhandlung AfD contra VS ausführte, das „Konzept” des „ethnischen Volksbegriffs” beruhe „auf völkisch-ethnischen Vorstellungen eines ethnisch vorhergehenden deutschen Volkes” (Hervorhebung von mir – M.K.) – es geht dem seit 1871 bestehenden deutschen Staatsvolk also ethnisch kein Volk vorher; weder Walter von der Vogelweide noch Luther, weder Goethe noch Heine noch Beethoven waren demzufolge Deutsche (Nietzsche wollte ja eh nicht) –, was „einen tatsächlichen Anhaltspunkt für gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen” darstelle. „Immer wieder”, notiert Brodkorb, „wirft das Gericht Vertretern der AfD vor, überhaupt von einem ‚ethnischen Volksbegriff’ auszugehen.”
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Eigentlich liegen die Dinge so einfach, dass ich beim besten Unwillen nicht glauben mag, dass der VS es nicht genau weiß: „Verfassungsfeindlich wäre ein ethnischer Volksbegriff dann und nur dann, wenn auf ihn rechtlich ungerechtfertigte Ausgrenzungen und Benachteiligungen gestützt würden” (Brodkorb, Seite 137). Nur darum müsste es also gehen. Der Rest taugt allenfalls zum Gegenstand intellektueller Debatten.
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Brodkorbs Buch ist eine Fundgrube von Argumenten gegen einen Inlandsgeheimdienst und ein kluges, ausgewogenes, oft lakonisches Plädoyer für die freiheitlich-demokratische Ordnung, die der VS eigentlich verteidigen sollte. Um der besagten Ausgewogenheit willen sei noch angemerkt, dass der Autor keineswegs sämtlichen Mitarbeitern der Behörde die Kompetenz abspricht und sich auch explizit nicht auf die Seite derer stellt, die er als „Fälle” aufführt.
Sollte es illusionsbedürftige Zeitgenossen geben, die tatsächlich glauben, dass der Verfassungsschutz die Verfassung schützt, werden sie es nach der Lektüre von Brodkorbs Buch wohl nicht mehr tun. Es sei denn, sie glauben auch daran, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet.
… Alles vom 21.3.2024 von Michael Klonovsky bitte lesen auf
https://www.klonovsky.de/2024/03/21-maerz-2024/
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(2) Dietrich Murswiek: „Der Verfassungsschutz ist keine Polizei“
Tichys Einblick: Das 13-Punkte-Programm, das Innenministerin Nancy Faeser kürzlich unter dem Titel „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen“ präsentierte, verschiebt das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern grundsätzlich: In Zukunft soll schon ein nicht näher beschriebenes „Gefährdungspotenzial“ dem Verfassungsschutz weitreichende Möglichkeiten geben, bis hin zur Auskundschaftung des Kontos und Druckausübung auf Kreditinstitute. Kann ein Gesetz eigentlich überhaupt mit derart vagen Begriffen wie „Gefährdungspotenzial“ und „neue Rechte“ operieren?
Dietrich Murswiek: Der 13-Punkte-Plan des Bundesinnenministeriums ist kein Gesetz, sondern erst einmal die Bekundung, etwas tun zu wollen. Soweit zur Umsetzung des Plans gesetzliche Vorschriften erforderlich sind, müssten diese viel präziser gefasst werden als die vagen Programmbegriffe. „Gefährdungspotenzial“ ist ein möglicher Rechtsbegriff. Ob er dem Bestimmtheitserfordernis genügt, hängt vom konkreten Verwendungszusammenhang ab. Für die Überwachung durch den Verfassungsschutz ist ein „Gefährdungspotenzial“ nicht Voraussetzung – beobachtet werden dürfen auch Organisationen ohne Gefährdungspotenzial.
Nach dem Papier des Innenministeriums soll hingegen das Vorhandensein eines Gefährdungspotenzials ausreichen, damit der Verfassungsschutz Auskünfte zum Beispiel bei Kreditinstituten „zu Konten, Konteninhabern […] und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungsein- und -ausgänge“ einholen darf. Dies ist bislang nur zulässig, wenn es um gewaltbereite oder Gewaltbereitschaft durch Aufstachelung zu Hass oder Willkürmaßnahmen fördernde Bestrebungen geht. Nach dem BMI-Plan soll das Einholen von Kontoinformationen auch bei völlig friedfertigen Organisationen möglich sein, wenn diese ein „Gefährdungspotenzial“ aufweisen.
Das scheint auf die AfD, insbesondere auf deren hohe Umfragewerte, abzuzielen. Alle Maßnahmen, die auf die Erschwerung der Finanzierung einer nicht verbotenen Partei abzielen, sind allerdings mit dem Parteienprivileg des Grundgesetzes unvereinbar.
… Komplettes Interview von Alexander Wendt mit Dietrich Murswiek vom 31.3.2024 bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/interviews/dietrich-murswick-verfassungsschutz/