Der Dreisamtäler im Gespräch mit Oberrieds Bürgermeister Klaus Vosberg. Welche Themen dominieren denn Oberrieds Kommunalpolitik? Ein zentrales Thema ist sicherlich der Abschluss des Bauvorhabens „Bürgerhaus in Hofsgrund“. Geplant ist, die Einweihung zusammen mit dem Bergfeuer im Juli und dem Bobbycarrennen stattfinden zu lassen. Das fand letztes Jahr erstmalig auf Initiative des Lionsclub Dreisamtal statt und war ein schöner Erfolg. Für den Kindergarten Hofsgrund kamen dabei 1000,- Euro zusammen.
Dreisamtäler: Und wer nimmt denn daran alles teil?
Vosberg: Wer Lust hat – vom Kind bis zum älteren Herrn. Dieses Jahr nimmt vielleicht sogar der Bürgermeister daran teil.
Dreisamtäler: Das Bürgerhaus war das frühere Rathaus Hofsgrunds, in dem heute auch der Kindergarten untergebracht ist. Was bietet das Gebäude denn künftig noch?
Vosberg: Die Bürger und Vereine bekommen damit endlich gescheite Räumlichkeiten und einen Saal, der auch vom Ortschaftsrat genutzt werden kann. Das fehlte bisher in Hofsgrund. Für mich war es ein Wahlkampfversprechen, das Gebäude zu erhalten und als Bürgerhaus auszubauen und ich wünsche mir, dass von diesen neuen Räumlichkeiten für die Bürger ein Impuls für den ganzen Ortsteil ausgeht. Es steht noch nicht fest, wie die Räume eingerichtet werden. Die Idee des Gemeinderats war, dass jeder Hofsgrunder, jeder Oberrieder, sich an der Finanzierung eines Stuhls oder eines Einrichtungsgegenstand beteiligen kann und sein Name dann auch drauf steht. Und zwar nicht, weil uns das Geld ausginge, denn die Summe für die Einrichtung ist im Haushalt eingeplant. Es geht vielmehr darum, einen persönlichen Bezug zum Gebäude und zur Einrichtung herzustellen.
Dreisamtäler: Ein weiteres zentrales Thema Oberrieds ist die Reaktion auf den demografischen Wandel, der auch vor Oberried nicht Halt macht.
Vosberg: Sie sprechen das Mehrgenerationenprojekt an, das auf dem Gelände des Ordens der Ursulinen realisiert werden soll. Die Besonderheit in Oberried ist, dass das Projekt nicht wie in anderen Gemeinden mit Investoren von statten geht, sondern von der Gemeinde für die Bürgerschaft umgesetzt wird. Betrieben wird das Projekt dann von der Bürgergemeinschaft, die sich im Januar gegründet hat. Wir orientieren uns dabei an dem Modell in Eichstetten. Das Ziel ist es, dass Menschen, die nicht in ihren eigenen vier Wänden alt werden können, es wenigstens im eigenen Ort tun können und zwar bezahlbar. Geplant ist eine Wohngruppe für bis zu 12 Personen als eine Art selbstverwaltete Wohngemeinschaft, in der jedoch Betreuung und Pflege stattfinden wird. Und es ist eine Tagespflegegruppe geplant, in der Angehörige ihre betreuungsbedürftigen Familienmitglieder tagsüber versorgt wissen können.
Dreisamtäler: Die Gemeinde Oberried finanziert das Projekt selbst?
Vosberg: Ja! Die Finanzierung ist für die Gemeinde stemmbar.
Dreisamtäler: Wie sieht denn Ihre Kostenkalkulation aus?
Vosberg: Wir gehen von Kosten zwischen 3,5 und 4 Millionen Euro aus. Natürlich hoffen wir auf Fördermittel. Haushaltstechnisch gehen wir jedoch vom Worst-Case aus, dass also nur ein Minimum an Mitteln fließt. Dann müssten die Gemeinde jährlich 125.000,- Euro in das Projekt hineingeben. Nach dreißig Jahren wären die Gebäude vollumfänglich abbezahlt. Ich bin jedoch sehr hoffnungsfroh, dass es uns gelingt, mehr Fördermittel einzuwerben als wir eingeplant haben. Was die laufenden Kosten angeht, so soll sich das Projekt selbst tragen.
Dreisamtäler: Wie weit sind die Planungen fortgeschritten?
Vosberg: Die Pläne stehen, wir bereiten derzeit den Bauantrag vor. Die Entkernungs- und Abrissarbeiten sollen im Sommer und Herbst laufen.
Dreisamtäler: Miteinander Stegen e.V. möchte ein ähnliches Projekt in Stegen realisieren. Die Umsetzung dort lässt allerdings noch auf sich warten. Überholt Oberried Stegen gerade?
Vosberg: Wir wollen hier niemanden übertrumpfen, wir schauen, dass wir gute Lösungen für die hier lebenden Menschen hinbekommen. Wenn wir dabei Vorbild für andere Gemeinden sein können, dann freuen wir uns darüber. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass dieses Engagement für die alternde Bevölkerung in unserer heutigen Zeit einfach notwendig ist, weil sich das Konstrukt Großfamilie aufgelöst hat. Ich weiß hier auch den Gemeinderat hinter mir, das Thema ist unbestritten. Es ist jedoch ein neues Feld, das man beackern muss. Es sind noch keine Türen da, was Fördermittel angeht. Förderprogramme sind erst im Entstehen. Klar ist aber auch, dass Pflege ein Markt ist und es gibt da Player, die viel Geld verdienen. Wenn wir als Gemeinde solche Projekte betreiben, dann fällt das Gewinnstreben weg. Es geht nach wie vor um Wirtschaftlichkeit, das ist klar, es geht aber nicht um Gewinnmaximierung. Wir wollen, dass sich auch der “Normalbürger einen Platz in unserer Einrichtung leisten kann.
Dreisamtäler: Mit diesem Mehrgenerationenprojekt haben Sie den Blick auf die ältere Generation gerichtet. Wie steht es mit der Infrastruktur für die jüngere und ganz jüngste Generation?
Vosberg: Auf dem Gelände der Ursulinen schafft die Gemeinde neben den Wohngruppen auch gemeindeeigenen Wohnraum, der nach den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus erstellt wird. Dort sollen natürlich auch Familien mit Kindern einziehen können. Die Wohnlage für Familien ist dort ideal, der Kindergarten liegt in Sichtweite. Aber wir sind derzeit auch dabei eine Bedarfsanalyse zu erheben, um herauszufinden, ob neben dem gewöhnlichen Kindergarten auch ein Waldkindergarten eingerichtet werden soll.
Dreisamtäler: Sind die Kinderzahlen steigend in Oberried?
Vosberg: Es geht nicht um steigende Kinderzahlen, eher um steigenden Raumbedarf. Es kristallisiert sich jetzt schon heraus, dass Eltern Betreuungsbedarf haben und zwar vermehrt nach Ganztagesbetreuung. Das würde Umbauten nach sich ziehen, weil dann Schlaf- und Essensräume und Intensivräume vorhanden sein müssen. Würde eine Waldkindergartengruppe eingerichtet, dann würde das – räumlich gesehen – Luft im regulären Kindergarten schaffen. Wir sind dabei, den Bedarf zu eruieren und dann zu schauen, was realisierbar ist. Wir wollen junge Familien in Oberried, dann müssen wir auch entsprechende Infrastruktur bereitstellen, damit Familien auch ihren Vorstellungen gemäß leben können.
Dreisamtäler: Wir sprachen letztes Jahr darüber, dass eine Bestandsanaylse der Oberrieder Straßen gemacht werden sollte.
Vosberg: Ja, das war ein böses Erwachen, wobei das Ergebnis erwartbar war. Es stellte sich heraus, dass wir einen erheblichen Sanierungsstau in unserer Gemeinde, was Straßen und Wege angeht, haben. Das können wir aus eigener Kraft nicht stemmen, deshalb hoffen wir, dass Stuttgart kapiert, dass wir Verkehrsprobleme nicht nur mit Radwegebau lösen können. Dieser Sanierungsstau ist jedoch ein bundesweites Problem, wir haben lange Jahre auf Kosten der Infrastruktur gelebt und sie nicht so instand gehalten, wie es nötig gewesen wäre, auch weil andere Aufgaben Vorrang hatten.
Dreisamtäler: Das ist aber nur die halbe Wahrheit, die Straßen, die vor Jahren gebaut wurden, sind nicht für das heutige Verkehrsaufkommen ausgelegt.
Vosberg: Da haben Sie Recht. Sowohl die Fahrzeuge als auch die Mobilität haben sich verändert. Die Intensität und die Lasten, die auf den Straßen heute unterwegs sind, waren so nicht vorhersehbar und das trug entscheidend dazu bei, dass die Straßen so aussehen, wie sie es heute tun. Nehmen Sie einen 40-Tonner. Man spricht von einer über 10.000-fachen Mehrbelastung im Vergleich zu einem Pkw, das ist ein exponentieller Anstieg der Belastung.
Dreisamtäler: Wie gehen Sie vor?
Vosberg: Wir haben die Straßen untersuchen lassen, deshalb kennen wir auch die Größenordnung, über die wir reden. Wir haben die Straßen in Ampelfarben unterteilt und wissen somit, wo der Sanierungsbedarf am größten ist und wir handeln müssen. Denn auch klar ist, dass der Verfall der Straßen ebenfalls eine Kurve hat und keine Gerade. Diese Katalogisierung ist übrigens auch wichtig, um an Fördermittel zu kommen. Wenn wir an die Straßensanierung gehen, dann geht der Blick auch in die Tiefe. Wir schauen nach dem Zustand der Kanalisation und der Wasserleitungen und ob die Breitbandversorgung damit gleichzeitig mit angegangen werden kann. Es darf nicht passieren, dass wir eine Straße sanieren und zwei Jahre später wieder aufreißen, weil wir an Kanalisation oder Wasserleitungen ran müssen. Das wäre Verschwendung von Steuergeldern. Negativbeispiele dafür gibt es genug, die müssen wir nicht wiederholen.
Dreisamtäler: Herr Vosberg, vielen Dank für das Gespräch!
1.4.2015, Dagmar Engesser, www.dreisamtaeler.de