El Hierro – regenerative Vollversorgung im Inselnetz. Wer nach dem deutschen Atomausstieg 2.0 das Aus für das Pumpspeicherkraftwerk PSW Atdorf nahen sieht oder das Gemaule der PSW-Betreiber in der Schweizer Presse verfolgt, ahnt, dass es zwischen PSW-Technologie und der Atomkraft Synergien geben muss. Die Trägheit der AKW und die auf wenige Stunden begrenzte Kapazität der PSW machen die beiden zum Traumpaar, um tagesperiodische Nachfrageschwankungen und unflexible Atomstromproduktion auszuregeln. Doch es gibt auch Situationen, in denen Pumpspeicher tatsächlich in ein Konzept der regenerativen Vollversorgung integriert werden, z.B. auf einer kleinen Kanareninsel. Noch pendelt ein Tanker zwischen Teneriffa und El Hierro. Er bringt wöchentlich 6000 Tonnen Diesel. Sie werden zur Verstromung verbrannt, im 11,5 MW Ölkraftwerk, das jährlich 18.700 t CO2 ausschnauft. „Die Diesel-Touren soll en demnächst überflüssig werden“, jubiliert die Autorin im Vorfeld der Reise. „Wie denn? Mit Solar?“ so die spontane Gegenfrage aus dem Tal der Ahnungslosen – an einem beispielhaft dunklen Abend. Als Hauptenergiequelle soll der Passat dienen, der fast pausenlos auf den Kanaren weht. Mit 1500 km Abstand zum spanischen Festland und 500 km zur afrikanischen Küste und stellen die fünf Enercon-Turbinen (5 x 2,3 MW ) quasi einen offshore-Windpark mit trockenen Füßen dar. Es wird mit 4000 Vollaststunden kalkuliert – ein Wert, den offshore-Anlagen in Nord und Ostsee fast erreichen und der locker den Nutzungsgrad hiesiger Steinkohlekraftwerke toppt.
(1) Windpark auf El Hierro (2) PSW-See (3) Rohre
(1) Öltanker links groß zum Vergleich – Bilder: Eva Stegen
(3) 3 km langes Rohrsystem, zu 1/6 unterirdisch aus Naturschutzgründen
Nun gibt es kein Seekabel, das Schwankungen im Mikro-Smart-Grid der Insel ausbügeln könnte. Also hat hier das Pumpspeicherkraftwerk seinen großen Auftritt. Mit überschüssigem Windstrom wird Wasser ins Oberbecken gepumpt und bei Bedarf mit dem systemimmanenten Fünftel Verlust über die vier 2.8 MW-Turbinen auf dem Weg ins Unterbecken verstromt. Das Oberbecken fasst 380.000 m3 Wasser, ein 24-tel des Atdorfer Planspiels. Gigantische Erd- und Baustofftransporte konnten vermieden werden, da ein alter Vulkankrater, die Caldera, die Beckenstruktur vorgibt. Der vulkanische Picón-Boden sorgt naturgemäß für eine gewisse Inkontinenz der Insel – sie kann das Wasser nicht halten. Das bisschen Regen, was hier anfällt (El Hierro: 181 mm/a; Freiburg: 908 mm/a) läuft grad so durch. Daher gibt es keine Flüsse, kein Laufwasserkraftwerk und auch die Caldera wurde mit einer wasserdichten, reparaturfähigen Schicht ausgekleidet. Sie dient nämlich nicht nur als Energie-, sondern auch als Süßwasser-Speicher, was ihre größere Dimensionierung gegenüber dem Unterbecken erklärt. Jeder Tropfen Wasser, der nicht freiwillig in die Becken regnet, muss zuvor durch die Insel-eigene Meerwasser-Entsalzungsanlage – dem größten Stromabnehmer von El Hierro. Ohne Trinkwasser wäre die Insel unbewohnbar. Landwirtschaft wäre trotz des herrlichen Klimas undenkbar. Da der Wasserhaushalt der Insel nicht minutengenau reguliert werden muss, fällt der Wasseranlage als dritte Funktion noch ein Stück demand-side management zur Netzstabilisierung zu.
Das Windwasserkraftwerk soll den Stromverbrauch decken, der für 2050 prognostiziert wurde: 47 GWh. Die Praxis wird zeigen, ob das Dieselkraftwerk mit dieser Kombitechnik zu maximalem Schattendasein verdonnert wird, oder ob man nutzen möchte, was schon in Deutschland verblüffend gut funktioniert: Das Fraunhoferinstitut ise demonstriert anhand wöchentlich aktualisierter Zahlen eine geradezu ideale Ergänzung von Sonnen- und Windenergie. Doch noch erstrecken sich auf den Häusern der 11.000 Inselbewohner Dachbrachen soweit das Auge reicht. Auch Stromsparpotenziale schlummern dort: Elektroboiler allenthalben. Im – aus kanarischer Sicht –mit 1740 Sonnenstunden pro Jahr unterbelichtetem Freiburg ist das lokale Handwerk einfach schon routinierter in Sachen Solarthermie unterwegs, während auf den Inseln des ewigen Frühlings mit 3500 Sonnenstunden jährlich, noch echte solare Berührungsängste überwunden werden müssen.
Dr. Eva Stegen, www.solarregion.net , EWS Schönau