Facebook und Kreativitaet

Wir sind immer fast immer online – zuhause am PC oder unterwegs per Smartphone. Über Social Media bzw. Facebook sind wir in der eigenen Community permanent erreichbar. Man gefällt, wird geliked und gefollowed. Diese Sozialisierung via Internet zeigt Wirkung – für das individuelle Denken wie für die Demokratie insgesamt.

(1) Gefiltertes und personalisiertes Internet
Beispiel: Alljährlich schwimmen Lachse in Kanada flußaufwärts zu ihren Laichplätzen – ein gefundenes Fressen für den Braunbär, der im seichten Wasser nur mit seiner kräftigen Pranke kurz zuschlagen muß. Nimmt die Zahl der Fische aber zu, dann wird es ihm vor lauter zappelnder Fische fast unmöglich, auch nur einen einzelnen Fisch gezielt zu erwischen. Beeindruckend die Bilder, in denen der Bär vor der Vielzahl leckerer Fischleiber flüchtet.
Im Internet werden immer größere Datenmengen abgelegt – Big Data oder Data 2.0 genannt. Der einzelne User kann diese Flut immer weniger bewältigen, er droht im digitalen Datenmeer zu ertrinken. Was tun? Collaborative Filtering und Personal Internet versprechen einen Ausweg: Der User findet nur Informationen, die für seine individuellen Bedürfnisse gefiltert wurden. Einerseits sieht er also nur solche Websites, die ihn interessieren (sollen). Andererseits werden die Websites je nach User mit unterschiedlichem Content gefüllt. Das so gefilterte und personalisierte Internet mag vorteilhaft sein fürs schnelle gezielte Suchen wie auch für Werbung und Marketing. Der große Nachteil jedoch: Informationen, die nicht durch den Filter gelangen, können erst gar nicht wahrgenommen werden. Das Wahrnehmungsspektrum des Users wird eingeschränkt, sein Blick eingeengt. Früher wurde das Internet genutzt als offenes Tor zur weiten Welt, in dem es viel zu entdecken gilt. Im intelligent gefilterten Internet hingegen gibt es wenig zu entdecken, da dem User in einem Spiegel primär Infos zu seinen Interessen, Vorlieben, Einstellungen und Bedürfnissen vorgehalten werden.  

(2) Kreativität bleibt auf der Strecke
Kreativität kann sich nur entwickeln, wenn Zufall und Irritation das eigene Denken in eine ungewohnte, innovative Richtung leiten. Im personalisierten Internet ist kein Platz mehr für Kreativität, da divergentes Denken, Versuch und Irrtum, Zufälle, Irritationen, Verirrungen und scheinbar planloses Herumgesuche ja ausgeschaltet sind. Der User kann aus fremden und fremdartigen Ideen keine neuartigen Ideen mehr entwickeln, da er diese Fremdheit gar nicht mehr erfährt. Denken findet ja „nur“ in den „optimal“ vorgefilterten Bahnen statt, versteinert und eingeengt. Keine guten Aussichten für die Zukunft des menschlichen Denkens – schließlich wird Kindern so immer früher jegliches kreative Tun verwehrt.

(3) Facebook als Kreativitätskiller
Der moderne User bewegt sich zunehmend in Social Media, also unter seinesgleichen. In Facebook begegnet er seinen Freunden, die alle ähnliche Interessen haben. Seine Community ist ein abgeschotteter Teil der Welt, nach rigiden Homogenitätskriterien gebildet – alle haben gleiche Vorlieben, Abneigungen und Interessen. In der aseptischen Facebook-Welt mögen sich alle, wer anders und gar feindlich denkt gehört nicht zur Community. Für immer mehr junge Menschen werden Internet und Facebook zu einem Synonym, in dem sich divergentes Denken und Kreativität kaum entwickeln können.

(4) Demokratie 2.0 – keine Kompromisse mehr?
Demokratie lebt von anstrengenden Auseinandersetzungen, Streit(-kultur), hitzigen Debatten und vom mühsamem Aushandeln von Kompromissen unter Einbeziehung unterschiedlicher Interessen. Die eigenen Überzeugungen müssen sich immer wieder an fremden Ideen, Vorschlägen und feindlichen Meinungen reiben, um sich zu bewähren oder aber zu scheitern. Jeder Kompromiss beinhaltet, die eigene Meinung zumindest teilweise revidieren zu müssen. Genau dies widerspöricht der schönen „gefällt mir“-Scheinwelt von Facebook. Die Sozialisierung durch Social Media macht die User zwangsläufig intoleranter, engstirniger, ich-bezogener und kompromißloser. Frage: Demokratie lebt vom Kompromiss. In der extrem personalisierten Welt des Internet wird es aber schwieriger, Kompromisse auszuhandeln. Werden in Zukunft die Konflikte deswegen härter geführt werden? Konflikte überall: Zwischen Individuen, zwischen Communities, zwischen realer und virtueller Welt, zwischen Economies?
7.3.2013, Ekke

 

Facebook raubt uns die Zeit
Bei Facebook verliert man viel Zeit, weil dieses soziale Netzwerk die Kategorie Zeit gar nicht kennt bzw. nur einseitig: Auf der einen Seite antwortet Facebook blitzschnell, computergemäß im Mikrosekundenbereich und ohne Zeitverlust. Auf der anderen Seite kommen wir mit  unserem menschlich gemächlichen Lesen kaum nach, die Zeit verrinnt. Ärgerlich, zumal die meisten News gar nicht von wirklichen Freunden kommen, sondern von automatisch erzeugten virtuellen Spinnweben – früher Karteileichen genannt. Da wird die Zeit so knapp, dass sogar eine SMS nur in ganz klein gehackten Sprachfetzen abgesetzt werden kann.
Wieviel Zeit verplempern wir nicht beim Posten und Liken? Das Handy ist permanent scharf gestellt, um ja nichts zu verpassen. Denn die Freundschaftsanfragen werden so schnell beantwortet, selbst wenn man überhaupt keine gestellt hat.  
Es ist ein Geschenk, wenn man erleben darf, wie langsam die Zeit vergeht – dies hat mir mal ein Angler am Schluch-see gesagt.  Facebook raubt uns die Zeit, dieses Geschenk zu erleben, und macht uns noch süchtig danach, immer weniger „freie“ Zeit zu haben.

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