Der Forstbezirk Hochschwarzwald will abgestorbene Bäume am Kybfelsen bei Freiburg stehen lassen. Die Rekord-Sommer 2018 und 2019 haben den Bäumen geschadet. Der Forstbezirk, verantwortlich für die Waldwirtschaft auf 15.000 Hektar Staatswald zwischen Schauinsland und Villingen, hat vor, absterbende Tannen in einem rund sechs Hektar großen Waldstück an der Südostseite des Kybfelsens bei Freiburg als Klimadenkmal stehen zu lassen. Dies teilte jetzt Forstbezirksleiter Hans-Ulrich Hayn mit.
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Nach einem klimatisch extremen Jahr 2018 mit höchsten Temperaturen und geringsten Niederschlägen seien an den Tannen in diesem Waldstück im Frühjahr 2019 erste Schäden aufgetreten, die sich im Sommer massiv ausgeweitet hätten, erklärt Hayn. Beim Freiburger Forstamt, das bislang für die Bewirtschaftung zuständig gewesen ist, habe man sich richtigerweise auf den rechtzeitigen Auszug befallener Fichte konzentriert, da sich die Borkenkäfer an dieser Baumart deutlich stärker ausbreiten.
Am Kybfelsen zwischen Littenweiler und Kappler Tal unterhalb Schauinsland
Tannenbalken tragen seit rund 800 Jahren das Dach des Freiburger Münsters
Seit 1. Januar 2020 ist der Landesbetrieb Forst-BW für die Bewirtschaftung der Staatswälder im Bereich Freiburg verantwortlich. Der zuständige Revierförster Otmar Winterhalter und Forstbezirksleiter Hans-Ulrich Hayn kamen nach eigenen Angaben bei einer gemeinsamen Begehung zu dem Schluss, die toten und die absterbenden Bäume nicht mehr zu nutzen, sondern als sogenanntes Klimadenkmal stehen zu lassen.
Dies habe folgende Hintergründe: Eine ökonomisch sinnvolle Nutzung wäre nur bei zeitnahem Einschlag möglich gewesen. Bei kranken Tannen setze ein rascher Stabilitätsverlust im Holz ein. Die sonst tollen Holzeigenschaften der Tanne – das Dach des Freiburger Münsters wird seit rund 800 Jahren ohne Probleme von Tannenbalken getragen – verlören die Bäume bei stehenden Absterbeprozessen recht schnell. Offenbar breiten sich den Experten zufolge bereits im Sterbeprozess Pilze aus, die bei warmen Temperaturen sofort mit der Zersetzung beginnen. Damit seien die Bäume nach neun Monaten nicht mehr als Bauholz zu nutzen. Eine weitere Ausbreitung von Schädlingen wie Pilzen oder Borkenkäfer halten die Förster in dieser Fläche für beherrschbar, da die Nachbarbestände nur wenige Tannen enthalten.
Grundsätzlich gehe von Totholz immer auch eine gewisse Gefahr aus, mit der Waldbesucher zu rechnen hätten, betont Hans-Ulrich Hayn. In diesem abgelegenen Waldstück bei Freiburg sei die Erholungsnutzung jedoch sehr gering, so dass abbrechende Stämme oder Äste kaum Schäden verursachen werden. Generell sollte man den Wald bei stärkerem Wind oder gar Sturm meiden, lautet sein Rat.
Erst einmal wird massiv Kohlendioxid freigesetzt
Ein Nachteil sei die massive Freisetzung von CO2. Sie lasse sich nicht mehr verhindern. Die Förster schätzen, dass in den nächsten zehn Jahren rund 80 Prozent des in den Bäumen gespeicherten Kohlenstoffs freigesetzt wird. Das entspreche rund 1700 Tonnen CO2, betont Hayn. Bei den Tannen in dieser Höhenlage erfolge dieser Prozess rasch, er sei jetzt bereits gut sichtbar. Ein Holzeinbau in Bauwerke und damit auch langfristige Substitutionseffekte für energieaufwändige Baustoffe wie Beton, Stahl oder Aluminium entfielen, und auch der Ersatz von fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Erdöl oder Kohle durch das Verheizen des Holzes sei nicht mehr sinnvoll möglich.
Positiv schlagen nach Ansicht des Experten ökologische Aspekte zu Buche. Eine Vermehrung verschiedener auf totes Holz angewiesener Arten wie holzzersetzende Pilze und Käfer finde bereits statt. Mittelfristig entstünden verschiedene zusätzliche Habitatstrukturen für Spechte, Fledermäuse und weitere Arten.
Klimawandel beschreibt das Waldstück treffend
Der Begriff Klimadenkmal charakterisiert für Forstbezirksleiter Hans-Ulrich Hayn das Waldstück treffend. In den normal bewirtschafteten Wäldern entferne man befallene Bäume rasch, so dass Schäden von Waldbesuchern oft gar nicht gesehen würden. Im Klimadenkmal könnten interessante Prozesse direkt beobachtet werden. So ändere sich ein stabiles und naturnahes Waldökosystem, das hier seit mehr als 3000 Jahren zu finden gewesen sei, dramatisch.
Die erwähnten Nachteile in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit oder die Erholungseignung seien direkt erkennbar. Aber auch ökologisch müsse einem bewusstwerden, dass viele wirklich alte Wälder wie dieser rund 140 Jahre alten Tannenwald langfristig vermutlich seltener würden. Die Baumarten lassen sich auf der ausgewählten Fläche gut auf ihre zukünftige Eignung ansprechen, erklärt Hayn. So seien hier bislang Eichen, Buchen und Douglasien noch ohne größere Schäden. Dies sei ein wichtiger Hinweis für den Mischwaldgedanken.
Wie sieht der künftige Wald aus, was sollte getan werden? Verschiedene Handlungsoptionen könnten hier aufgezeigt werden, betont der Experte. Förster wollten den Aufwand möglichst klein halten, seien aber der Meinung, dass wieder ein multifunktionaler Wald entstehen solle.
In den nächsten zehn Jahren seien jedoch aufwändige Maßnahmen schon wegen der Gefährdung für die Waldarbeiter nicht angebracht. Auf dem Boden zeige eine vielfältige Naturverjüngung die Möglichkeiten zur Ausformung eines produktiven, artenreichen Mischwalds aus Buche, Douglasie, Eiche und etwas Tanne auf – ein Wald, dem auch in verändertem Klima das Erfüllen aller Waldfunktionen zugetraut werde. Mit einfacher Pflege werde er in diese Richtung entwickelt. In zehn bis 20 Jahren werde die prognostizierte Waldentwicklung die Fläche von einer CO2-Quelle wieder zu einem Speicher werden lassen. Schon jetzt sei das Waldstück sehr interessant. Es werde sich jedes Jahr weiter entwickeln und sicherlich einige Überraschungen bereithalten.
… Alles vom 5.3.2020 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/forstbezirk-hochschwarzwald-laesst-tote-tannen-als-klimadenkmal-stehen