Weihnachtsvorlesung: Prof Sinn

Hans-Werner Sinn, vormals Präsident des Ifo Instituts, hat seiner Weihnachtsvorlesiung am 12.12.2022 in der LMU München den Titel „Schwarze Schwäne – Krieg, Inflation und ein energiepolitischer Scherbenhaufen“ gegeben. „Schwarze Schwäne“ sind undenkbare Ereignisse. Dazu das Ifo Institut in seiner Einladung: „Unter diese Definition fällt die aktuelle galoppierende Inflation, aber auch die veritable Energiekrise, die eine grundlegende Revision des Modells der grünen Transformation der Wirtschaft verlangt.“

Einige Zitate aus seiner Vorlesung:
Die Aufnahme der 200 Mrd Euro Sonderschulden (rund 5 % des Bruttoinlandsprodukts) zur Subventionierung der Gaseinkäufe, also Sondervermögen deklariert, seien rechtlich grenzwertig und „ökonomisch eindeutig inflationär“, denn es ist eine „große Trickserei“, Schulden als „Vermögen“ auszuweisen.
„Das Problem hat man jetzt elegant gelöst, denn es ist ja ein Notstand, und in einem Notstand darf man das so beschließen“: Das tatsächliche Defizit für 2023 beläuft sich (laut Stabilitätsrat) auf 3,75 %, das ist zehnmal so viel wie die die laut Grundgesetz zugelassene Schuldengrenze des Grundgesetzes von 0,35 %. “
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Hans-Werner Sinn macht auf folgende weitere „Sondervermögen“ aufmerksam:
„Finanzmarktstabilisierungsfonds, seit 2008, 480 Mrd. Euro
Investitions- und Tilgungsfonds, seit 2009, 20 Mrd. Euro
Wirtschaftsstabilisierungsfonds, seit 2020, 600 Mrd. Euro
Sondervermögen Bundeswehr, seit 2022, 100 Mrd. Euro
„Gaspreisbremse“, seit 2022, 119 Mrd. Euro
Corona-Fonds der EU mit 750 Mrd. Euro, der deutsche Finanzierungsanteil (23,6 Prozent) beträgt 177 Mrd. Euro“
Diese insgesamt 1.696 Mrd. Euro wurden noch nicht ausgeschöpft,“ könnten es aber, ohne dass dies mit dem Grundgesetz kollidiere. Hinzu kämen die Forderungen aus den Target-Krediten der Bundesbank, die zuletzt eine Höhe von 1,23 Billionen Euro hatten.
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Der Wirtschaftswissenschaftler spricht von einem Defekt der Demokratie, wenn man immer wieder dazu neige, sich über Staatsverschuldung zu finanzieren.
Hinsichtlich des Wechsels der Premierminister in Großbritannien warnt : „Auch ehemals solide Länder können ihre Bonität verlieren. Es gibt auch hier schwarze Schwäne, wo man sie nicht vermutet.“

Sinn sprach vom „Scherbenhaufen Energiewende“:
„Der grüne Strom würde uns von den konventionellen Energieträgern befreien und wenn wir früher die volle Entwicklung grüner Energie gehabt hätte, hätte Putin uns nichts antun können.“ Dese Rechnung geht laut Sinn nicht auf: Die 200 Mrd Euro sind vielmehr eine Art „Placebo-Pille“, damit „wir das bloß nicht merken, in der Hoffnung, dass danach der liebe Gott den Krieg zu Ende macht, es beendet und dann alles wieder gut ist.“

Zum Wind- und Solarstrom, Kohle, Atom, Erdgas und Öl: „Auch wenn mehr Wind- und Solarstrom produziert wird, hilft das in einer Dunkelflaute gar nichts. Wir brauchen eine „komplementäre Struktur“ der Energieversorgung, die die Schwankungen von Wind und Sonne ausgleicht.
Sinn resummiert: „Das ist ein sehr, sehr peinliches Thema für die grüne Bewegung. Denn mit diesem schmutzigen fossilen Element dieses grünen Stroms als Konsument sollte man sich gedanklich nicht beschäftigen und schon gar nicht in Wahlkampfreden. Es ist aber so, und an diesem Faktum kann man auch mit Wunschdenken und geistigen Kapriolen nicht vorbeikommen.“‘

Zur Kernkraft: Kein anderes Land der Welt außer Deutschland steigt aus dem Atomstrom aus bzw. „Alle, die mal aussteigen wollten, sind vom Ausstieg wieder ausgestiegen.“
Zu dem von der Ampel durchgezogenen „Programm zur Deindustrialisierung Deutschlands“ gibt Hans-Werner Sinn zu bedenken, „es sei denn, die Wettbewerber machen das mit. Wenn sie es nicht mitmachen, ist es das. Warum soll ich denn die teure Produktion, die dann hier erzwungen wird, in Deutschland lassen? Die Firmen werden scharenweise dieses Land verlassen und in andere Länder gehen, die eben weniger grün getaktet sind, auch vielleicht verantwortungslos agieren und dort ihr Geschäft machen.“
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Hans-Werner Sinn gilt als der wohl renommierteste Volkswirtschaftler und Finanzwissenschaftler Deutschlands. Seine Kritik ist stets als konstruktive Kritik mit Verbesserungsvorschlägen verbunden.
Sinn mag als „weißer alter Mann“ zeit- bzw. woke-gemäß verpönt sein, er ist gleichwohl ein „weiser Mann“. Schließlich haben sich seine Prognosen (ex ante) im nachhinein (ex post) bislang alle bewahrheitet. Zuletzt die in seiner Weihnachtsvorlesung 2021 vorhergesagte Inflation, die wir jetzt mit Preissteigerungsraten von über 10 Prozent reichlich und – wie man so schön sagt – nachhaltig haben.

Seit Jahren kritisiert Sinn vehement die Währungspolitik (Euro ohne Abwertungsmöglichkeit einzelner Länder funktioniert nicht) und Schuldenpolitik (deutsche Target-Haftung bei 1,2 Billionen Euro angelangt) von EU und Bundesregierung. Da er in dieser Kritik mit der AfD zu großen Teilen übereinstimmt, wird Sinn in den Medien gerne als rechts bis hin zu Nazi abgetan. Da muß man an das Statement von Alt-Bundespräsident Wolfgang Schäuble am 13.12.2020 in der Welt am Sonntag erinnern: „Wenn die AfD sagt, zwei und zwei ist vier, dann ist nicht jeder ein Nazi, der diese Aussage bestätigt.“

In seiner diesjährigen Weihnachtsvorlesung „Schwarze Schwäne – Krieg, Inflation und ein energiepolitischer Scherbenhaufen“ fällt Professor Hans-Werner Sinn ein vernichtendes Urteil über die Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung. Denn mit Schuldzuweisungen an das eine böse Ausland und dem schulden-finanzierten Füllhorn über das eigene Land läßt sich Deutschland nicht erfolgreich, sondern allenfalls nur in Richtung Deindustrialisierung führen. Da bleibt nur die vage Hoffnung, daß man in Berlin auf den weisen Professor aus München hören möge.
16.12.2022

Livestream der Rede:
https://www.ifo.de/live

https://www.ifo.de/mediathek/2022-12-12/schwarze-schwaene-krieg-inflation-und-ein-energiepolitischer-scherbenhaufen-0
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https://www.ifo.de/veranstaltung/2022-12-12/schwarze-schwaene-krieg-inflation-und-ein-energiepolitischer

Weihnachtsvorlesung 2021: „Kommt jetzt die Inflation?“
https://www.hanswernersinn.de/de/weihnachtsvorlesung2021
https://www.youtu.be/rO8yOSUWasA
https://twitter.com/hanswernersinn/status/1472976332883648515
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Ende des Artikels „Weihnachtsvorlesung: Prof Sinn“
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Beginn der Anlage (1)
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(1) Top-Ökonom Hans-Werner Sinn fordert andere Energiepolitik
Mit grüner Energiepolitik und ohne Gas kann Deutschlands Industrie keine zehn Jahre überleben, sagt Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn. Jetzt, wo dem Land Gas aus Russland fehle, sei die Energiewende ein „Scherbenhaufen“. Deutschland brauche neue Gas-Pipelines, mehr Gasspeicher – und Atomkraft.

Damit Deutschland kurzfristig überlebt, braucht das Land laut Sinn eine andere Energiepolitik: „Kurzfristig heißt dabei in den nächsten zehn Jahren“. Sinn nennt neue Gas-Pipelines nach Norwegen, Großbritannien, Algerien und Israel, wesentlich mehr Gasspeicher und eine nationale Sicherheitsreserve, Flüssiggas aus Übersee, Fracking in Deutschland, und darüber hinaus die sofortige Aufhebung der Kohle- und Atomverbote. Hans-Werner Sinn ist kein großer Fan von Kohlestrom, der besonders viel CO2 verbraucht. Somit führt an Atomenergie kein Weg vorbei.

Alle Länder, die schon Atomstrom produziert haben und sich dann von ihm verabschieden wollten, sind wieder zu ihm zurückgekehrt – außer Deutschland. Der Top-Ökonom verweist etwa auf Schweden. Zurzeit erlebe man außerhalb Deutschlands überall ein riesiges Revival der Atomkraft. „Kein Problem, wir wissen halt wie es geht, die anderen liegen alle falsch“, meint Sinn ironisch.

Das Ende für Verbrenner-Motoren für Deutschland verheerend
Künftig könne Deutschland die Energiekrise auch mit mehr Speicherkapazitäten und neuen Technologien wie Kernfusion lösen – nur zurzeit sei man halt noch nicht soweit. Das klappe frühestens in einem Jahrzehnt, und bis dahin muss Deutschland überleben . Dafür brauche es pragmatische Entscheidungen, abseits von grüner Ideologie.
Besonders verheerend sei für Deutschland das Aus für Verbrenner-Motoren, denn genau hier lägen die Vorteile der deutschen Autoindustrie. Wegen ihrer umfangreichen Metallindustrie könnte sie bessere Verbrenner anfertigen als alle anderen Hersteller. Bei E-Autos sei das anders, hier habe Deutschland gegenüber China und den USA das Nachsehen. Somit brachte die grüne Politik auch Deutschlands wichtigste Industrie in Bedrängnis, was sich bereits beim verarbeitenden Gewerbe zeige. Sinn fragt sich: „Ist Deutschland wieder der kranke Mann Europas?“
… Alles vom 24.12.20222 bitte lesen auf
https://exxpress.at/top-experte-sinn-fordert-andere-energiepolitik-damit-deutschland-ueberlebt/

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