Todtnauberg

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Blick nach Nordosten über Todtnauberg bis hoch zum Stübenwasen am 5.3.2013

 

 Todtnauberg im Schnee

                   
(1) Scheuermattkopf mit Lift                    (2) Friedhof und Scheuermatte              (3) Kirche am 5.3.2013
                   
(4) Blick westwärts Skischullift               (5) nordwestwärts zum Ort                      (6) nordwärts hoch zum Radschert
                    
(7) Weiler Hof                                             (8) Skischullift links                                   (9) Radschert im Norden oben
                   
(10) Kapellenlift                                         (11) Haus der Bergwacht                        (12) Radschertlift
                   
(13) Stüberwasenlift  ostwärts                (14) Stübenwasenlift nordwärts             (15) Blick gen Radschert
                   
(16) Stübenwasenlift südwärts             (17) Stübenwasenlift südwärts                (18) Haus am Bach
                   
(19) Kapellenlift im Südosten                 (20) Scheuermattlift im Südosten          (21) Kapellenlift im Osten
                   
(22) Rütte – Skilifte  5.3.2013                  (23) Kapellenlift  im Osten                       (24) Stübenwasen ganz oben

 

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Heidegger, Celan und die Hütte im Schwarzwald: Hans-Peter Kunischs Buch „Todtnauberg“
Die (Nicht-)Begegnung von Paul Celan und Martin Heidegger, des jüdischen Dichters und des alemannischen Denkers, in der Hütte des Philosophen in Todtnauberg gehört zu den meist erforschten, diskutierten und interpretierten kulturgeschichtlichen Ereignissen der deutschen Nachkriegszeit.
Dachte man bisher. Nun hat der Kulturjournalist Hans-Peter Kunisch nach mehrjähriger Recherche und aus gegebenem Anlass – im April jährte sich Celans Todestag zum 50. Mal, am 23. November vor 100 Jahren wurde er geboren – ein Buch mit dem naheliegenden Titel „Todtnauberg“ vorgelegt. Untertitel: „Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung“.
Kunisch ist in Freiburg und in Todtnauberg gewesen, er hat im Literaturarchiv Marbach nach Quellen gesucht und Zeitzeugen wie auch den Freiburger Literaturwissenschaftler Günter Schnitzler befragt. Schnitzler, früherer Leiter des Studium Generale der Universität Freiburg, war in den 1980er-Jahren Assistent des Freiburger Ordinarius Gerhart Baumann. Baumann war maßgeblich daran beteiligt, dass der Lyriker Celan am 24. Juli 1967 nach Freiburg kam, um im vollbesetzten Audimax vor einer gebannten Zuhörerschaft – das kann sich heute niemand mehr vorstellen – aus seinen Gedichten las. Schnitzler war damals Student und noch nicht in Freiburg; er kennt die folgenreiche Episode allerdings indes aus zahlreichen Erzählungen.

Ein unmittelbarer Zeuge, der die beiden epochalen Gestalten in seinem VW-Käfer von Freiburg in den Schwarzwald gefahren hat, ist vor knapp drei Jahren, im Dezember 2017, gestorben: Gerhard Neumann, damals Assistent von Baumann, nachmalig Hochschullehrer in Freiburg und München. Sein Gedächtnis allerdings wies, was diese Fahrt angeht, immer schon Lücken auf – vielleicht auch deshalb, weil er sich von Celans raumgreifender Gegenwart erdrückt und ihm unterlegen fühlte, wie er in einem im Buch zitierten Brief an den in Paris lebenden Übersetzer Elmar Tophoven freimütig bekannte.
Die präzise Rekonstruktion dieses denkwürdigen Ereignisses ist – 53 Jahre später – trotz der ergiebigen Quellenlage schwierig. Das Hauptzeugnis besteht in Paul Celans Gedicht „Todtnauberg“, in dem die berühmten – zuerst auf Wunsch Heideggers ins Hüttenbuch eingetragenen – Verse stehen: „von / einer Hoffnung, heute, / auf eines Denkenden kommendes Wort / im Herzen“. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich diese Zeilen auf die Verstrickung Martin Heideggers in die nationalsozialistische Ideologie beziehen, die über sein kurzes Rektorat im Jahr 1933 weit hinausreicht – und die Erwartung einer Erklärung formulieren, ja vielleicht sogar einer Entschuldigung für den NS-Genozid an den Juden, dem auch Celans Eltern in Czernowitz zum Opfer gefallen waren.

Vom „Denkenden“ kam, wie man weiß, auch später nichts. Und so endete diese seltsame Fahrt, die, wie man aus Kunischs detaillierter Schilderung erfährt, zuletzt ein Hochmoor bei Sankt Blasien streifte, das Celan mangels geeigneten Schuhwerks nicht betreten konnte, auch im metaphorischen Sinn so, wie sie begonnen hatte: in einem über den Anlass hinausgehenden endgültigen Schweigen des Seinsdenkers.

Als Celan den geschnitzten Brunnenstern vor der Hütte des Philosophen entdeckte, der ihn offenbar an den Judenstern erinnerte, soll er laut des anwesenden Silvio Vietta gesagt haben: „Herr Heidegger, den Stern lasse ich ihnen nicht. “ Das Gedicht eignet sich diesen mit der Formulierung „dem Brunnen mit dem /Sternwürfel drauf“ tatsächlich an und rückt ihn damit in einen anderen Kontext. Welche Worte allerdings wirklich gefallen sind zwischen Heidegger und Celan: Man wird es nie erfahren. Hans-Peter Kunisch, Jahrgang 1962, studierter Germanist, Theaterwissenschaftler und Philosoph, behilft sich mit dem Genre des – vielleicht ist das die beste Bezeichnung – Tatsachenromans. Anhand der beeindruckenden Fülle der zusammengetragenen Fakten und vor allem der brieflichen und schriftlichen Quellen erzählt er eine Geschichte, die den Anspruch erhebt, möglichst nah an die Wahrheit der Freiburger Begebnisse heranzukommen.
Auch wenn der Autor dabei suggeriert, in die Köpfe Heideggers und Celans hineinschauen zu können, bleibt ein Großteil seiner „Geschichte“ gedankliche Spekulation. Dass Celan Heidegger während der Fahrt nach Sankt Blasien mit dem Mord an seinen Eltern konfrontiert haben könnte: Man kann es sich schlicht nicht vorstellen. Noch weniger, dass Heidegger ihm versprochen habe „etwas“ zu schreiben. Worauf Celan von „einer Zufriedenheit, die er schon lange nicht mehr gekannt hat“, überwältigt worden sei.
An Stellen wie dieser überschreitet Hans-Peter Kunisch seine Kompetenzen, seine Darstellung bekommt etwas Anmaßendes. Das ist schade. Denn so weit sich „Todtnauberg“ an die überlieferten Dokumente hält und das geistige Umfeld der beiden Protagonisten auslotet, liest man das Buch durchaus mit großem Gewinn.
Hans-Peter Kunisch: Todtnauberg. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2020. 350 Seiten, 24 Euro. Lesung: Der Autor liest am 20. August um 20 Uhr in der Rainhofscheune in Kirchzarten.
… Alles vom 17.8.2020 von Bettina Schulte bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/heidegger-celan-und-die-huette-im-schwarzwald-hans-peter-kunischs-buch-todtnauberg–192340842.html

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Martin-Heidegger-Rundweg ob Todtnauberg
Ein Schwarzwaldort, der sich an den Hang schmiegt, eingebettet in eine Landschaft wie aus dem Prospekt: das ist Todtnauberg. Wer hierher kommt, sucht Stille, bekommt steile Wiesen, Weite, Wind und ein Alpenpanorama, das auf Postkarten kitschig wirken würde, aber in echt einfach umwerfend ist, gratis dazu. Diese Stille war es auch, die den berühmtesten Gelegenheitsbewohner des Orts angezogen hat. Auf dessen Spuren kann man 6,2 Kilometer lang wandeln, auf dem Martin-Heidegger-Rundweg.
Dort in Todtnauberg hat er Jahre seines Lebens verbracht. Hat geschrieben, ist durch den Schnee gestapft oder ist im Sommer gewandert: Martin Heidegger, ebenso unbestritten genialer wie umstrittener Existenz-Philosoph, dessen Werk „Sein und Zeit“ über die Philosophieszene hinweggewalzt ist wie ein Sturm aus dem Schwarzwald – und der mit den ab 2014 veröffentlichten „Schwarzen Heften“ den guten Glauben so mancher restlos entwurzelte, die ihn zuvor für antisemitische Gedanken eher nicht anfällig hielten.

Von Stürmen und Entwurzelungen ist heute, zumindest wettermäßig, nichts zu spüren. Über den tiefblauen Himmel huschen Wolkenfetzen, und der Wind wuschelt nur sanft durch die Bäume und Tannen, die wellige Wiesen vom Horizont trennen. Am Wanderparkplatz Ratschert startet der aussichtsreich einmal um den Ort führende Weg.

Die Kiesel knirschen unter den Wanderstiefeln, hier also hat Heidegger berühmte Besucher wie den Lyriker und Holocaustüberlebenden Paul Celan und die Philosophin Hannah Arendt empfangen. Oder den Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein zu einem Interview, das aber ganz nach Heideggers Gusto erst nach seinem Tod erscheinen durfte. Schautafeln stehen am Wegesrand, worauf „einige Fragen gestellt und bescheidene Antworten gegeben“ werden, wie es zur Einführung heißt. Aha. Die Tafel „Biografisches“ und auch der an der Touristinfo erhältliche Prospekt zu Martin Heidegger jedenfalls führen einiges an, was wir an anderer Stelle ganz anders gelesen haben – nun ja, mit Antworten oder Ansichten ist es wie mit der Philosophie: Sie ist kompliziert. Und vieldeutig. Ein Wind streicht unangenehme Gedanken weg, und wir gehen zumindest mit einer anderen Passage d’accord: „Die Stille, die intakte Natur und die frische, klare Luft Todtnaubergs ließen ihn denken und schreiben.“
Geschrieben hat Heidegger in einer winzigen Studierstube in der einfachen Hütte, die seine Frau Elfriede bauen ließ. Sie diente ihm als Refugium und wurde von der Familie ab 1929 tage- und wochenweise bewohnt – von den Nachfahren übrigens noch bis heute, wie ein weiteres Schild verrät und um Rücksicht auf die Privatsphäre bittet.
Auch ohne den Gang zur Hütte bekommt man sie immer wieder von weitem aus allen möglichen Blickwinkeln zu sehen. Vom überdimensionalen Hochsitz aus etwa, der als riesiger Stuhl am Wegrand steht, sich erklettern lässt und eine traumhafte Aussicht bietet: wie ein Lego-Dorf liegt uns Todtnauberg zu Füßen, unser Blick kann schweifen, weit, weit über die Berge hinweg. Noch andere hübsche Rastplätze gibt es unterwegs, drei hölzerne Vogelhäuschen etwa, in die man landsitzen kann wie ein Schild besagt und den Alpenblick genießen. Oder die Bänke vor der Kapelle, bevor es zur Rütte hinuntergeht.
Dazwischen geben die restlichen Tafeln Leseempfehlungen und beschreiben Anekdoten, wie diejenige, dass eine Einheimische auf Heideggers Frage, ob sie ihr geschenktes „Sein und Zeit“ schon gelesen habe, zur Antwort gab: „Versucht zu lesen haben wir’s schon, aber das versteht man ja nicht.“ Die Tafel, auf der das stand, fehlt übrigens, wie eine weitere der ursprünglich fünf. Die seien einfach verschwunden, hört man. Doch es sollen so bald wie möglich neue kommen. Und die Erkenntnis am Ende des Wegs? Da ist er wieder, der Wind, streicht über Wiesen und bringt das mit, was Todtnauberg ausmacht: die Stille, probates Mittel zum Philosophieren.
23.9.2019, Anita Fertl, mehr auf:
https://www.badische-zeitung.de/freizeittipps-und-feste-ticket/erkenntnisse-vom-winde-verweht-wanderung-auf-den-spuren-martin-heideggers–177393266.html

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