Kinderkrippen Frankreich Protest

Seit Jahren wird uns die französische Familienpolitik mit dem angeblich frauengerechten Ideal aus Kinderbetreuung (Krippe ab 10 Wochen, Ecole Maternelle 3-5 Jahre kostenlos) und Berufstätigkeit (spätestens 3 Monate nach Geburt) als Vorbild präsentiert. Schließlich liegt in F die Geburtenrate bei 2.1 Kindern pro Frau, in D nur bei 1.4. Gleichwohl wenden sich immer mehr Französinnen von dieser Familienpolitik ab, da der persönliche Preis einer Entfremdung von Mutter und Kind zu hoch sei. „Auf diese Weise entsteht eine Gesellschaft, in der Erwachsene ungestört ihrer Arbeit und sogar ihren Hobbys nachgehen können, aber keine wirkliche Beziehung zu ihren Kindern aufbauen. Denn eine Beziehung braucht Zeit und auch Raum. Und genau das fehlt in Frankreich“, so der seit 24 Jahren in Lyon praktizierende Kinderarzt und Psychotherapeut Adrian Serban, im Juli 2013 Mitbegründer der „Association pour l’Attachement et l’Autonomie“ bzw. „Verein für Bindung und Selbständigkeit“.

Ab der 10. Lebenswoche und spätestens im Alter von 3 Monaten geben Französinnen ihr Kind in die Krippe. Doch die in Deutschland so hoch gepriesene frühe staatliche Betreuung (Krippe, dann Ecole Maternelle) führt in Frankreich dazu, dass sich Frauen von ihren Kindern zunehmend entfremdet fühlen.

Viele Mütter würden länger bei ihren Kindern zuhause bleiben, sie bringen ihren Nachwuchs jedoch aus drei Gründen nach spätestens drei Monaten in die Krippe:
1. Auch in Frankreich mangelt es an Betreuungsplätzen, Präs. Hollande will 300000 neue Plätze bis 2016 einrichten
2. Le regard des autres, also der „Strenge Blick der anderen“ propagiert ein Bild der modernen, emanzipierten Französin, die schon kurz nach der Geburt eines Kindes (immer) berufstätig ist, großenteils sogar in Vollzeit.
3. Gefahr des Verlustes eines Krippenplatzes, wenn das Vierteljahr ab Geburt verstrichen ist.

Die meisten Mütter, die ihren Kindern die Brust geben und nach drei Monaten die Arbeit wieder aufnehmen, stillen vorher ab (in F bekommen weniger als 10% der 6 Monate alten Kinder die Brust, in D sind es 40%).

In Frankreich gibt es überhaupt keine Mutter-Kind-Kliniken. In einer Unicef-Studie, die Kinder zu ihrer Beziehung zu den Eltern befragt, steht Frankreich auf dem 30. und damit letzten Platz. Frankreich ist in der EU Spitzenreiter am Verbrauch von Antidepressive für Kinder.

Ecole Maternelle, die einer Vorschule gleicht. Die Ärztin Marie Levasseur: Hier geht es weniger um die Entfaltung der Persönlichkeit eines Kindes, sondern darum, ihm beizubringen, ein Schüler zu werden. Langes Stillsitzen wird systematisch eingeübt. Es gibt Noten zwischen 1 und 5. Freies Spiel oder gar Eigensinn stehen nicht im pädagogischen Konzept. Unsauber gemalte Bilder werden vor den Augan der anderen Kinder zerrissen.

Die Tradition der Ammen reicht bis weit ins 20. Jahrhundert hinein: Wohlhabende geben ihr KInd kurz nach der Geburt aufs Land zu einer Amme. Eltern besuchen das Kind kaum und holen es erst nach 2-3 Jahren zu sich. EIn Grnd: Die Mutter sollte möglichst rasch wieder schwanger werden, und da stört das empfängnisverzögernde Stillen.

Familien mit mehr als 3 Kindern zahlen in F kaum Steuern. Kindergeld gibt es erst ab dem 2. Kind. Die Frauen „bekomen so viele Kinder, gerade weil sie sich nicht um die Kinder kümmern müssen!“, so Adrian Serban.

Die „Fondation pour l’Enfance“ (der franz. Kinderschutzbund) beklagt: Nach wie vor wird jungen französischen Eltern vermittelt, dass eine frühe Trennung aus ihren Kindern später selbständige Erwachsene mache und dass der zeitige Eintritt in die sogenannte Collectivité (also Krippe + Kindergarten Ecole Maternelle) wichtig sei für ihre Entwicklung zu sozialen Wesen.

Frankreich hat vor 20 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, aber in F gibt es immer noch kein Gesetz, das Eltern das Schlage ihrer Kinder verbietet. „Über 80% Der französischen Eltern benutzen Ohrfeige (claque) oder Schläge auf den Popo (une fessés) regelmäßig , um ihre Kinder zur Raison zu bringen“ (Ärztin Marie Levasseur in einer Untersuchung).

Seit Frühjahr 2013 formiert sich in Frankreich eine Bewegung der Töchter der „Superffrauen“, die unter Emanzipation nicht mehr nur Vollzeitberufstätigkeit und frühes Ablösen von ihren Kindern versteht, sondern eine längere und intensive Bindung zum eigenen Kind befürworten.
6.9.2013

Association pour l’Attachement et l’Autonomie
www.troisa.org
https://leblogdetroisa.blogspot.de/
  
Elternzeitschrift „Grandir autrement“ fordert mehr Bindung und Nähe zwischen Mutter und Kind:
www.grandirautrement.com 
  
Liebe auf Distanz, Die frühe staatliche Betreuung in Frankreich hat ihren Preis – Frauen fühlen sich zunehmend entfremdet von ihren Kindern.
Margarete Moulin, www.zeit.de , Nr.37, 5.9.2013, S. 65-66

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