Der Mangel an Fachkräften wird immer größer: Bei den praktisch-handwerklichen Berufen wie auch den theorielastigen Berufen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Seit Jahren hat sich eine Entwertung des Facharbeiters und der Produktivität vollzogen. Die Lösung des Problems wird im Ausland gesucht, indem man die Zuwanderung von Fachspezialisten aus Osteuropa und Übersee fördert – bislang vergebens.
Inländische Ressourcen zu fördern durch Verbesserung des dualen Systems von Lehre und Ausbildung sowie des MINT-Bereichs hingegen ist weitgehend tabu. In D verlassen Jahr für Jahr fast 20 % die Schule ohne Abschluß. Gegenüber dem Studium gilt die Lehre als zweitrangig.
Fachlichkeit gilt als langweilig und eng und zählt immer weniger. Gerd Held (1) beschreibt dies so: „Bei Fachkräften – gelernten oder angelernten Arbeitnehmern – geht es um die Fähigkeit, sich auf die unvermeidbaren Widrigkeiten der materiellen Produktion – ihrer Stoffe, Produkte, Maschinen, physisch-geistigen Beanspruchungen – einzulassen. Dazu gehört, dass man sich im Rahmen einer Arbeitsteilung auf eine Teilfunktion einlassen muss, und dies ausdauernd über Jahre und Jahrzehnte.“ Diese fachliche Fähigkeit ist bei jungen Menschen entwertet worden, nun fehlt sie millionenfach. Lehrberufe wie Betonbauer, Landwirt, Mechatroniker, Heizungsbauer, Pfleger, Installateur, Busfahrer, Zimmerer und Elektriker gelten als zu normal. Es muß schon etwas besonderes sein, man macht eher was „mit Medien“, Soziales, „mit Digitalisierung“, Ökologisches, „mit Internet“ oder „auf Nachhaltigkeit“.
Seit Jahren sinkt der Wert der Facharbeit u.a. auch dadurch, daß staatliche Förderungen in erster Linie der Nicht-Arbeit und der Schein-Arbeit gewährt werden. Zunächst zur Nicht-Arbeit: Mit der Einführung des Bürgergeldes als Ersatz für Hartz IV wird das Lohnabstandsgebot für viele Arbeitnehmer zur leeren Worthülse. Zwischen Leisten und Nicht-Leisten tut sich im Geldbeutel kaum ein Unterschied auf. „Arbeiten lohnt sich für nicht nicht mehr“ hört man immer häufiger. Nur noch ein Drittel der deutschen Bevölkerung (genauer 33,9 %) erwirtschaftet über ihre sozialversicherungspflichtige Arbeit ein Sozialprodukt, aus dem die anderen zwei Drittel Nicht-Arbeitenden dann ihre Transfereinkommen beziehen. Wie lange noch?
Nun zur Schein-Arbeit:
Seit 2014 machen über 50 % einer Schülerjahrgangs das Abitur (gegenüber 20 % in 1960), um dann großenteils zu studieren: Weniger Fächer im MINT-Bereich (s.o.) als im geisteswissenschaftlichen Bereich wie z.B. Soziologie, Philologie, Gender, Anthropologie, Klimapolitik, Kritiker sprechen von Orchideenfächer bzw. Geschwätzwissenschaften, da das Studium in keinem Verhältnis steht zu Wertschöpfung und Produktivität. Da es für die Absolventen des Studiums real nicht genügend Arbeit gibt, müssen Staat sowie NGOs die Arbeitsplätze künstlich schaffen durch neuartige Projekte und schlicht „Erfinden von Arbeit“.
Die Kosten für diese Akademikerschwemme sind immens und der volkswirtschaftliche Nutzen gering. Aus diesem Grunde will die britische Regierung ca 30 % der geisteswissenschaftlichen Studiengänge abschaffen: „Ihr Geld nicht wert“ – Britische Regierung streicht ineffiziente Studiengänge“ (2). Gleichzeitig startet die Regierung Sunak eine Kampagne, in der die Schulabgängern die Vorteile eines Studiums im MINT-Bereich oder einer Lehre im Betrieb bzw. eine duale berufsausbildung erklärt werden.
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Die Klassifizierung in Arbeit, Nicht-Arbeit und Schein-Arbeit mag etwas holzschnitzartig streng sein. Sie möchte auch nicht diskriminieren, sondern nur Trends aufzeigen – und die sind besorgniserregend für die Volkswirtschaft.
19.7.2023
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Ende von Beitrag “ Arbeit, Nicht-Arbeit, Schein-Arbeit“
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Beginn von Anlagen (1) – (2)
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(1) Die Entwertung der Fachlichkeit
Deutschland hat sich in eine fundamentale Arbeitskrise manövriert. Nun rächt sich, dass Nicht-Arbeit und Schein-Arbeit hierzulande eine institutionelle Macht geworden sind.
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Bei dieser Entwertung der Arbeit geht es nicht nur um das Wegsehen, sondern um ganz handfeste Mechanismen, die dazu führen, dass große Teile der Gesellschaft ein Fachkräfte-Dasein „nicht nötig“ haben. Zwei große Entwertungs-Mechanismen müssen hier in den Blick genommen werden. Zum einen gibt es eine Entwertung der Facharbeit gegenüber der Nicht-Arbeit und zum anderen eine Entwertung der Arbeit gegenüber der Schein-Arbeit. „Gegenüber“ bedeutet: Indem die Nicht-Arbeit und die Schein-Arbeit gefördert werden, sinkt automatisch der Wert der Facharbeit.
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Das Tabu – Über das völlig unverhältnismäßige Wachstum der Schein-Bildung und Schein-Arbeit, das in vielen Ländern des Westens zu beobachten ist, herrscht ein merkwürdiges Schweigen. Auch jetzt, wo dringend Fachkräfte gesucht werden (und junge Leute für Lehrstellen), herrscht in diesem Punkt ein großes Schweigen. Man spricht über Maßnahmen, die die Berufstätigkeit von Frauen ausdehnen sollen; man will ältere Arbeitnehmer länger arbeiten lassen und vor allem will man, fast um jeden Preis, Migranten ins Land holen. Aber die Tatsache, dass die Akademikerschwemme dem Land potenzielle Fachkräfte entzieht und das inländische Angebot auf dem Arbeitsmärkt dadurch völlig kopflastig geworden ist, wird kaum erwähnt – und wenn, dann nur in Nebensätzen.
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Die gute Seite der Arbeitskrise – Die Arbeitskrise hat die Regierenden im Grunde überraschend getroffen. Eine Krise von dieser Seite hatten sie nicht erwartet. Auf sie waren sie nicht vorbereitet. Denn mit dem Wegbleiben der Arbeitskräfte ist ein großer und harter Faktor auf den Plan getreten. Die Arbeitskräfte lassen sich nicht dadurch herbeischaffen, dass man ein naives „Weg mit!“ verkündet. Das schafft hier nichts und niemanden herbei. Hier scheitert das Patentrezept der herrschenden Krisenbeschwörung. Mit der „Klimakrise“, der „Migrationskrise“ oder der „Russland-Krise“ hat man sich ja im Grunde ein leichtes Spiel zurechtgelegt. Man gibt vor, diese Krisen – so gigantisch sie auch gemalt werden – ganz einfach durch Ausschaltung eines feindlichen Elements lösen zu können: durch die Ausschaltung der CO2-Emissionen, durch die faktische Abschaffung der Staatsgrenzen oder durch eine Zerschlagung des russischen „Imperiums“. Da konnte jeder mitreden, da brauchte man kein Fachwissen, vom Fachkönnen ganz zu schweigen. Jeder und jede konnte das „Weg mit!“ hersagen und so tun, als spräche er oder sie im Namen „des Planeten“, „der Menschheit“, „der Wissenschaft“, „der Kunst“, „der öffentlichen Meinung“ oder überhaupt „der Zukunft“.
Doch in der Arbeitskrise hilft das alles nicht weiter. Diese Rede klingt auf einmal hohl und abgenutzt. Arbeitskräfte wird man nur wiedergewinnen, wenn man die Entwertung der Arbeit beendet. Aber das wird nur gelingen, wenn man positiv Produktivität und Wertschöpfung rehabilitiert. Wenn überhaupt die moderne Zivilisation, die ja weder „reine Natur“ noch „reine Menschlichkeit“ ist, als Errungenschaft aus eigenem Recht anerkannt wird. Und wenn sich in diesen Wertmaßstab auch „unsere Klimaziele“ und die anderen „höchste Ziele“ einfügen müssen. Dies Einfügen ist etwas ganz Praktisches. Es muss vor allem in der beruflichen Realität der Arbeitswelt stattfinden. Das ist die gute Seite der Arbeitskrise: Sie ist nur lösbar, wenn hier eine Wende zum Fachlichen geschieht.
… Alles vom 17.7.2023 von Gerd Held bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/helds-ausblick/arbeit-die-entwertung-der-fachlichkeit/
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(2) „Ihr Geld nicht wert“ – Britische Regierung streicht ineffiziente Studiengänge
Ein Universitätsstudium soll nicht nur den Wissensstand der Studenten deutlich erweitern, sondern ihnen auch einen guten Start ins Berufsleben sichern. Doch fast 30 Prozent der Abschlüsse führen in Großbritannien auch 15 Monate nach der Qualifikation weder zu einem gut bezahlten Job, der eine höhere Qualifizierung voraussetzt, noch zu einem Anschlussstudium, belegen Daten der Aufsichtsbehörde für höhere Bildung Office for Students (OfS). Und 20 Prozent der Absolventen würden sich heute finanziell besser stellen, wenn sie auf den Besuch einer Universität verzichtet hätten, hat die Denkfabrik Institute for Fiscal Studies errechnet.
Universitäten in England, deren Studiengänge schwache Aussichten auf dem Arbeitsmarkt bieten oder bei denen überproportional viele Studierende aufgeben, bevor sie einen Abschluss erreichen, sollen daher künftig deutlich strengere Regeln unterworfen werden.
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Zu den Maßnahmen gehört eine Begrenzung der Personen in Studiengängen, in denen die Aussichten auf einen gut bezahlten Job oder eine erfolgreiche Selbständigkeit gering sind. 2015 hatte die damalige konservative Regierung den größten Teil der Beschränkungen für Studienanfänger in einzelnen Disziplinen aufgegeben. „In Großbritannien haben wir einige der besten Universitäten der Welt und das Studium für einen Hochschulabschluss kann ausgesprochen lohnend sein“, sagte Premierminister Rishi Sunak. „Aber zu vielen jungen Menschen werden heute falsche Versprechungen gemacht, auf Kosten der Steuerzahler enden sie in Bildungsgängen von minderwertiger Qualität, der ihnen am Ende nicht einmal eine anständige Beschäftigung in Aussicht stellt.“
Gegen diese „Abzocke“ würde seine Regierung daher jetzt vorgehen, kündigte Sunak an.
… Alles vom 16.7.2023 bitte lesen auf
https://www.welt.de/wirtschaft/plus246431328/Bildung-Ihr-Geld-nicht-wert-Britische-Regierung-erstellt-Liste-ineffizienter-Studiengaenge.html