Hofsgrund

Home >Regio >Ortschaften >Oberried >Hofsgrund

Blick nach Norden über Wetterbuche und Hofsgrund zum Schauinslandturm am 25.10.2012

 

Blick vom Dachsbühl (1174 m) bei der Erlenbacher Hütte nach Westen auf Hofsgrund: Halde (links), Ort (Mitte) und Schauinslandgipfel (rechts)

 

Gemeinde Hofsgrund – heute Ortsteil von Oberried

Der Ort Hofsgrund oben am Schauinsland (1100 m) gehört zur Gemeinde Oberried

Lukas Flamm, Ortsvorsteher
Ortsverwaltung Hofsgrund, Silberberstr.14, 79254 Oberried
ovhofsgrund@t-online.de
www.hofsgrund.de

 

Bilder  – Wandern auf den Höhen um Hofsgrund

                   
(1)  7.7.2012                                                   Blick nach Südwesten

                       
(4) Blick nach Norden zum Turm                Blick nach Nordosten zu Hofsgrund          Schweizer-Hof am 25.10.2012

                   
(7) Schniederlihof  – Blick nach Nordwest  (8)Dobelhof rechts                               (9) Gegendrumhof am 25.10.2012

                   
(10)   Hofsgrund                                              (11) Tele-Blick zum Feldberg                        Blick zum Schauinslandgipfel

                   
(13) Schwabennebel                                (14) Seppenmattenhof 20.2.2013          (15) Seppenmatte – nach Süden

                   
(16) Bodenmattenhof                               (17) Bodenmatte – Blick nordwärts        (18) Schauinslandgipfel, Schniederli

                                 
(19) Cafe Lorenz                                        (20) Telefonhäuschen 20.2.2013         (21) 16.3.2013

          hofsgrund-feldberg150531
(22) Sonnenaufgang 16.3.2013            (23)  Blick zum Feldberg am 31.5.2015

 

(10 und 13) Blick nach Osten über Hofsgrund am 15.11.2012 – oben bei Breitnau der sog. Schwabennebel, der mit dem strengen Ostwind von der Baar her rüberdrückt
(11) Tele-Blick am 15.11.2012 von Hofsgrund aus nach Osten zum Feldberggipfel, der um 17 Uhr immer noch volle Sonne hat.

.
 Vom Rosshang (Skilift) in Richtung Schniederlihof

                   
(1) Blick nach Westen hoch                     (2) Kinderlift                                                 (3) Blick nach Norden

                   
(4) Rosshanglift Talstation                     (5) Poche-Lift – Blick nach Südwesten   (3) Kirchlebauernhof

                  
(7) Blick nach Südwesten                        (8) Blick nach Südwest, Poche-Lift      (9) Skihang Rosshanglift

                   
(10) Blick nach Süden                              (11) Blick südostwärts Feldberg            (12) Projekt NEST

                        
(13) Keramikkacheln im Schnee            (14) Bank-Blick über Hofsgrund                  (15) Hofsgrund im Schneetraum

                                     
(16) Blick nach Süden                              (17) Fuß des Rosshangs                          (18) Schniederlihof unten rechts

                  
(19) Schnee und Sonne pur                  (20) Blick nach Westen                             (21) Hofsgrund

                  
(22) Rosshang (rechts) und Poche     (23) Rosshanglift                                       (23) Rodeln am Rosshang

 

Blick nach Südosten über Hofsgrund zum Feldberg am 20.2.2013 – Sonne, Schnee und klare Luft

.
.

Der Dorfladen „Lebensmittel Lorenz“ macht dicht
Klar ist heute alles anders. Aber Marion Lorenz beginnt auch den letzten Tag ihres alten Lebens wie beinahe jeden in den vergangenen 15 Jahren. Aufstehen, im Schlafanzug über die Straße tapsen, im Dorfladen Milch und Käse zum Frühstücken holen, zurück ins Wohnhaus, umziehen, dann, um kurz nach acht, wieder rüber in den Laden, Schlüssel ins Schloss, los geht’s. Sie drückt auf den Lichtschalter, flackernd springen die Lampen an und werfen ihr Licht auf die Restposten: Äpfel, Schokokekse, Glühbirnen, Schulhefte, Schaumfestiger, Wurst, Wollsocken, Scheuermilch. Frau Lorenz legt die Bild-Zeitung auf den Tresen. Titel: „Elektriker erwürgt sich in Porno-Raumschiff“.
Sie schüttelt den Kopf, dann geht sie zu ihrem Kalender und schiebt auf dem Dezemberblatt das rote Viereck von der 29 auf die 30. Zweitletzter Tag im Jahr 2017, der letzte einer Ära. Jetzt, 2018, ist der Laden zu. Frau Lorenz sagt, das sei okay so, nur glänzen ihre Augen dabei.

Hofsgrund hat knapp 600 Einwohner. Früher gab es hier eine Tankstelle, eine Grundschule, mehrere Cafés, einen Schuhmacher und die Post. Einmal die Woche öffnete sogar die Bank. Übrig blieben die Bäckerei und der Dorfladen. Lebensmittel Lorenz, so steht es draußen auf dem verwitterten Schild an der Straße. „Löffelhäusle“, so sagten die, die dort einkauften. Gegründet 1921. In drei Jahren wäre der Laden also 100 Jahre alt geworden. Frau Lorenz hat Schilder gemalt und sie im Laden aufgehängt. Ganz oben steht: „Eine Ära geht zu Ende…“ Dann: „Ich danke Ihnen für das jahrelange Vertrauen.“ Sie weiß selbst, dass das nur bedingt stimmt. „Erst war es nur eine Ahnung“, sagt sie. „Das ist schon Jahre her. Weniger unbekannte Gesichter im Laden, weniger Feriengäste.“ Aber bald kamen auch die nicht mehr, die immer gekommen sind. Immer seltener stand in Frau Lorenz’ Abrechnungen am Monatsende ein Plus, immer öfter ein Minus. Sie schaffte das Radio im Laden ab, um sich die GEZ-Gebühren zu sparen. Als die Kühltruhe den Geist aufgab, kaufte sie keine neue, stattdessen schrieb sie ein Schild: „Kühltruhe LEIDER defekt.“ Als sie eine neue Kasse hätte kaufen sollen – modernes Buchungssystem, 3000 Euro – und sie das Geld nicht hatte, wusste sie, dass es dem Ende entgegenging. „Nachts lag ich wach und ging jedes Haus in Hofsgrund durch“, sie. Wer kam noch? Auf wen konnte sie sich noch verlassen? Wie jeder, der eine wichtige Entscheidung nicht treffen will, lagerte Lorenz die Verantwortung aus und überlegte sich ein Experiment. Während zweier Wochen, in denen die Bäckerei geschlossen hatte, wollte sie ihrem Laden den Puls fühlen. „Hätte es einen Boom gegeben, hätte ich weitergemacht“, sagt sie. Es kamen so viele wie immer, vielleicht zehn am Tag. Kein Boom. Eher kritisch niedriger Puls.

Wissenschaftler des Bundesforschungsinstituts für ländliche Räume ermittelten in einer Studie, dass Kaufleuten um das Jahr 2000 noch 3500 Einwohner reichten, um eine Filiale profitabel zu betreiben. Heute gelten Dörfer mit weniger als 5000 Einwohnern als uninteressant. „Immer mehr Verbraucher kaufen nicht mehr an ihrem Wohnort ein, selbst wenn ein Angebot vorhanden ist“, schreiben die Forscher. Schuld seien „die erhöhte Mobilität und das Preisbewusstsein der Konsumenten“. Wenn Frau Lorenz ihren Laden verlässt, 20 Meter durch den Schnee zur Hauptstraße stapft, dann kann sie sie sehen, die Kunden. Sie rauschen in ihren Autos an ihr vorbei nach Kirchzarten und Freiburg, zu Aldi, Lidl, Real, Rewe, Edeka und Penny. „Die sind billiger als ich und haben die größere Auswahl“, sagt Lorenz. „Bei denen läuft auch nix ab. Ich hab am Ende immer nur weggeschmissen.“
In ihrem Laden, gleich hinterm Eingang, steht ein schwarzer Klappstuhl. Sie hat es noch nicht geschafft, ihn wegzuräumen. „Der Stuhl war für Frida“, sagt sie. Frida kam jeden Tag knapp vor Ladenschluss. Sie kaufte Brot, Butter, Käse, dann setzte sie sich auf den Stuhl und wartete, bis Frau Lorenz die Kasse abschloss und sie mit dem Auto nach Hause fuhr. „Meistens sagte sie, ich solle mich noch zu ihr setzen. Dann erzählte sie“, sagt Lorenz. „Ich habe oft überlegt, ob ich neben das Ladenschild noch ein zweites hängen soll: Psychiater. Aber die Gespräche taten ja auch mir gut.“ Die alten Frauen waren Lorenz’ Lebensversicherung. Sie kamen zuverlässig wie der Milchwagen zu den umliegenden Bauernhöfen. „Ich mochte sie gern“, sagt Marion Lorenz, „aber ich wusste lange nicht, ob ich sie duzen oder siezen soll.“ Einmal druckste sie herum, vermied die direkte Ansprache. Da sagte eine Bäuerin, weit über 80: „Wir sind hier über 1000 Meter, da sagt man du zueinander!“ Lorenz hat sich diese Sätze gemerkt, gespeichert in einer Schatztruhe in ihrem Kopf. Sie kann Dutzende dieser Anekdoten aufsagen, sie endet dann immer mit denselben Worten. „Das ist halt der Lauf der Zeit.“ Der Satz klingt wie eine Entschuldigung, aber so ist er nicht gemeint. Eher als traurige Reminiszenz an ein Früher, das es nicht mehr gibt, jetzt auch in Hofsgrund. „Früher kickten die Jugendlichen auf dem Bolzplatz gegenüber. In den Pausen kauften sie saure Zungen. Heute kickt da niemand mehr“, sagt Lorenz. Früher kamen auch die Jugendlichen vom Landschulheim und wollten Bier und Wein. Wenn jemand dringend etwas brauchte, konnte er selbst am Sonntag bei ihr klingeln, dann schloss sie kurz auf. Sie ließ damals auch anschreiben – wo geht das heute noch? Am meisten vermisst Lorenz jedoch die Kinder an deren ersten Schultag. Die kamen mit handgeschriebenen Zetteln: drei Hefte, vier Stifte, ein Collegeblock. „In diesem Jahr kam kein einziges“.

An ihrem letzten Tag hat Frau Lorenz ein kleines Buffet aufgebaut. Für treue Kunden. Es gibt Sekt, ein paar Süßigkeiten, Cracker. Die Kunden sagen, dass sie traurig seien, aber dass sie den Schritt verstehen könnten. Sie stecken Garn und Schuhcreme ein, eine Frau kauft ein Dutzend Fliegenfänger. „Fliegen hat’s auch, wenn du zu hast, Marion“, sagt sie. Frau Lorenz weiß noch nicht, was sie jetzt machen möchte. Erst einmal pflegt sie ihre kranke Mutter, kümmert sich um die Abwicklung des Geschäfts. Und dann? Sie ist jetzt 56, braucht bald einen neuen Job. Was mit Menschen, das wäre gut, vielleicht mit alten. Sie hat lange geübt.
Einer der letzten Kunden ist Herr Berndt. „Was haben Sie denn noch, was zum Feldsalat passt?“, fragt Berndt. „Sie könnten von der Landjäger reinschneiden“, sagt Lorenz. „Schmeckt das?“ „Bestimmt, Herr Berndt. Wie geht’s eigentlich Ihrer Frau?“

Um 12.54 Uhr geht die letzte Dose Mais über den Tresen, um 13.07 Uhr kommt der allerletzte Kunde ins Geschäft. Er wohnt im Dorf, wusste aber nicht, dass der Laden schließt. Er geht durch die leergeräumten Gänge, die Kunden mit Sektglas rufen ihm angeheitert zu, was er noch kaufen könnte: „Nimm Müsli mit! Kauf noch Bier! Wunderkerzen für Silvester! Wollsocken!“ Er kauft viel mehr, als er eigentlich wollte, dann verlässt er eilig den Laden. „Schluss jetzt“, sagt Frau Lorenz. Sie geht zum Kühlregal und zieht den Stecker. Plötzlich ist es still im Laden. Ein Summen, das bis dahin niemand mehr bemerkt hatte, verstummt.
Marius Buhl, 5.1.2018, www.badische-zeitung.de (dort finden Sie auch Bilder zum Hofladen)

Schreibe einen Kommentar