Miteinander reden

Wir müssen miteinander reden, nicht als gehorsame Untertan irgendeiner Ideologie, Politik, Religion, Wissenschaft, Herrschaft bzw. Zeitgeist-Strömung, sondern im offenen Diskurs:
(1) Diskussion zwischen Politik mit den Wissenschaft: „Wir müssen mit dem Virus leben und darüber viel mehr diskutieren, öffentlich, interdisziplinär zwischen den Wissenschaftlern und mit der Politik“ (Prof Streeck, 16.1.2021 auf Phoenix)
(2) Diskussion mündiger Bürger: „Ausgrenzung und Diffamierung von Andersdenkenden im Namen der „Demokratie“ “ als Zeichen gescheiterter Vergangenheitsbewältigung ist endlich durch einen „offenen Diskurs“ zu ersetzen (Boris Reitschuster, s.u.)
(3) Diskussion ohne Angst – auch mit Kindern und Jugendlichen (Hans-Joachim Maaz,
s.u.).
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(1) Diskussion zwischen Politik mit den Wissenschaft einseitig:
Der Virologe Prof. Hendrik Streeck hat im Phönix-Interview zur Coronakrise (s.u.) die mangelhafte Diskussionskultur beklagt. Streeck fehlt in der Diskussion um die Corona-Pandemie die Interdisziplinarität. Der Politik würde es guttun, wenn sie einen breiten Expertenrat aus unterschiedlichen Fachbereichen aufstellen würde, so der Virologe bei „phoenix persönlich“. Also weg von der einseitigen Ausrichtung der GroKo an das RKI in Kiel.
Er klagte auch darüber, daß ihm seitens der Medien mangelnde wissenschaftliche Qualifikation vorgeworfen wurde, um seine Reputation als Virologe in Frage zu stellen. Grund: Prof Streeck hat sich in die öffentliche Diskussion eingebracht und wiederholt die Coronapolitik der GroKo kritisiert – dabei mußte er anstelle einer Diskussion mit dem Abwägen von Argumenten von den Medien die schroffe Abweisung als „falschen Meinung“ incl. Reputationsschädigung erfahren.

Prof. Hendrik Streeck in phoenix persönlich
Der Virologe Prof. Hendrik Streeck hält es für unwahrscheinlich, mögliche Mutationen des Corona-Virus dauerhaft aus Deutschland fernhalten zu können. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.“ ….
„Wenn man das verinnerlicht, dass dieses Virus wahrscheinlich heimisch wird, dass es uns wahrscheinlich unser Leben lang begleiten wird, dann ist das ein ganz anderer Umgang mit dem Virus, dann sind die Infektionszahlen gar nicht mehr so zentral, sondern viel wichtiger ist die Frage: Werden die Menschen krank?“ …
In „phoenix persönlich“ spricht Michael Krons mit Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, über die Fragen, wie gefährlich die Mutationen des Coronavirus sind, welche Maßnahmen die Bevölkerung wirksam schützen und wie die Impfstoffe zu bewerten sind.
… Gesamtes Interview vom 17.1.2021 mit Prof Streeck auf
https://www.phoenix.de/vod/id/2009285
https://www.phoenix.de/sendungen/gespraeche/phoenix-persoenlich/prof-hendrik-streeck-zu-gast-bei-michael-krons-a-1944590.html
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Einige Stichworte/Zitate aus dem Interview mit Prof Streeck:
– Wir wissen nicht einmal, ob die Impfung überhaupt vor einer Infektion schützt.
– Erst im Juni/Juli wissen wir mehr über den Erfolg der Impfungen.
– Wir wissen nicht, ob der Impfstoff schützt vor Infektion oder nur vom schweren Verlauf.
– Infektionen sind gar nicht so wichtig, sondern die Schwere der Krankheit.
– Wir werden mit dem Virus leben müssen: Im Frühjahr runter und im Herbst hoch.
– Viren mutieren, vom Sars-CoV-2-Virus gibt es über 4000 Mutationen.
– Gezielte und spezielle Maßnahmen sind erforderlich, nicht die Rundum-Methode „mit dem Hammer“. Mit „Hammer“ meinte Streeck wahrscheinlich den Lockdown.
– Was mich am meisten getroffen hat, sind die Angriffe gegen meine Person, um meine wissenschaftliche Reputation in Verruf zu bringen.
– Die Wissenschaftler der unterschiedlichen Disziplinen, neben Virologen und Epidemieologen auch Soziologen, Psychologen, Physiker, Wirtschaftswissenschaftler, … sollten miteinander diskutieren. Untereinander und in den Medien.
„Der Politik würde es guttun, wenn sie einen breiten Expertenrat aus unterschiedlichen Fachbereichen aufstellen würde“
https://www.facebook.com/Phoenix/videos/444668930047424/?t=4
– Die Politik muß entscheiden. Aber sie muß alle tangierenden wissenschaftlichen Fachrichtungen hören.
– Wir dürfen nicht emotional argumentieren, der Jumbojet-Vergleich (tägliche Coronatote wie bei einem Flugzeugabsturz) von Söder ist Angstmache und Unsinn.
– Mein Wunsch: Wir sollten viel mehr miteinander diskutieren, in der Öffentlichkeit. Weniger abwertender Streit als ehrlicher Diskurs.
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Prof Streeck bei Lanz am 1.4.2020:
https://www.youtube.com/watch?v=VP7La2bkOMo
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(2) Diskussion mündiger Bürger – Fehlanzeige:
Boris Reitschuster, früher 16 Jahre Korrespondent der ARD in Moskau, erklärt das Fehlen einer Diskussionskultur in der Gesellschaft mit der gescheiterten Vergangenheitsbewältigung: Es ist Bürgern als gehorsamen Untertanen und Medienleuten als willfährigen Claqueuren eben nicht klar, „dass eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte sein muss, Menschen mit anderen Meinungen nicht auszugrenzen, nicht zu diffamieren, sondern sie in den demokratischen Diskurs einzubinden. Dass heute genau das Gegenteil in Deutschland geschieht, dass die Regierenden dabei nicht nur aktiv mitmachen, sondern genau das anheizen, ist ein später Triumph Hitlers und seiner Mitverbrecher.“
Und dann:
„Corona zeigt: Große Teile von Politik, Medien und Gesellschaft haben Demokratie nie wirklich begriffen. Sie ist für sie immer eine äußere Fassade geblieben, ein Ritual. Anders wäre die Ausgrenzung und Diffamierung von Andersdenkenden im Namen der „Demokratie“ und die bei Personen wie Söder und Lauterbach fast schon wollüstige Freude am Abschaffen von Grundrechten und die Akzeptanz bei einer Mehrheit dafür nicht zu erklären.
Die finsteren Urkräfte, die nicht typisch deutsch sind, aber bei uns doch besonders ausgeprägt, die wir für überwunden hielten – sie sind wieder da. Wieder treten sie in Deutschland besonders heftig zum Vorschein. Wieder ist der Gehorsam besonders groß und vorauseilend, das Hinterfragen besonders gering und verdächtig, der bürokratisch-technische Eifer, ja Erfindungsreichtum beim Durchsetzen, Übertreiben, ja Pervertieren von Maßnahmen deutlich größer als anderswo. Der Lack von 75 Jahren Pluralismus ist weg.“
… Alles vom 17.1.2021 von Boris Reitschuster zu „Corona: Der späte Triumph des Totalitären“ lesen Sie bitte hier auf der „Untertan“-Seite.
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(3) Diskussion ohne Angst – auch mit Kindern und Jugendlichen:
In seinem Buch zur Corona-Angst erklärt der Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz, warum mündige Bürger plötzlich zu überängstigten Untertanen werden: All die Ängste um die von der GroKo in den letzten Jahren verursachten Krisen – wie Energie-, Migrations-, EU-Finanz-, Klima- und Sozialstaat-Krise – werden durch die Coronapolitik auf eine einzige Angst gebündelt bzw. fokussiert: auf die Angst, am Covid19-Virus zu sterben. Diese Todesangst dominiert alles.
Maaz drückt dies so aus: „Die Realangst vor einer Infektion, unverantwortlich politisch-medial und von einigen Wissenschaftlern permanent aufgebauscht und mit fragwürdigen Zahlen geschürt, ist hervorragend geeignet, alle latenten Ängste der Menschen zu aktivieren und dann suggestiv auf eine Virusgefahr zu projizieren“.
Der so verängstigte Bürger stimmt allen Grundrechtbeschränkungen incl. Lockdowns untertänigst zu.
Weniger als 1 Prozent der Bevölkerung sind von Covid 19 betroffen, davon die meisten davon in Alten- und Pflegeheimen. Gleichwohl verhalten sich die anderen über 99% der Bürger als verängstigte Untertanen: „Auf der Symptomebene sind die Menschen eingeschüchtert, geängstigt, zum Gehorsam unterworfen und durch Spaltung in Pro und Kontra am wirksamen Protest und an der Mitbestimmung“ über die „neue Normalität“, die es laut unseren Politikern nach Corona geben soll, gehindert.
Lessen Sie mehr dazu hier: Maaz: Kritiker als Schuldige (12.1.2021)
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Als Psychiater legt Maaz legt nicht das Individuum, sondern die gesamte Gesellschaft auf die Psychoanalyse-Bank. Er spricht von der „psychisch kranken Gesellschaft“. Wenden wir uns nun dem einzelnen Patienten zu, vornehmlich Kindern und Jugendlichen:
Kinder wachsen in Familie und Schule in einer von Normopathie geprägten, gespaltenen Gesellschaft heran, in der „eine Mehrheit der Bevölkerung im Denken, Fühlen und Handeln ‚gleichgeschaltet‘ ist. Es dominiert dann die Überzeugung, was alle, zumindest eine angenommene Mehrheit, für richtig und gut befinden, das kann ja nicht falsch sein.“ (Maaz: „Das gespaltene Land“, S. 45). Kinder erfahren schon von klein auf die daraus folgende Trennung in Gut und Böse.
„“Mit denen reden wir nicht!“ ist undemokratisch-diskriminierend. „Mit denen müssen wir doch reden, damit sie endlich einsehen, daß sie falschliegen!“ ist undemokratisch-arrogant“ (S. 110). Dabei müssten die Heranwachsenden das freie Argumentieren, Ja-und-Nein, Hervorbringen von Ideen, Abwägen, Palavern, Streiten um Pro und Contra, Kompromiß finden, Akzeptieren unterschiedlicher Meinungen, usw. doch von der frühen Kindheit an einüben und lernen.
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Ein Beispiel zum Geschichtsunterricht im Gymnasium: Zum 150. Jahrestag der Gründung des Nationalstaats am 18.1.1971 wird das Zitat von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besprochen: „Es war ein kurzer Weg von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg“.
Dieser Verteufelung des Kaiserreichs im Sinne von ‚ohne Kaiser kein 1.Weltkrieg‘ stimmen die Schüler nach kurzer Aussprache zu – was bleibt ihnen hinsichtlich der Mehrheits-Norm „Kaiser = Nation = rechts = böse“ auch anders übrig? Eine unterrichtliche Alternative wäre:
1) Schüler suchen im Quellenbuch, 2) Kurzreferate ihrer Sichtweisen, 3) Diskussion mit Argumenten und Gegenargumenten und 4) Resumée mit offenem Ausgang.
Doch eine solche Offenheit der Diskussion erfahren Schüler heutzutage kaum noch – welcher Schüler würde wagen, für den Nationalstaat zu plädieren? Dazu Maaz: „Wenn eine Meinung deshalb abgelehnt wird, weil sie vom politischen Gegner instrumentalisiert werden könnte, dann halte ich das für undemokratisch und arrogant.“ (Seite 109).
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„Die Normopathie begrenzt die äußere Freiheit und bindet alle ‚Mitspieler‘ an ein kollektives Anliegen im Pro und Kontra“ (S. 82). Als Norm gilt in der derzeitigen Coronakrise „Im Lockdown impfen bis zur Inzidenz unter 50“. Diese zu diskutieren erscheint nicht möglich.
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Hans-Joachim Maaz et al: Corona-Angst – Was mit unserer Psyche geschieht
Frank & Thieme2021, 184 Seiten, 16,90 euro
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Hans-Joachim Maaz: Das gespaltene Land – ein Psychogramm
C.H.Beck 2020, 218 Seiten, 16,95 Euro
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Fazit: Wir müssen miteinander sprechen. Wir müssen miteinander sprechen können, frei, ohne Angst, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Auch über Corona! Keine Demokratie ohne Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und Diskussion.
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Zur Erinnerung sei dieses erstaunliche Statement von Bundespräsident Steinmeier vom 26.12.2018, also vor zwei Jahren, angefügt:
„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir haben es, Sie haben es in der Hand: Sprechen Sie mit Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind! Sprechen Sie ganz bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem Sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten. Ein Versuch ist das wert. Das ist mein Weihnachtswunsch an Sie. Und das ist auch mein eigener Vorsatz für das nächste Jahr. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft mit sich im Gespräch bleibt!“
Leider blieb dieser Wunsch bislang unerfüllt.
18.1.2021

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