Friedens- statt Kriegsrhetorik

Kriege sind falsch. Kriege werden immer nur über Friedensverhandlungen beendet. Deshalb müssen Politik wie Medien ihr Hauptaugenmerk auf Verhandlungen setzen, nicht auf den Krieg. Das tun sie aber nicht, Kriegsrhetorik herrscht. „Das wird Russland ruinieren“ – sagt nicht ein trunkener Stammtisch’ler, sondern so gibt Aussenministerin Annalena Baerbock ihre Vernichtungsphantasien ungeniert preis. Gegen alle Gepflogenheiten der Diplomatie.
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Auch die Massenmedien machen es sich seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch von Putin’s Truppen in die Ukraine am 24.2.2022 einfach: Ukraine gegen Russland heißt so viel wie Gut gegen Böse. Gut wird unterstützt und Böse wird mit Hass und Hetze bekämpft. Will sagen: Wenn der Aggressor besiegt ist, dann kehrt Frieden ein – wenn es nur so einfach wäre, dieses Wunschdenken.
Die Medien sollten sich von der Kriegsrhetorik eines Gauck’schen „Dunkeldeutschland“, das nun „Frieren für die Freiheit“ zu üben hat, verabschieden und einer Friedensrhetorik zuwenden, die die Exekutive, Legislative und Judikative kritisch hinterfragt.

Seit sechs Wochen überschütten uns die Medien tagaus tagein mit furchtbaren Bildern von Zerstörung und Leid. Wozu? Um die Absatzzahlen bzw. Visits zu steigern – ja. Um den Ruf nach Entsendung von noch mehr Waffen zu fördern – ja. Warum lädt der ARD-Presseclub am 10.4. vier Journalisten ein, die mit der Lieferung von schwerem Gerät incl. Panzer und Flugzeugen den Eintritt von Deutschland in den Krieg in Kauf nehmen, aber keinen einzigen, der primär auf Verhandlungen hin arbeitet.

Russland-Bashing ist Kriegsrhetorik: Die in Deutschland lebenden Russen werden in Sippenhaft genommen. Sie sind plötzlich die Bösen, auch ihre Kinder in der Schule. Von russischen Künstlern wird hierzulande ein „Bekenntniszwang im voraus“ gefordert (Gergiev, Netrebko) – so ganz wie in einem totalitären System.

Auch Sanktionen sind Kriegsrhetorik: Embargos bzw. Sanktionen als Beschränkungen im Außenwirtschaftsverkehr waren in der Geschichte noch nie friedensstiftend. Ein Einfuhrstopp von Erdöl und Steinkohle ist wirkungslos – China und Indien warten auf sofortige Abnahme. Anders beim Erdgas aufgrund (noch) fehlender Rohre: 36% des Gasimports geht an die Industrie und 31% an Privathaushalte (ohne Fernwärme und BHKWs) Jede zweite Wohnung heizt mit Gas. Ohne die 36% russisches Gas der Industrie würde unsere Volkswirtschaft zusammenbrechen, bleibt also nur der Stopp der 31%, um so Putin zu schaden. Auf die Frage eines TV-Zuschauers im Presseclub am 10.4. „Warum verzichten die Privathaushalte nicht vier Monate auf Gas aus Russland?“ verweigerten die vier Journalisten jegliche Antwort – feige.
Wie kompliziert sich die deutsche Gas-Abhängigkeit gestaltet, zeigt folgendes: Die Ukraine als weltweit sechsgrößter Erdgasverbraucher bezieht 25% aus eigener Förderung, 35% aus Russland und 40% aus Turkmenistan via Leitungen durch Russland. Zudem leitet die Ukraine Gas von Russland durch ihr Territorium nach Europa weiter, wofür sie 3 Mrd USD/Jahr von Putin kassiert. All dieses Gas fließt derzeit unverändert. Warum verlangt Selenskyj von uns Deutschen ein Gas-Embargo, warum fängt er nicht bei sich selbst damit an und stoppt den Gasfluß? Diese hypothetische und provokante Frage zeigt, wie sinnlos Embargos bei den so eng verzahnten Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen sind und wie scheinheilig der Vorschlag des Alt-Bundespräsidenten Gauck zum „Frieren für die Freiheit“ ist.

Die Kriegsrhetorik hierzulande einschließlich Russenhass muß aufhören. Russland und das russische Volk werden immer unsere Nachbarn sein, auch nach Putin. Als Land in der Mitte  muß sich Deutschland auf Friedensrhetorik besinnen. Eine Möglichkeit hierzu bietet der gewaltfreie Widerstand, wie ihn z.B. der Pazifist Jürgen Grässlin beschreibt. Warum schweigen alle Medien hierzu so verbissen?
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Und was tut das Parlament? Rückblickend bot sich im Deutschen Bundestag am 7.4.2022 ein eher jämmerliches Schauspiel: 735 wohldotiert-satte Abgeordnetinnen und Abgeordnete ergehen sich einen ganzen Tag lang über eine gegen das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit gerichtete Impfpflicht, während gleichzeitig in der Ukraine der Krieg tobt.
Hat das hohe Haus in Berlin jemals einen ganzen Tag lang darüber diskutiert, ob man immer noch mehr Waffen ins Kriegsgebiet liefern soll oder ob es stattdessen seine Hauptaktivitäten nicht besser auf die Unterbreitung von Angeboten bzw. Deals zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine richten soll? Nein! Obwohl Kriege immer nur über Verhandlungen beendet werden.
Am 7.4.2022 offenbarte Kanzler Olaf Scholz dazu seine Prioritäten so: Er ließ seine Außenministerin von Brüssel (Kriegsberatungen) nach Berlin (Impfung-Blabla) einfliegen, damit sie ihr Stimmkärtchen zur Einführung der Impfpflicht in den Wahlkasten einwerfen kann – was sie dann auch mit Bravour tat.
Warum tagt der Bundestag nicht immer und immer wieder, um neue Vorschläge zur Beendigung des Kriegs zu diskutieren, Vermittlungsdienste anbieten und Deals zu erarbeiten? Warum sind die MdBs nicht überall im In- und Ausland pausenlos unterwegs, um für Friedensgespräche zu werben? Warum übt die Regierung nicht Druck aus auf Russland wie auch die Ukraine, damit diese irgendeinem Kompromiss zuzustimmen (Neutralität, Krim, Volksabstimmung im Donbass)?
Liegt Friedensrhetorik etwa nicht im deutschen Interesse?
7.4.2022

 

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