Friedensbewegung 2.0 neu

Die niedrigen Teilnehmerzahlen bei den Ostermärschen haben es wieder gezeigt: Die Friedensbewegung schwächelt. Denn sie schließt nicht-linke Friedensbewegte aus und beschränkt sich auf Kriege wie in der Ukraine und Nahost, also auf den äußeren Frieden. Wir brauchen eine erstarkte Friedensbewegung 2.0, die alle Friedensbewegte in Deutschland einbindet und sich für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung des inneren Friedens einsetzt. Denn Frieden ist weder links noch rechts. Frieden ist weder außen noch innen. Sondern Frieden ist Frieden.
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Wir brauchen Friedensrhetorik statt Kriegsrhetorik
Kriegsrhetorik beherrscht die veröffentlichte Meinung, seit die Grünen sich von „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ verabschiedet und die Altparteien mitgerissen haben. Jede von den Parolen  „Russland ruinieren“ (Baerbock) und „Krieg nach Russland tragen“ (Kiesewetter, CDU) abweichende Meinung bzw. Friedensrhetorik gilt als rechts bzw. rechtsextrem. Dies führt dazu, daß sogar linke BSW-Anhänger , die sich in einer Querfront-Situation (in der sich der rechte und linke politische Rand berühren) mit der AfD für einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen im Ukrainekrieg einsetzen, als Nazis diffamiert werden.
Die Friedensbewegung muß sich neu formieren und dieser Kriegsrhetorik, diesem um sich greifenden Bellizismus (Stichwort von Pistorius: Kriegsbereitschaft) entgegenstellen.
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Friedensbewegung muß für Linke wie Rechte offen sein
Es gibt keinen linken Frieden und keinen rechten Frieden.
Frieden ist weder links noch rechts.
Beispiel Freiburg: Zu einem Ostermarsch kommen am 28.3.2024 ca 200 friedensbewegte Menschen zusammen, um für die Beendigung der Kriege in der Ukraine und in Israel zu demonstrieren. Gut so. Keine Parteifahnen, kein politisch rechts-links. Doch plötzlich verkündet eine Rednerin über den Lautsprecher: „Wir wollen nicht, dass sie teilnehmen“. Wer mit „sie“ gemeint ist, wird präzisiert: „die sich im Dunstkreis der AfD bewegen“ (1). Viele Teilnehmer fragten sich überrascht: Weil wir nicht friedensbewegt sein dürfen? Nicht friedensfähig sind? Weil Friedensarbeit das Privileg der linken Guten ist, die wissen, wo und wer das Böse ist?

Einen solchen Ausschlussprozess bezeichnet Ulrike Guérot in ihrem Buch „Der Ausverkauf der Republik“ als faschistisch – in diesem Falle als linksfaschistisch:
„Es gibt eine Bündelung und die, die nicht mitmachen wollen, die sind draußen“: Man bündelt sich um eine Idee, hier um das moralische Argument des Friedens im Donbass und in Gaza. Das ist OK. Denn erst der darauf folgende Ausschlussprozeß macht diese Bündelung zum Faschismus, bei dem die Ausgeschlossenen zu Feinden (nicht Gegnern) erklärt werden und die dann als „die sind draußen“ ganz brutal irgendwo landen: In der Isolation (sozial und/oder existenziell), im Parteiverbot, mit Rufmord belegt in der Kontaktschuld, per Cancel Culture im Redeverbot oder mundtot gemacht per Social Media-Zensur in der „schweigenden Mehrheit“) usw.
Warum dieses fast kindische Ausschlußverhalten „Aber du darfst nicht mit ihm spielen, das ist mein Freund“ – wobei der Freund (des Kindes) die Friedensarbeit (der Erwachsenen) entspricht? Der Grund liegt in der althergebracht einseitigen Ausrichtung der Friedensbewegung.
Ab den 68ern war die Friedensbewegung eher links orientiert, da sie mit ihren Aktionen (Demos, Menschenkette von Stuttgart bis Ulm, Mutlangen mit Erhard Eppler) gegen den Vietnamkrieg und den vom rechten Mainstream forcierten Nato-Doppelbeschluß kämpfte.
Heute wäre eine – wünschenswerte und unbedingt erforderliche – Aktion zur Beendigung des Ukrainekriegs eher rechts, da sie sich gegen eine Kriegsrhetorik richtet, die sowohl von der linken Ampel-Regierung wie auch der nach links gerückten CDU/CSU vertreten wird. Aber die Rechts-links-Unterteilung klappt nicht mehr. Denn die Parteien AfD wie BSW und Linke plädieren für eine Friedensrhetorik und Stärkung der Diplomatie. Dazu muß sich eine parteiunabhängige und alle politische Strömungen umfassende  Friedensbewegung 2.0 bilden und aktiv werden.
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Linke und Lifestyle-Linke in der Friedensbewegung
Wenn der deutschen Friedensbewegung ihre linken Wurzeln so wichtig sind, dann  müsste sie – im Zuge der Proteste gegen den Ukrainekrieg – in ihrem Unmut auch das komplette Auslöschen der Linken (Parteien, Kulturbetrieb) in der Ukraine anprangern (2). Aber dazu wird leider geschwiegen. Ist die Linke hierzulande zur neoliberalen Linken (Maxim Goldarb in (2)) bzw. Lifestyle-Linken (Sahra Wagenknecht) mutiert?
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Mainstream-Medien mögen die Friedensbewegung nicht
Daß die deutschen Leitmedien der Friedensbewegung nicht gerade wohlgesonnen sind, zeigt die alljährliche Berichterstattung zu den Friedenscamps bzw. Friedenswochen am Stützpunkt der US-Army bei Ramstein in der Oberpfalz. Da wird sogar der über 80-jährige Eugen Drewermann, der Spiritus Rector der Friedensbewegung bzw. des Pazifismus, in seiner traditionellen Friedensrede „gegen den Krieg“ als „Putin-Versteher“ sowie „Lumpen-Pazifist“ tituliert – zuletzt im Juni 2022 und 2023. Und wenn in diesem Jahr zusätzlich auch nicht-linke Friedensbewegte in Ramstein auf das Ende des Ukrainekriegs drängen werden, dann ist zu befürchten, dass zusätzlich noch die mediale Nazi-Keule geschwungen wird.

Die französische Zeitung „Le monde diplomatique“ schreibt in einer Artikelserie den deutschen Mainsteam-Medien (Konzernmedien wie ÖRR) eine einseitige, parteiische und unausgewogene Berichterstattung zu (3). Einseitig heißt, dass die Kriegsrhetorik der Ampel-Regierung mitsamt CDU/CSU im Sinne eines Staatsfunks übernommen wird. Der Aufgabe der Medien als Vierte Gewalt (Neutralität, Recherche, Kritik, Kontrolle von Exekutive, Legislative und Juresdiktion) wird demnach kaum wahrgenommen.
Für die Friedensbewegung bedeutet dies, daß sie mehr denn je auf die alternativen Medien wie Nachdenkseiten.de, Telepolis.de, Multipolar.de, Tichseinblick.de usw. angewiesen ist.
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Die Friedensbewegung muß sich neben dem äußeren Frieden
mehr dem inneren Frieden zuwenden

Angesichts der Vielzahl von Kriegen (Ukraine, Israel/Gaza, Jemen, Sudan, …) war der Zulauf der Ostermärsche in diesem Jahr eher erbärmlich gering. Warum? Sind die Menschen abgestumpft? Nein, denn auch in 2023 hatten die Ostermärsche nicht mehr Zuspruch. Der Grund liegt darin, daß die Bürger immer größere Sorgen und Probleme im eigenen Land plagen: Die Verarmung von Verbrauchern bzw. Mittelstand und die zunehmende Gesinnungsgewalt: Gewalt gegen abweichende Meinungen, gegen Andersdenkende, gegen Kritiker , gegen die Opposition sowie gegen eine vehement rechts, links bzw. religiös motivierte Gesinnung.
Der Innere Frieden ist gefährdet. Für viele Bürger verdecken die nationalen Probleme die internationale Sicht. Immer häufiger taucht der Begriff des Bürgerkriegs auf – als Drohung, als Ahnung. Diesem inländischen Unfrieden muß sich die Friedensbewegung endlich zuwenden: Weg vom hohen Ross der Weltrettung bzw. vom allgemeinen „Friede statt Krieg“-Appell, hinab zum konkreteren Tafeln statt Panzer“-Slogan, auch wenn dieser hölzern klingen sollte.
Und vor allem hin zum katastrophalen Problembefund „80 % trauen sich nicht, ihre Meinung frei und offen zu sagen“. Nicht irgendwo in einem nicht-demokratischen Land, sondern hier in der Bundesrepublik. Wir haben die beiden schlimmen Diktaturen 3. Reich und DDR gerade hinter uns. Und schon schleichen sich die grausamen Instrumente des Totalitarismus wieder ein – wie Kontaktschuld, Überwachung, Meldestellen, V-Leute, Spitzelsystem, Denunziation, Gesinnungsprüfung, Anonym-Anzeige-Portale, Verpetzer-Mails, Delegitimierung und Hinweisgebung. Haben wir nichts aus der jüngsten deutschen Geschichte gelernt? Davor muß die Friedensbewegung warnen.

Es ist bequem, sich für den äußeren Frieden einzusetzen und gegen irgend einen weit weg stattfindenden Krieg zu demonstrieren. Demgegenüber gehört schon mehr als nur Gratismut dazu, als Friedensbewegung vorort in einem sog. Problemviertel auf die Strasse zu gehen, um für Erhalt bzw. die Rückerlangung der inneren Sicherheit und des inneren Friedens zu demonstrieren.

Wie dem auch sei: für die Friedensbewegung gibt es viel zu tun. Die Sehnsucht nach Frieden ist grenzenlos und wird nie versiegen.
Es gibt keinen rechten Frieden und keinen linken Frieden.
Es gibt nur Frieden.
Eine linke Friedensbewegung macht keinen Sinn. Genauso wenig wie eine rechte Friedensbewegung.
Im Kampf um den Frieden müssen alle zusammenfinden – in einer neuen gemeinsamen Friedensbewegung 2.0.
5.4.2024
Dieser Beitrag ist auch erschieen auf
https://ansage.org/was-wir-brauchen-eine-friedensbewegung-2-0/
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Ende von Beitrag „Friedensbewegung 2.0 neu“
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Beginn von Anlagen (1) – (3)

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(1) Auf dem Freiburger Ostermarsch kommen umstrittene Aktivisten zu Wort – Organisatoren grenzen sich von AfD ab
… Auf dem Ostermarsch hatte sich auch schon Elke Hügel von Attac positioniert: Man distanziere sich klar von den „Freien Friedensaktivisten Freiburg, die sich im Dunstkreis der AfD“ bewegten. Deren Anschauungen seien nicht mit den Zielen der Friedensbewegung vereinbar. „Wir wollen nicht, dass sie teilnehmen.“
… Alles vom 29.3.2024 von Alexandra Röderer bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/auf-dem-freiburger-ostermarsch-kommen-umstrittene-aktivisten-zu-wort-organisatoren-grenzen-sich-von
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(2) Stimmen aus der Ukraine: Die Zukunft der Linken
Vor zehn Jahren kam in der Ukraine durch einen Staatsstreich ein rechtes oligarchisches Regime mit einer nationalistischen Ideologie an die Macht, das sich vollständig dem US-Imperialismus unterordnete. Unter der Herrschaft von Wolodymyr Selenskyj ist dieses Regime endgültig totalitär geworden. Die Opposition wurde zerschlagen, alle linken Parteien, einschließlich der unseren, wurden verboten. Tausende von Menschen landeten wegen ihrer politischen Überzeugungen im Gefängnis und einige wurden sogar gezielt getötet. Unter dem Lärm des Krieges haben sich die Oligarchen und ihre Stellvertreter in aller Konsequenz daran gemacht, jede Gefahr eines Verlustes ihrer unersättlichen Macht und ihres Reichtums, den sie aus der Ukraine geraubt haben, zu verhindern: Durch den Versuch, alle verbliebenen linken Kräfte in der Ukraine auszumerzen. Von Maxim Goldarb.
Es ist kaum zu glauben, aber was in den letzten Jahren in der Ukraine beim Umgang mit der linken Opposition passiert ist, ähnelt sehr dem, was in Spanien während des Franco-Regimes geschah. Dazu gesellen sich der Zusammenbruch der Wirtschaft, die Verarmung der Mehrheit der Arbeiter und der Krieg, den die Behörden im Interesse des Weltimperialismus führen.
Nun bewegt sich auch die derzeitig neoliberal ausgerichtete Europäische Union, die sich der weltweiten Finanz- und Politikelite unterordnet, immer schneller auf einen großen Krieg zu, der sich zu einem dritten Weltkrieg auswachsen könnte.

Für uns, die ukrainischen Linken, ist auch die Haltung der deutschen Sozialdemokraten und ihrer Schwesternparteien aus anderen europäischen Ländern zu den ukrainischen Ereignissen sehr aufschlussreich. Wie können Politiker, die sich selbst als Linke bezeichnen, die Fortsetzung des Krieges befürworten und sich an der beispiellosen Militarisierung Europas und der Ukraine seit vielen Jahrzehnten beteiligen? Wie können Politiker, die sich selbst als Linke bezeichnen, das radikal-nationalistische Regime in der Ukraine unterstützen, das alle linken Parteien verboten hat, das die Verwendung der roten Fahne und das Singen der Internationale unter Strafe stellt, das Straßen nach Nazi-Kollaborateuren wie Stepan Bandera, Roman Shukhevych und der SS-Division „Galizien“ benennt und diese als offizielle Staatshelden hofiert?
… Alles vom 2.4.2024 von Maxim Goldarb bitte lesen auf
https://www.nachdenkseiten.de/?p=113280
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(3) Französische Zeitung kritisiert deutsche Medien: Für «Le Monde diplomatique» ist klar, Deutschlands Journalisten haben ihren kritischen Kurs weitgehend aufgegeben
Deutschlands Presse, die einst für ihre Meinungsvielfalt und hinterfragende Berichterstattung bekannt gewesen sei, habe im Laufe der Jahrzehnte ihre Rolle als kritische Instanz gegenüber den Machtstrukturen aufgegeben. «Die veröffentlichte Meinung und die öffentliche Meinung klaffen immer weiter auseinander», schreibt Autor Fabian Scheidler. Dieser Wandel habe zu einem Verlust an Akzeptanz beim Publikum geführt, so sein Befund.
Bei Themen wie dem Ukraine-Krieg seien die deutschen Mainstream-Medien darum bemüht, ein einseitiges Narrativ zu konstruieren. Obwohl Umfragen zeigen würden, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung gegen die Lieferungen schwerer Waffen sei, stellten Medien ein gegenteiliges Bild dar. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Die Grünen) seien mit Abstand am häufigsten zu diesem Thema befragt worden.
Auch in der Corona-Pandemie zogen die Medien klare Linien zwischen «Gut» und «Böse» – mit diskriminierenden Begriffen. Le Monde diplomatique schreibt, Forscher seien lediglich in 1,6 Prozent der Beiträge den staatlichen Corona-Massnahmen kritisch gegenüberstanden.
Le Monde diplomatique kommt zum Schluss, dass die deutsche Presse ihre Rolle als kritische Instanz und Spiegel der Lebensrealität der Bevölkerung weitgehend aufgegeben hat. Chefredakteure würden heute versuchen, die Kritik an Konformität oder journalistischen Fehlern als Verschwörungstheorie zu disqualifizieren.
… Ales vom 3.4.2024 bitte lesen auf
https://weltwoche.de/daily/franzoesische-zeitung-kritisiert-deutsche-medien-fuer-le-monde-diplomatique-ist-klar-deutschlands-journalisten-haben-ihren-kritischen-kurs-weitgehend-aufgegeben/
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(3a) Espoirs et misère de la critique des médias en Allemagne
En Allemagne, comme dans de nombreux États occidentaux, le discrédit des institutions frappe la presse de plein fouet. Ce pays fut pourtant le berceau d’une florissante critique des médias. Désormais, les dirigeants éditoriaux tentent de disqualifier la contestation du conformisme ou des errements journalistiques en l’associant au complotisme.
Wie in vielen anderen westlichen Länder trifft in Deutschland die Instititionenkritik die Presse mit voller Wucht. Obwohl dieses Land einst als die Wiege einer hinterfragenden Medienlandschaft galt. Nun aber versuchen die Chefredakteure seit langem, die Vorwürfe des Konformismus oder journalistischen Fehler als verschwörungstheorie zu disqualiizieren.

Une analyse de contenus portant sur la couverture de la guerre en Ukraine a par exemple établi une surreprésentation des personnalités favorables aux livraisons d’armes lourdes et opposées aux initiatives diplomatiques : Mme Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Parti libéral-démocrate, FDP) a été de loin la plus interrogée sur le sujet, suivie par M. Anton Hofreiter (Die Grünen [Les Verts]), qui défend les mêmes positions. Des sondages réalisés au cours de la même période suggéraient (…)
… Alles vom 30.3.2024 bitte lesen auf
https://www.monde-diplomatique.fr/2024/03/SCHEIDLER/66637

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