Einseitigkeit

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Leichentransporte in Bergamo 2020 – angeblich wegen Corona

 

Der Krieg und die Leitmedien – Einseitige Kriegsberichterstattung
Über die fatale Rolle der Medien im Krieg, genauer in den Kriegen, schreibt der deutschstämmige Schweizer Journalist Helmut Scheben bittere Wahrheiten. Wie die Medien in der ganzen westlichen Welt einseitige Kriegspropaganda übernehmen bis hin zu grotesken, angeblichen Gräueltaten, gefertigt in den Werbeagenturen Amerikas: vom Irak über den Kosovo bis hin nach Libyen und zur Ukraine. Ein schockierender Augenöffner.

Die wirklichen Probleme der meisten Menschen, der Krieg in der Ukraine, der eskalierende Konflikt zwischen USA und China, also Vorgänge, die das Leben von Millionen Steuerzahlenden derzeit verändern und künftige Generationen belasten werden (Aufrüstung, Inflation, Energiepolitik, Sanktionspolitik, Asylwesen etc.), werden aber in unseren führenden Medien mit einem derart reduzierten Blickwinkel dargestellt, dass es mich fassungslos macht. Die Realitätsverweigerung erfolgt mit einer an Tollwut grenzenden Selbstverständlichkeit.

Von 100 Artikeln gibt es keine fünf aus der Sicht der anderen Kriegspartei
Ich habe mir die Mühe gemacht, als Beispiel den Zürcher Tagesanzeiger, den ich abonniert habe, auf Einseitigkeit zu prüfen. Vom Angriff Russlands im Februar 2022 bis zum Jahresende 2022 habe ich rund einhundert Artikel angeschaut, die direkt vom Ukraine-Krieg handeln. Beim hundertsten Bericht war ich erschöpft von immer dem Gleichen. Fast alle schildern das Leid und das Heldentum der Westukraine in dem russischen Angriffskrieg und – in schrillen Farben – die Verbrechen Russlands.
Kenner von Waffensystemen und Geostrategie repetieren unaufhörlich, warum Russland besiegt werden muss, und die Investigativen kennen nichts anderes mehr als die Jagd nach irgendeinem Russen oder einer Russin, denen man noch das Vermögen enteignen könnte. Auf hundert Artikel habe ich keine fünf gefunden, die berichteten, was auf der anderen Seite der Front passiert. Das Leid der pro-russischen Ukrainer unter den Raketenangriffen und dem Artilleriefeuer der Ukrainer ist keiner Erwähnung wert. Die Menschen selbst scheinen dort für unsere großen Medien nicht zu existieren. Berichtet wird ausschließlich mit der Optik der NATO, also mit der Optik einer Rüstungs-Lobby, die weltweit als Brecheisen der Ordnungsmacht USA funktioniert.
Die Einseitigkeit der Berichte entspringt der Einseitigkeit der Quellen. Neben dem unausweichlichen britischen Geheimdienst (ob 007 mitarbeitet, bleibt bisher im Dunkel) sind die täglichen Quellen unserer «Benachrichtigung»: Präsident Selenskyj und seine Entourage in Kiew sowie seine Freunde in Brüssel, London, Washington und die zugehörigen Experten und NATO-Denkfabriken. Die Russen erscheinen hauptsächlich als Verbrecher, die ihre Verbrechen leugnen.

In den Jahren vor dem russischen Angriff registrierten die OECD-Beobachter täglich Artilleriedetonationen, im Februar 2022 schließlich hunderte Explosionen pro Tag. Weit mehr als zehntausend Tote haben die Kämpfe in der Ostukraine zwischen 2014 und 2022 gefordert. Dieser Krieg hat also nicht im Februar 2022 begonnen. Haben unsere Zeitungen darüber berichtet? Sie haben es unter den Teppich gekehrt. Sie sehen nur, was sie schon wissen. Das heißt: Sie wissen immer schon, was sie sehen werden. Also das, was ich jeden Morgen in den Zeitungen lesen kann. Und somit das, was ich nicht mehr lesen muss, weil ich schon weiß, was es ist, bevor ich die Zeitung aufschlage.
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Das Wort Lügenpresse trifft die Sache nicht. Die Sache ist komplizierter
Der Medien-Wissenschaftler Uwe Krüger hat dokumentiert, dass die meisten Alphatiere der etablierten Medien Mitglieder in NATO- und US-affinen Institutionen sind. Natürlich gibt es den Faktor Zwang und Anpassung, etwa die bekannte Tatsache, dass im Axel Springer Verlag (Bild, Die Welt) jeder Mitarbeiter den Statuten zustimmen muss, die die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität mit den USA einfordern.
Gleichwohl sollte man vorsichtig sein mit dem Schmähwort „Lügenpresse“. Die Sache ist unendlich komplizierter. Da ist zum einen, was die News-Gefäße angeht, ein System, das auf Verkürzung und überhöhten Drehzahlen beruht. Der Philosoph Paul Virilio sprach von einer «Industrie des Vergessens», die mit neuen Nachrichten unaufhörlich zuschüttet, was eben noch gemeldet wurde. Ein Nachrichten-Apparat, der stark zerkleinerte Bruchstücke von Ereignissen produziert, kann keine Zusammenhänge und Hintergründe liefern, selbst wenn wohlgesinnte Journalistinnen und Journalisten dies wollten.
Und sie wollen es. Ich habe in meinem ganzen Leben kaum Medienleute getroffen, die fälschen oder unredlich berichten wollten. Die Leute lügen nicht, sondern sie sind meist überzeugt von dem, was sie sagen und schreiben. Sie sind in ihrer ganzen Lebensgeschichte, in ihrer Ausbildung und in ihren sozialen Kontakten geprägt und eingebunden in der Weltsicht ihrer Umgebung. Da ist dieser «riesige Brocken Wahrheit», den der israelische Historiker Shlomo Sand «implantiertes Gedächtnis» genannt hat: «Wir alle werden in ein Universum von Diskursfeldern hineingeboren, das die ideologischen Machtkämpfe früherer Generationen geformt haben. Noch ehe sich der Geschichtswissenschaftler das Rüstzeug zu einer kritischen Hinterfragung aneignen kann, formen all die Geschichts-, Politik- und Bibelstunden in der Schule, die Nationalfeiertage, Gedenktage, öffentlichen Zeremonien, Straßennamen, Mahnmale, Fernsehserien und sonstige Erinnerungssphären seine Vorstellungswelt. In seinem Kopf liegt ein riesiger Brocken ‘Wahrheit’, den er nicht einfach umgehen kann.» (Shlomo Sand: Die Erfindung des jüdischen Volkes. S. 40)
Das Problem einer Branche, die unter dem Namen Journalismus der täglichen Wahrheitsfindung dienen soll, ist jedem Zauberkünstler und Taschenspieler geläufig: Wahrnehmung wird nicht von tatsächlichen Ereignissen bestimmt, sondern von Erwartungshaltungen. Von einem riesigen Brocken „Wahrheit“.
… Alles vom 31.7.2023 von Helmut Scheben bitte lesen auf
https://www.emma.de/artikel/so-verlor-ich-den-glauben-die-etablierten-medien-340467

Der Text erschien zuerst auf dem Schweizer Politblog Global bridge.
https://globalbridge.ch/so-verlor-ich-den-glauben-an-die-etablierten-medien/

Zum Autor: Helmut Scheben (*1947 in Koblenz, Deutschland) studierte Romanistik in Mainz, Bonn, Salamanca und Lima. 1980 promovierte er zum Doktor phil. an der Universität Bonn. Von 1980 bis 1985 war er als Presseagentur-Reporter und Korrespondent für Printmedien in Mexiko und Zentralamerika tätig. Ab 1986 war er Redakteur der Wochenzeitung (WoZ) in Zürich, von 1993 bis 2012 Redakteur und Reporter im Schweizer Fernsehen SRF, davon 16 Jahre in der Tagesschau.