In der Nacht 20./21 Februar 1944 stürzte ein kanadischer Bomber am Silberberg oberhalb Hinterzarten ab. Über die Geschehnisse jener Zeit ist inzwischen eine Dokumentation erschienen. Alle 7 Besatzungsmitglieder überlebten und wurden gut behandelt. Theo Gremmelspacher aus Hinterzarten und Elmar Wiedeking aus Sipplingen haben eine Dokumentation erstellt.
„An den beiden Tagen im Februar 1944 flogen insgesamt 1747 viermotorige Bomber der kanadischen und englischen Royal Air Force und 1899 Bomber der amerikanischen Luftwaffen Einsätze über Deutschland. Begleitet wurden sie von 1514 Jagdflugzeugen und Jagdbombern. Flugzeuge, die so schwer beschädigt waren, dass sie nicht mehr nach Großbritannien zurückfliegen konnten, oder die schwerverletzte Besatzungsmitglieder an Bord hatten, versuchten oft, aus dem süddeutschen Raum die Schweiz zu erreichen. Allein 100 Flugzeuge notlandeten in Dübendorf bei Zürich. Aber nicht alle hatten dieses Glück. Am 15. April 1943 stürzte eine Wellington-Maschine beim Plattenhof in St. Peter ab. Der 20-jährige Pilot wurde getötet, die übrigen vier Besatzungsmitglieder gefasst und in verschiedene Gefangenenlager gebracht. Am 18. März 1944 starben bei einem Absturz in Dittishausen drei der zehn Soldaten. Die sieben Überlebenden sollten auf Anordnung des Kreisleiters von Neustadt gelyncht werden. Anwohner und ein Arzt, der die Verletzten behandelte, verhinderten die Morde. Der Großteil der Besatzung des am 21. Juli 1944 in Schollach abgestürzten Bombers hatte weniger Glück. Der Kreisleiter ließ alle überlebenden Soldaten erschießen, die er in seinem Einflussgebiet gefangen nehmen konnte.
Beim Absturz der Halifax-Maschine in der Nacht zum 21. Februar 1944 in Hinterzarten kamen alle sieben Besatzungsmitglieder mit dem Leben davon. Der Pilot hatte noch versucht, Dübendorf zu erreichen. Doch der Bomber war so schwer beschädigt, dass unmittelbare Absturzgefahr bestand. Nach der Notlandung auf dem mit einer dicken Schneeschicht bedeckten Silberberg oberhalb von Hinterzarten geriet die Besatzung in Gefangenschaft.
Sie erfuhr aber eine menschliche Behandlung. Der wohl rachsüchtige Kreisleiter aus Neustadt war nicht zugegen, als im Bankenhof Polizei und NSDAP-Führer auf einige der abgestürzten Soldaten trafen und diese vernahmen. Der Kreisleiter hatte seinen Stellvertreter geschickt, dem nichts daran gelegen war, die Soldaten zu töten. Die sechs unverletzten Soldaten wurden später in das Landesgefängnis Freiburg gebracht und dann an das Durchgangslager für gefangene Luftwaffensoldaten in Oberursel bei Frankfurt überstellt. Der verletzte Heckschütze kam nach einer Behandlung direkt ins Durchgangslager.
Die Halifax war am 21. Februar um 0.31 Uhr von der Luftwaffenbasis Graveley, etwa 100 Kilometer nördlich von London gestartet. Es war der erste Einsatz nach einer Reparatur und Wartung der Maschine. Die Crew hatte eigentlich Urlaub, wurde aber alarmiert.
Im Großraum Stuttgart verfolgte eine Messerschmitt der Reichsluftwaffe den Bomber. Gegen 3.15 Uhr kam es zum Luftkampf, die Kanadier wurden getroffen. Der kanadische Flight Sergeant Jim Lesley flog noch einige Schleifen über dem Hochschwarzwald. Dann verließ die Crew in rascher Folge die Maschine – als Vorletzter der Pilot selbst. Die Unglücksmaschine hatte da nur noch eine geringe Flughöhe. Der Heckschütze Norman Paisley war wegen Beschädigungen im Heckstand eingeschlossen und konnte die abstürzende Maschine nicht verlassen. Sie prallte wenige hundert Meter von der Silberberghütte entfernt auf. Die Hütte war in dieser Nacht von mindestens drei Besuchern belegt, die aber nichts gehört hatten. Erst Tage später besichtigten zwei von ihnen die Absturzstelle und trugen in das Hüttenbuch ein: „Wir schwebten in größter Lebensgefahr.“ Das Flugzeugwrack wurde von Foto Milotor aus Neustadt im Bild festgehalten. Dabei tummelten sich Kinder im zerstörten Cockpit.
Das Wrack des Bombers, der am 21. Februar 1944 am Silberberg abgestürzt ist. Auf dem Schild hinter der Frau der Hinweis „Vorsicht Blindgänger“ – Foto: Privat
Theo Gremmelspacher sammelte viele Unterlagen zu dem Absturz und führte Gespräche mit Zeitzeugen. Margarete Weber, geboren 1930, aus Hinterzarten, hatte in ihrem Tagebuch den Absturz des „Riesendings“ vermerkt. Ihr Bruder Erich Weber ergänzte, kurz vor der Landung soll der Pilot noch zwei Bomben abgeworfen haben: „Die Trichter im Waldgebiet sind noch sichtbar.“ Auch Meinrad Zähringer, damals Schüler der achten Klasse, kannte den Absturzort und die Bombentrichter: „Unsere Klasse musste morgens um acht Uhr zur Suche nach dem Piloten antreten.“ Sie hatten jedoch keinen Erfolg und haben die Aktion um 14 Uhr abgebrochen – „auch weil wir Hunger hatten“. Bei der Rückkehr erfuhren die Schüler, dass sich ein Pilot im Sägerhaus beim Henslerhof versteckt gehalten hatte und nach einiger Zeit in den Bauernhof gegangen war, um zu fragen, ob er hier in der Schweiz ist. Ein weiteres Besatzungsmitglied tauchte im Gasthof zum Bären im vorderen Bärental auf. Auch der Mitschüler August Hitz, wohnhaft in der Bruderhalde, erinnerte sich an die sieben Besatzungsmitglieder. Xaver Drescher von der Erlenbruck besichtigte das anfänglich von Hitlerjungen bewachte Wrack ebenso wie Alfred Kapp vom Windeckweg. Auch Albert Feser (Bartleshof), Berta Schubnell (Bankenhof), Karl Steiert (Helmlehof) erzählen in der Broschüre von ihren Begegnungen mit der Crew. Die Besatzungsmitglieder Ray Davis (Schütze), Jack Whitehouse (Funker) und Fred Stephens (Navigator) schilderten bei einer Befragung die Vorgänge während der letzten Minuten in der Maschine. Sie erinnerten auch an Aussagen des Piloten Jim Leslie, von Dennis Male (Flugingenieur), Owen Roberts (Bombenschütze) und Norman Paisley (Heckschütze). Der 1920 in Toronto geborene Kanadier Fred Stephens war von 1960 bis 1964 in Zweibrücken stationiert und besuchte „sein Gefängnis“ in Freiburg.
Einige seiner Kameraden hatten sich in England niedergelassen und ebenfalls Kontakte nach Deutschland geknüpft. Das kanadisch-englische Septett behielt das geradezu gastfreundliche Verhalten der Bewohner von Hinterzarten, Bärental und Saig in bester Erinnerung. Die Hochschwarzwälder sowie die Hilfe suchenden Soldaten erkannten den Mensch im Gesicht des Gegners und behandelten einander mit Respekt, resümierte Gremmelspacher. Angesprochen auf die vielen Toten im Bomberkommando der englisch-kanadischen-amerikanischen Airforces antwortete Fred Stephens: „Wir, die überlebt haben, hatten einfach nur Glück. Großes Glück.“ An jenem 21. Februar 1944 hatten aber auch die Bürger der Gemeinde Hinterzarten Glück, dass bei dem Absturz niemand verletzt oder getötet wurde. Im Vorwort heißt es dazu: „Krieg trennt und verbindet die Menschen. Eine Aussage, die auf den ersten Blick paradox zu sein scheint. Bei genauerem Hinsehen ist sie jedoch zutreffend.“ Denn Krieg verbinde die Menschen aller Nationen zu einer Schicksalsgemeinschaft im Leben und im Tod.
Auszug aus der Broschüre „Absturz der Halifax JP121 TL-U am Silberberg – Hinterzarten, 21. Februar 1944“.
Erhältlich bei Theo Gremmelspacher, Birkenweg 18, Hinterzarten.
Mehr Infos zu Hinterzarten und Höllental ab 1944:
https://www.freiburg-schwarzwald.de/hinterzarten1944-1948.htm