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„Der Philosophieprofessor ist an die Universität angepasst wie der Pinguin an die Antarktis.“
Peter Sloterdijk
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Mobbing von Professoren: Wissenschaft unter Druck
Immer öfter erleben Professoren Mobbing und Machtmissbrauch an der eigenen Universität. Auf diese Weise soll wissenschaftlicher Konformitätsdruck erzeugt werden. Hier berichtet ein Betroffener, mit welchen Methoden die Wissenschaftsfreiheit unter Druck gesetzt wird.
Ordentliche Professoren sind in Deutschland in der Regel Staatsbeamte und damit unbefristet beschäftigt. Ihre Entlassung erfordert besonders starke Gründe und setzt im Regelfall gestufte Disziplinarmaßnahmen und eine gerichtliche Entscheidung voraus. Diese Sicherung des Professors gilt als eine institutionelle Gewähr für die Wissenschaftsfreiheit https://www.cicero.de/themen/wissenschaftsfreiheit , die, obzwar grundrechtlich verankert, sonst in der Praxis der Gefahr einer Aushöhlung aus verschiedensten Gründen, etwa politischer, ideologischer, ökonomischer oder persönlicher Art, ausgesetzt werden könnte. Entsprechend schreibt der Verfassungsrechtler Christoph Möllers: „Die erste Bedingung des Schutzes der Wissenschaftsfreiheit ist die Verstaatlichung des Wissenschaftssystems.“ (S.35 https://www.bbaw.de/files-bbaw/user_upload/publikationen/Broschuere-WiD_14_PDF-A-1b.pdf ).
Diese Sicherung funktioniert, so zeigt der Index der Wissenschaftsfreiheit (Academic Freedom Index, AFI), in Deutschland auch tatsächlich hervorragend – es gehörte Ende 2023 zur ersten Kategorie, wenngleich an elfter Stelle und deutlich hinter den Spitzenreitern Tschechien, Estland, Belgien und Argentinien. Österreich nimmt den letzten Platz von 18 in der zweiten Kategorie, die Schweiz in der dritten Kategorie den achten Platz von 19 ein.
https://academic-freedom-index.net/research/Academic_Freedom_Index_Update_2024.pdf Ungeachtet dieser Abstufung befinden sich alle drei Länder nach dem AFI im „grünen“ Bereich und können als Musterbeispiele im weltweiten Vergleich gelten.
Diese glänzende Oberfläche ist jedoch nicht die volle Wahrheit. Sie verbirgt Trübungen.
Doch welcher Professor würde öffentlich über seine Erfahrungen mit Mobbing und Machtmissbrauch universitärer Hierarchien zur Ausübung von wissenschaftlichem Konformitätsdruck berichten wollen? Er läuft Gefahr, sich selbst und seine eigene Hochschule zu beschädigen. Und dennoch gibt es in der universitären Praxis eine Vielzahl von Eingriffen in die Wissenschafts- und Lehrfreiheit, deren Spektrum von invasiven Maßnahmen zur Verhinderung bestimmter Lehr- und Forschungsaktivitäten bis hin zu deren indirekter Lenkung durch Installation mentaler Vorzensur reicht, wodurch Benachteiligungen oder Konflikte sowie auch umgekehrt die Nutzung von Vorteilen begünstigt werden. Auch Auftritte im außerakademischen Raum und damit die Meinungsfreiheit können betroffen sein.-
Wie sich akademische Cancel-Culture wegzaubern lässt
In diesem Artikel soll ein Blick auf universitäre Trübungen der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit geworfen werden, und zwar von einem Betroffenen, der seit mehr als 20 Jahren ordentlicher Professor an einer deutschen Universität ist. Solche Trübungen weichen nur, wenn das Licht der Öffentlichkeit sie durchdringt.
Um weder der Hochschule noch sich selbst zu schaden, wird dieser Artikel anonym verfasst. Die Fallbeschreibung wird auf der Basis von Tatsachen, die der Verfasser selbst erlebt hat, geschildert und zwecks Verhinderung einer Zuordnung zu Fächern, Hochschulen und Personen fiktionalisiert.
Der Autor ist der Redaktion bekannt. Der Artikel wurde von der Rechtsberatung, die den Fall des Autors begleitet, geprüft
Erosion der Wissenschaftsfreiheit
Hochgradig irritierend und wie aus einem anderen Land und einer anderen Zeit wirkt auf den ersten Blick der Buchtitel einer Neuerscheinung: „Wer stört, muss weg! Die Entfernung kritischer Professoren aus Universitäten“ (2024) von Heike Egner und Anke Uhlenwinkel https://westendverlag.de/Wer-stoert-muss-weg/2198 . Das Buch arbeitet Techniken heraus, die für Entlassungen und Degradierungen von Professoren in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den letzten Jahren eingesetzt wurden. Die Fallanzahl der Studien ist zwar auf den ersten Blick überschaubar (60, S. 19), aber stieg seit 2018 (S.19) sprunghaft an, und es könnte eine Dunkelziffer geben. Außerdem dürfte es sich in wohl den meisten Fällen um Angestelltenverhältnisse, zumal befristete, gehandelt haben – hierzu enthält das Buch keine Angaben. Im Unterschied zu verbeamteten Professoren ist im Angestelltenverhältnis, zumal dem befristeten, die Schwelle zu Entlassung und Degradierung um ein Vielfaches niedriger. Bedenklich stimmt, dass neben einem disziplinarisch relevanten Vorwurf wie Führungsfehlverhalten auch „ideologische Unbotmäßigkeit“, die „im öffentlichen Diskurs“ (S.50) gezeigt wird, angeführt wird. Auch „Kontaktschuld“ wurde in Deutschland in einem Fall sogar disziplinarisch wirksam gemacht und der Professor von der Universität an den Verfassungsschutz gemeldet (S. 51).
Degradierung und Entlassung geht oft Mobbing voraus, sei es durch Studenten, den AStA, Kollegen, Amtsträger (Dekane, Behördenleiter) oder Bürger. Hinzu komme, so Egner und Uhlenwinkel, die „Skandalisierung der Äußerungen eines Professors“ (S.51), die durch Medien unter Bezugnahme „auf eine medial verbreitete Mehrheitsmeinung“ (ebd.) erfolge. Hochschulleitungen können auf einen solchen medial ausgeübten Konformitätsdruck einseitig sensibel reagieren und die Sorge um ihren Ruf über die Wissenschaftsfreiheit stellen. Es besteht die Gefahr, dass Mobbing sowie Medienkampagnen von einer Hochschulleitung auch selbst inszeniert oder zumindest angeheizt werden können, um unliebsame Professoren einzuschüchtern oder loszuwerden.
Auch wenn dies im D-A-CH-Paradies der Wissenschaftsfreiheit schier undenkbar erscheinen mag, ist mir ein solcher Fall aus der Schweiz persönlich bekannt. Rechtlich lag kein nachgewiesener Tatbestand vor, aber Mobbingvorwürfe wurden von der Hochschulleitung ungeprüft übernommen und in den Medien hochgespielt, ohne dass der betroffene Professor selbst sich aus dienstrechtlichen Gründen in den Medien öffentlich hätte verteidigen dürfen. Medien können gezielt als Zersetzungstechnik zur Entfernung wissenschaftlicher Störenfriede auch und gerade politisch gewollter Narrative eingesetzt werden. Um weiterer psychischer Zermürbung und jahrelangen Prozessen vorzubeugen, unterschrieb dieser Professor nach 25 Jahren Ordinariat einen Auflösungsvertrag. Außerdem durfte er seinen Professorentitel nicht behalten.
Kein Rauch ohne Feuer – im Februar 2021 gründete sich ein Netzwerk Wissenschaftsfreiheit e.V. https://www.forschung-und-lehre.de/politik/wissenschaftler-gruenden-netzwerk-wissenschafts-freiheit-3457 , das mit rund 70 Personen begann und heute über 750 Mitglieder verzeichnet. In seinem Gründungsmanifest heißt es, Hochschulangehörige würden „erheblichem Druck ausgesetzt, sich bei der Wahrnehmung ihrer Forschungs- und Lehrfreiheit moralischen, politischen und ideologischen Beschränkungen und Vorgaben zu unterwerfen“. https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/ueber-uns/manifest/ Ähnlich beklagte im August 2021 eine andere Wissenschaftlergruppe „eine Reduktion von Wissenschaft als konstruktiv-kritischem Diskurs aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Bereitstellen von Expertise, die dazu dienen soll, politische Maßnahmen daraus abzuleiten und zu rechtfertigen“ (S. 648).
Eingriffe in die Lehr- und Forschungsfreiheit, auch in Verbindung mit außeruniversitären Tätigkeiten der Professoren, könnten weiter verbreitet sein, als aus dem AFI abzuleiten ist, und auch verbeamtete Professoren betreffen. Hierauf deutet eine von der Zeit-Stiftung Bucerius finanzierte Studie zur „Akademischen Redefreiheit. Kurzbericht zu einer empirischen Studie an deutschen Hochschulen“ (2024) hin. Sie kommt zwar für „die große Mehrheit der Wissenschaftler:innen“ „wenig überraschend zu einer positiven Einschätzung der Autonomie und Freiheit im deutschen Wissenschaftssystem“, aber hebt dennoch hervor, „dass erfahrene bzw. selbst vorgenommene Einschränkungen der akademischen Redefreiheit nicht nur auf Einzelfälle beschränkt sind“ (S. 32). Immerhin wollen „21 Prozent der Professor:innen, aber 27 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen“ „in den letzten zwei Jahren ein- oder mehrmals“ „inhaltliche Kritik ihrer Forschung erfahren“ haben, „die als unangemessene Einschränkung empfunden“ wurde (S.16).
Ich hatte an dieser Befragung teilgenommen und gehöre zu diesen „21 Prozent der Professor:innen“. Wie eine solche „unangemessene Einschränkung“ aussehen kann, schildere ich im Folgenden.
Meine Fallgeschichte – fiktionalisiert
Meine – verkürzt und fiktionalisiert dargestellte – Fallgeschichte ist ein Beispiel für Mobbing und indirekte Disziplinierung verbeamteter Professoren. Die im Folgenden beschriebene „Kollegin A“ gibt es in der vorgestellten Form so nicht, und die dem Fallbeispiel zugrundeliegenden tatsächlichen Vorfälle hatten nichts mit Klimaforschung zu tun. Sie haben sich aber ziemlich genau in dieser Weise in den letzten circa drei Jahren in Deutschland ereignet.
Die national wie international über Fachgrenzen hinaus renommierte Kollegin A (Professorinnen insbesondere ab 50 aufwärts sind tendenziell häufiger betroffen, so Egner und Uhlenwinkel, S.6), die für ihren Fachschwerpunkt in der Soziologie bis vor wenigen Jahren viele Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben hatte, befasst sich neuerdings mit der gesellschaftlichen Auswirkung von Studien zum Klimawandel. Sie rückt dabei den Fokus auf kritische Forschung, welche Referenzstudien zum menschengemachten Klimawandel entkräftet, auf denen u.a. die Agenda 2030 mit den Nachhaltigkeitszielen und der Emissionshandel aufbauen. Die Bezweiflung dieser Annahme wird von den Vereinten Nationen als zu bekämpfende Desinformation eingestuft (vgl. zu „Backgrounds“).
Die Kollegin A veranstaltet auf einer interdisziplinären Konferenz im Ausland ein Panel, in welchem Professoren sehr unterschiedlicher Fächer, darunter neben Klimatologen Sozial- und Geisteswissenschaftler, sich kritisch, aber ohne Bezugnahme auf die Politik und rein sachlich aus verschiedenen Perspektiven mit dem gemeinsamen Thema auseinandersetzen. Außerdem schreibt die Professorin A zusammen mit Klimatologen wissenschaftspublizistische Artikel in Zeitungen und Zeitschriften. Es gelingt der Autorengruppen, Artikel sichtbar in Mainstream-Medien zu platzieren und auch ins Fernsehen zu kommen. Einer dieser Artikel geht viral und wird zum „meistgelesenen“ eines Monats, und Interviews zweier ihrer Kollegen aus der Klimatologie lösen einen medialen Entrüstungssturm aus. Die Artikel der Autorengruppe werden jetzt zum Opfer von Faktencheckern, die harte Verrisse – jedoch ihrerseits ohne hinreichende fachliche Grundlage – schreiben, und auch eine der Fernsehsendungen, in der ihre Kollegin B aus der Klimatologie spricht, wird zeitnah gelöscht.
Und dann geht es los
Invasive Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit erfolgen, so meine Erfahrung im eigenen Fall und anderen mir bekannten, wenn der Professor ein politisch gestütztes Mainstreamnarrativ zu einem der „heißen“ Themen mit harten Argumenten angreift, die nicht gut widerlegt werden können, und jenseits des engeren wissenschaftlichen Fachzirkels mit seiner Abweichlerposition eine gewisse gesellschaftliche Sichtbarkeit in den Medien gewinnt, die ggf. politischen Entscheidungsträgern und Behörden, die bisher das Mainstreamnarrativ nutzen, schaden könnte.
Die Universitätsleitung bestellt die „umstrittene“ Professorin A zum Gespräch ein. Ihr werden Vorhaltungen gemacht, die Universität in schlechtes Licht zu rücken, es „herrsche beständiger Verkehr mit Beschwerden“, „dies müsse unbedingt sofort aufhören“. Auf die Nachfrage, wer denn Beschwerden vorbringen würde, erfährt die Kollegin, dies seien „Kolleg:innen, Student:innen, Bürger:innen, alle möglichen Leute“. Der Kollegin A wird ferner vorgehalten, ihren Professorentitel zur Legitimierung von Aussagen, die sie fachlich gar nicht einschätzen könne, zu missbrauchen und als sogenannte „Klimaleugnerin“ zu agitieren. Solche Äußerungen seien nicht von der Wissenschaftsfreiheit geschützt. Sie möge daher bitte zukünftig bei öffentlichen Auftritten und Zeitungspublikationen ihren Titel nicht mehr angeben und vor allen Dingen nicht, an welcher Universität und in welchem Fach sie als Professorin tätig sei. Sie möge bitte Abstand davon nehmen, Wissenschaft zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren. Aber natürlich bleibe ansonsten ihre Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit unangetastet.
Zu Vorladungen solcher Art bemerkte treffend Professor Michael Hartmer, Rechtsanwalt und bis 2021 Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes (DHV): „Obwohl es schon zu allen Zeiten nicht klug war, dem Ochsen, der drischt, das Maul zu verbinden, hat es sogar in der jüngeren Universitätsgeschichte nicht an Versuchen gefehlt, unliebsame Meinungen zu verbieten und zu unterbinden. Soweit in der Universität versucht wird, diesen Maulkorb auf die Dienstvorgesetzteneigenschaft des Präsidenten oder Rektors zu stützen, ist dies rechtlich irrelevant und hochschulpolitisch nicht selten peinlich. Es gibt in der Universität gegenüber Professoren kein Weisungsrecht des Dienstvorgesetzten, das ihnen den Mund verbieten könnte.“ https://www.forschung-und-lehre.de/recht/was-darf-ein-hochschullehrer-oeffentlich-aeussern-198
Eine solche Maulkorb-Bitte durch die Hochschulleitung ist keine Weisung, sie ist rechtlich irrelevant, aber sie beschädigt als indirekte Disziplinierung die betroffene Person nicht nur psychisch, sondern zieht auch Beschränkungen in ihrem Tätigkeitsfeld an der Hochschule nach sich, da sie sich der Unterstützung ihrer Aktivitäten durch die Hochschule von nun an nicht mehr sicher sein kann.
Und wie erging es den anderen beteiligten Kollegen an ihren Universitäten? Die Klimaforscherin Kollegin B, deren Fernsehauftritt gelöscht und die besonders heftig in den Medien angegriffen wurde, erhält erst deutlich später eine Gesprächseinladung der Hochschulleitung. Diese fragt sie freundlich nur, ob sie nicht ihre Beurlaubung nochmal verlängern wolle. Ein anderer Kollege C, der zwar kein Klimatologe im engeren Sinne ist, aber u.a. Statistik als fachliches Teilgebiet vertritt, wird ebenfalls in sein Rektorat einbestellt. Der Rektor erklärt ihm, der stellvertretende Direktor einer Bundesbehörde sei mit der Bitte vorstellig geworden, dem Kollegen C nahezulegen, sich nicht mehr zu solchen Themen in den Medien zu äußern. Der Rektor erkundigt sich bei dem Professor C, worum es eigentlich ging, und lässt den Kollegen C Stellung nehmen. Der Rektor befindet alles für in bester Ordnung. Der Kollege C hatte von nun an Ruhe. Die anderen Kollegen dieser Gruppe blieben ungeachtet ihrer medialen Auftritte unbehelligt.
Stornierung von Kosten
In der Fallgeschichte unserer Kollegin A ging der Eingriff noch weiter: Die Hochschulleitung lässt die Kostenerstattungen für die Vorträge einiger Kollegen des Panels auf der internationalen Fachkonferenz im Ausland stornieren, da angeblich deren Themen nicht zum Konferenzthema und überhaupt die Fachgebiete nicht zu dem der Professorin A passen würden, sie selbst möge sich bitte in dienstlicher Forschung auf ihr Fachgebiet der Soziologie beschränken. Auch ihr eigener Vortrag zu gesellschaftlichen Auswirkungen der Klimawandelfrage, den sie auf der Konferenz gehalten hat, könne nicht als Zweck einer Dienstreise anerkannt werden, und die Kosten würden nicht erstattet. Einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit sah die Hochschulleitung darin nicht. Die Nachfrage ergab, die Bewertung der Vorträge als fachlich ungeeignet sei anhand der Themenformulierung im Programm und anhand von Abstracts (die es gar nicht öffentlich zugänglich gab!) vorgenommen worden, und zwar durch die Hochschulleitung selbst, die weder für Soziologie noch für Klimatologie Expertise aufwies. Die Stornierung der Vorträge erfolgte direkt nach dem Medienskandal der Autorengruppe. Unter den Personen, deren Kostenerstattungen storniert wurde, befanden sich die beiden oben erwähnten, auch einzeln besonders stark in den Medien aufgefallenen Kollegen B und C.
Der Professorin A ermöglichte ihre Hochschulleitung keine Anhörung, weder zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfen noch zur Stornierung der Panelabrechnung. Dass die Professorin A sich niemals fachfremd alleine, sondern zu klimatologischen Fragen im engeren Sinne stets zusammen mit entsprechenden Fachkollegen geäußert hat und dass alles, worüber sie in besagtem Panel vorgetragen hat, sehr wohl in ihre fachliche Expertise fällt, hat die Hochschulleitung nicht zur Kenntnis genommen.
Die Professorin A fügt sich dem Konformitätsdruck nicht und publiziert weiter, ausschließlich sachlich, exakt quellenbasiert und argumentativ auch im populären Raum und bei Überschreitung ihrer Fachexpertise nur zusammen mit entsprechenden Kollegen.
Es mehren sich Anrufe und Mails von Kollegen mit dem Tenor: „Wie kannst du nur deinen guten Ruf durch ein Interview mit einer rechtspopulistischen Zeitschrift ruinieren! Und auch noch mit dem hart umstrittenen Herrn Mustermann an einer Podiumsdiskussion teilnehmen!“ Eine andere Kollegin mailt: „Mit Verwunderung und Sorge nehme ich deine politischen Aktivitäten wahr, auf die mich Kolleg:innen aufmerksam gemacht haben. Ich habe mich dazu etwas im Internet umgetan. Ich finde es problematisch, dass du politische Meinungen im Rahmen akademischer Veranstaltungen äußerst und außerdem zu Fragen schreibst und sprichst, die weit über deine Fachkompetenz hinausreichen.“
Die Professorin A wird mit dieser Mail von einer Konferenz ausgeladen, denn sie könne dem Ruf der Veranstalterin und ihrem Forschungsprojekt schaden; und die Mitarbeiterin werde ihren Aufsatz aus einer Tagungspublikation der Professorin A zurückziehen. Auf die Nachfrage, wo die Professorin A sich denn jemals „im Rahmen akademischer Veranstaltungen“ politisch geäußert habe und in welcher Publikation sie „weit über die eigene fachliche Expertise“ hinausgegangen sei, bekommt sie – keine Antwort. Dass beide Vorwürfe einer sachlichen Grundlage entbehren, interessiert die cancelnde Kollegin nicht.
Und die Eskalationsspirale dreht sich nochmals weiter. Nun greift die Hochschulleitung direkt in ihr Tätigkeitsfeld negativ ein: Unsere Kollegin A erhält die Kündigung über den Betrieb ihrer erfolgreichen internationalen Fachzeitschrift mit mehrfachem Double-Blind-Peer-Review, die bisher als Pilot- und Vorzeigeprojekt ihrer Universität galt. Gründe werden ihr nicht genannt. Ein Gespräch wird ihr von der Hochschulleitung verweigert. Via „Flurfunk“ erfährt sie, gewisse Kollegen, darunter die Dekanin, seien in der Hochschulleitung mit Bedenken vorstellig geworden, sie könne die angesehene Zeitschrift politisch missbrauchen. Genau diese Kollegen hatte sie selbst, und zwar aufgrund von langjähriger mangelnder Beteiligung, kurz zuvor aus dem Herausgeberteam auf rechtmäßige Weise entfernt. Sie wollte als Geschäftsführerin ein neues, arbeitsfähiges Team aufstellen. Die Hochschulleitung teilt die Kündigung der Zeitschrift ehemaligen Herausgebern, die bereits unbeteiligte Dritte waren, eigenmächtig per Mail mit. Die Fürsorgepflicht für ihre Professorin A sieht die Hochschulleitung durch solchen einen Freibrief zum Rufmord offenbar nicht verletzt.
Ungeahnte Folgen
Wird sich die Eskalationsspirale noch weiterdrehen? In der nationalen Academia könnte sich alsbald wie ein Lauffeuer herumsprechen, wo besser nicht mehr publiziert werden sollte, wer nicht mehr einzuladen ist, die Doktoranden könnten schwinden, der Hörsaal sich leeren, in Sitzungen und in der Mensa die Kollegin A gemieden werden, ihre neuen Vorhaben für Universitätspartnerschaften, die Gründung eines internationalen Soziologie-Zentrums, eines internationalen, drittmittelbasierten Studiengangs, die Einwerbung einer Stiftungsprofessur usw. durch Dekanin und Hochschulleitung blockiert werden mit Begründungen, wie zum Beispiel, es gebe ja keine Overheadmittel dafür und die Vorhaben würden Ressourcen der Universität beanspruchen. Stellen im Fach der Kollegin A könnten abgebaut werden. Außerdem wird die Kollegin A wahrscheinlich in ein kleineres Dienstzimmer wechseln und studentische Mitarbeiter und Lehrbeauftragte des Fachs ihr Büro aufgeben müssen. Dies deutete unlängst die zuständige Person aus der Verwaltung an: Die Universität wolle 30 Prozent Bürofläche bis 2030 zwecks Erreichung der Klimaziele einsparen. Die freigewordene Bürofläche werde vermietet, und die Räume der Kollegin A und ihrer Mitarbeiter wären besonders gut geeignet.
In einem vertrauten Gespräch eröffnet ein unbeteiligter Kollege der Professorin A, dass er sie bewundere, aber öffentlich könne er das an dieser Universität nicht zeigen. Auch kommen anerkennende Briefe, neue Kontaktaufnahmen sowie Vortragseinladungen. Im Ausland wird sie, Gott sei Dank, auch weiterhin zu ehrenvollen Plenarvorträgen eingeladen. Dort bekommt niemand von dem deutschen Theater etwas mit, und wenn doch, dann wundert er sich.
Ob die Kollegin A in den Frühruhestand gehen oder bis zur Pensionierung in Deutschland Spießruten laufen wird? Die Hochschulleitung würde die Stelle gern neu besetzen. Denn sie will mit Unterstützung des Ministeriums ein Zentrum für Klimaforschung einrichten, für welches erhebliche Zuschüsse winken.
Offenbar gab es also im Fall dieser Kollegin A einen politisch eingebetteten Interessenkonflikt der Hochschulleitung, vielleicht sogar des zuständigen Ministeriums, weshalb gerade sie im Unterschied zu anderen Kollegen ihrer interdisziplinären Forschungsgruppe Einschränkungen in ihrer akademischen Redefreiheit erfahren hat.
Mögliche Gegenmaßnahmen unter Druck gesetzter Professoren
Wie können sich Professoren gegen solche Beschädigungen von Ruf und beruflichem Tätigkeitsfeld durch indirekte Disziplinierung, Mobbing und Cancel Culture seitens ihrer Hochschulleitung zur Wehr setzen? Welche Optionen stehen Professorin A offen?
Es gibt den Deutschen Hochschulverband (DHV), bei dem die Kollegin A als Mitglied Rechtsberatung einholen kann. Der Anwalt für Beamten- und Disziplinarrecht informiert sie bezüglich der unbegründeten Kündigung des Vertrags über den Betrieb der Fachzeitschrift, dass die Hochschule als Teil der öffentlichen Verwaltung auch in einem solchen Rechtsverhältnis einer Verpflichtung zur Begründung ihres Handelns unterliege. Allerdings gebe es keine gefestigte Rechtsprechung, wie weit die Begründungspflicht reiche. Ein entsprechender Rechtsstreit wäre langwierig und würde möglicherweise durch mehrere Instanzen gehen.
Außerdem stehe die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Hochschulleitung bei den Dienstvorgesetzten im entsprechenden Landesministerium und eines anwaltlichen Schreibens mit Forderung nach Unterlassung im Raum. Aber hier gelte, dass vielleicht in einem Ministerium, welches die Einrichtung eines neuen Zentrums für Klimaforschung begrüßt, nicht mit viel Verständnis für die Professorin A zu rechnen sei. Und außerdem will die Professorin A ihrerseits der Hochschulleitung nicht schaden.
Der Anwalt für Beamten- und Disziplinarrecht sieht am Ende nur eine Möglichkeit für sie: den disziplinarischen Selbstreinigungsantrag, welcher die Hochschulleitung zwingen würde, sie von den Vorwürfen zu reinigen, die gegen sie im Raum stehen. Ein solches Verfahren zwinge die Hochschulleitung, die Berechtigung ihrer Vorwürfe aufzuklären. Dies könne dazu führen, dass zukünftig kein weiterer Druck ausgeübt werde. Aber auch ein solches Verfahren gehe mit Belastungen für die Professorin einher.
Universitätsintern gibt es auch eine Möglichkeit zur Unterstützung durch die Ombudspersonen. Kollegin A wird dort vorstellig. Sie erfährt, dass in solchen Fällen eigentlich nichts getan werden kann. Ein Gespräch mit der Hochschulleitung könne vermittelt werden, aber erfahrungsgemäß bringe das nichts. Wirkungsvoller wäre es, die Forschungskommission einzuschalten, welcher dann beide Seiten ihre Sichtweise zur Frage einer Verletzung von Wissenschaftsfreiheit im gegebenen Fall vortragen müssten. Das könne für die Hochschulleitung unangenehm sein. Allerdings könne die Kollegin A mit ihrer Abweichlerposition in der Forschungskommission nicht mit viel Sympathie rechnen, zumal ja das neue Zentrum für Klimaforschung kommen solle …
Die Professorin A hat einen anderen Weg gewählt: in die Öffentlichkeit, aber unter dem Schutz von Fiktion und Anonymität. Denn nicht nur ich allein dürfte solche Erfahrungen machen. Solche Erfahrungen dürfen nicht sein.
Transparenz beendigt Machtmissbrauch
Die fiktionalisierte Fallgeschichte offenbart ein strukturelles Defizit der Universität. Die Annahme, dass die Freiheit in Forschung und Lehre durch Entfristung und Verbeamtung institutionell hinreichend gesichert sei, stimmt nicht. Die institutionelle Stärkung von Verwaltung und Hochschulleitung einerseits und andererseits die Ökonomisierung der Hochschulen zugunsten kompetitiven Wettbewerbs haben die Sicherheit vor Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit unterhöhlt. Ähnlich wie im Robert-Koch-Institut Wissenschaft politischer Weisung unterstellt ist und bei politischen Übergriffen zur Coronazeit keine Remonstration erfolgte, wie der Fall der sogenannten „RKI Files“ zeigt https://vk.com/video346629438_456240644 , besteht auch in Hochschulen die Möglichkeit für politische Steuerung, die über Anreizformen durch Programme hinaus auch mit Druckausübung arbeitet.
Es gibt ein weites Feld direkten und indirekten Konformitätsdrucks, das auch Professoren „zu einer freiwilligen Unterwerfung und zu stillschweigender Zustimmung“ (Rainer Mausfeld, S.30) bringen kann, wenn sie Beschädigungen vermeiden und vielmehr ihre Karriere voranbringen wollen. „Eine Verständigung über die Offenheit des Diskursraums Hochschule und die Bereitschaft, sich von anderen Positionen herausfordern zu lassen“ (S. 32), um erneut die Studie der Zeit-Stiftung Bucerius zur Akademischen Redefreiheit zu zitieren, erscheint heute mehr als angebracht.
Innovation, auf welche Forschung zielt, braucht keinen Kampf ums Überleben des Stärkeren und Anpassung der Mittelmäßigen, sondern vielmehr Freiraum für Dissens und gerade für das, was sich den Forderungen von Markt und Politik widersetzt, sie korrigiert, sich ihnen entzieht und ihnen gerade deshalb vielleicht meilenweit voraus sein könnte.
Um die Freiheit in Forschung und Lehre vollumfänglich zu gewährleisten und sich der direkten wie indirekten Lenkung durch wissenschaftsfremde Interessen aus Politik, Markt und Gesellschaft zu entziehen, bräuchte das Hochschulsystem eine grundlegende Reform. Einen Beginn zur Verbesserung der Situation für ihre Mitglieder könnte aber jede Hochschule heute schon machen: eine unabhängige Anlaufstelle für Mobbing und Cancel Culture einrichten sowie vor allem die Hochschulleitung und alle hierarchischen Machtzentren (Dekanate, Verwaltung) regelmäßigen Audits unterziehen, an welchen alle Mitglieder der Hochschule auf geschützte Weise, damit keine Nachteile für sie entstehen, beteiligt werden.
Machtmissbrauch endet, wenn er öffentlich sichtbar gemacht wird. Transparenz beugt ihm vor.
Nicht zuletzt aber muss der freie Geist in allen Hochschulmitgliedern wehen, denn erst durch uns selbst wird hierarchischer Machtmissbrauch möglich und durch eine akademische Atmosphäre mit Anpassungsdruck gefördert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Diesen Geist können nur wir selbst wiederbeleben. Hierfür braucht es den unbedingten Willen zu Wahrheit und Ehrlichkeit, Interesse, Offenheit und Diskussionsbereitschaft und nicht zuletzt ein hohes Maß an Mut auf der einen und an Toleranz auf der anderen Seite.
Mit der Toleranz aber steht es leider, zumindest was „heiße politische Themen“ angeht, heute in der deutschen Academia nicht gut: „Die Bestreitung des Klimawandels halten 31 Prozent der Befragten für zulässig gegenüber 64 Prozent, die meinen, das sollte nicht erlaubt sein.“ (S.25) https://read.zeit-stiftung.com/report_akademischeredefreiheit/
Es wird Zeit, dass eine Bewegung #metooWissenschaftunterDruck entsteht.
Zuschriften sind willkommen – auch anonym – unter der Mailadresse Wissenschaftunterdruck@posteo.de. Dr. Wolfgang Stölzle, selbst Betroffener und bekannt mit dem anonym bleibenden Verfasser dieses Artikels, steht zusammen mit dem Autor für den persönlichen Austausch zur Verfügung.
… Alles vom 7.2.2025 bitte lesen auf
https://www.cicero.de/kultur/mobbing-von-professoren-wissenschaftler-unter-druck
Warum ich kein Professor an der Uni Toronto mehr bin
An alle Professoren, die sich den Diversity-Richtlinien unterwerfen: Ihr verharrt feige in Heuchelei und Schweigen. Ihr lehrt eure Studenten, sich zu verstellen und zu lügen. Um weiterzukommen. Vor Kurzem bin ich von meiner Position als ordentlicher Professor an der Universität Toronto zurückgetreten.
….
Erstens haben meine qualifizierten und hervorragend ausgebildeten heterosexuellen weißen männlichen Doktoranden (und ich hatte übrigens noch viele andere) kaum eine Chance, trotz hervorragender wissenschaftlicher Dossiers eine Forschungsstelle an einer Universität zu bekommen. Das liegt zum Teil an den Vorgaben für Vielfalt, Inklusivität und Gerechtigkeit (diversity, inclusivity, equity; mein bevorzugtes Akronym dafür: „DIE“, im Englischen „sterben“). Diese wurden in der akademischen Welt allgemein eingeführt, obwohl die Einstellungsausschüsse der Universitäten in all den Jahren meiner Laufbahn alles getan hatten, um sicherzustellen, dass keine qualifizierten Kandidaten aus „Minderheiten“ übersehen wurden.
Darüber hinaus gelten meine Studenten als teilweise inakzeptabel, eben weil sie meine Studenten sind. Ich bin eine akademische Persona non grata, weil meine philosophischen Positionen inakzeptabel sind. Und das ist nicht nur eine Unannehmlichkeit. Diese Tatsachen machen meinen Job moralisch unhaltbar. Wie kann ich angehende Forscher mit gutem Gewissen annehmen und ausbilden, wenn ich weiß, dass ihre Beschäftigungsaussichten minimal sind?
….
Der zweite Grund: Dies ist eines von vielen Problemen einer entsetzlichen Ideologie, die derzeit die Universitäten und, nachgelagert, die allgemeine Kultur demoliert. Nicht zuletzt, weil es einfach nicht genug qualifizierte BIPOC-Leute in der Pipeline gibt, um die Diversitätsziele schnell genug zu erreichen (BIPOC: Schwarze, Indigene und People of Color, für diejenigen unter Ihnen, die es nicht wissen). Dies ist jedem halbwegs ehrlichen Akademiker, der in den letzten drei Jahrzehnten in einem Einstellungsausschuss saß, bekannt. Das bedeutet, dass wir dabei sind, eine Generation von Forschern hervorzubringen, die für diese Aufgabe völlig unqualifiziert ist
… Alles vom 29.1.2022 von Jordan B. Peterson bitte lesen auf
https://www.achgut.com/artikel/warum_ich_kein_professor_an_der_uni_toronto_mehr_bin
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Jordan B. Peterson, geb. 1962, ist Psychologie-Professor an der Universität von Toronto. Im Jahr 2016 widersetzte er sich einem kanadischen Gesetz, das die Bürger unter anderem dazu zwingen will genderneutrale Pronomen zu verwenden (Bill C-16), weil es nach seiner Auffassung die Redefreiheit verletzt. Mit seiner Kritik an den damit verbundenen Ideologien erreicht Peterson auf seinen Youtube-Kanälen inzwischen ein Millionenpublikum.
https://www.youtube.com/c/jordanpetersonvideos
https://jordanbpeterson.com/
https://de.wikipedia.org/wiki/Jordan_Peterson
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„Klima der Unfreiheit“ an Universitäten
Forschung am Leitseil der Ideologie: Wissenschaftsfeinde mehren ihren Einfluß an deutschen Universitäten
Agendawissenschaften – Im intellektuellen Lockdown
Wolfgang Müller
Für die absolute Mehrheit der deutschen Hochschullehrer ist die Wissenschaftsfreiheit hierzulande nicht einmal im Ansatz gefährdet. Die USA und Großbritannien mit ihrer „zivilgesellschaftlich“ von unten organisierten, erhebliche Aggressionspotentiale entbindenden „Cancel Culture“ scheinen für sie so weit weg zu sein wie China oder die Türkei mit ihren von oben ausgeübten staatlichen Zensurpraktiken.
Deutsche Professoren sehen, wie 2020 eine Allensbacher Umfrage ergab, ungleich größere Hemmnisse in der fehlenden Muße zum Forschen, verursacht durch Publikationszwang, Aufwand für die Drittmitteleinwerbung oder zu starke Belastung durch Lehrverpflichtungen. Die Rücksichtnahme auf politische Korrektheit einfordernde Dozenten oder Studenten stellte hingegen nur für dreizehn Prozent der Befragten eine ernstliche Einschränkung ihrer grundgesetzlich verbürgten Lehr- und Forschungsfreiheit dar.
Auch die Philosophin Elif Özmen (Gießen) skizziert im Themenheft „Wissenschaftsfreiheit“ der Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung (Aus Politik und Zeitgeschichte, 46/2021) größere Bedrohungen der Wissenschaftsfreiheit als die, die von der Moralisierung und Politisierung des Studienplans ausgehen, wie sie sektiererische Verfechter von Gender, Antirassismus und „Kritischer Weißseins-Forschung“ forcieren. Die „galoppierende Ökonomisierung“, der Zwang zur „Marktkonformität“, die seit der Bologna-Reform den Hochschulalltag bestimmen, sowie die damit parallel laufende, Humboldts Ideal „Einsamkeit und Freiheit“ geradezu verhöhnende Bürokratisierung des „Betriebs“ von Wissenschaft würden den Universitäten viel eher die Luft zum Atmen nehmen.
An den Universitäten hat sich ein „Klima der Unfreiheit“ ausgebreitet
Tatsächlich, so korrigiert Sandra Kostner (Pädagogische Hochschule Schwäbisch-Gmünd) ihre Kollegin Özmen, laufen aber nicht nur solche externen, mehr indirekt die Wissenschaftsfreiheit einengenden Faktoren „unterhalb des Radars der Öffentlichkeit“ ab. Entgegen der in der Allensbach-Umfrage abgebildeten Wahrnehmung habe sich längst auch im Innern der Institution Universität ein „Klima der Unfreiheit“ ausgebreitet. Kostner, die zu den Initiatoren des im Februar 2021 ins Leben gerufenen „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“ zählt, macht dafür den vor allem in den Kultur- und Sozialwissenschaften seit zwei Jahrzehnten dominierenden Typus des „Agendawissenschaftlers“ verantwortlich. Für den sei Wissenschaft keine rational kontrollierte, ergebnisoffene Suche nach objektivierbarer Erkenntnis und Wahrheit. Ihn leite vielmehr die Frage: „Wie lassen sich Forschung und Lehre nutzen, um die Gesellschaft gemäß der eigenen, am identitätspolitischen Paradigma ausgerichteten Agenda zu formen?“
Bei diesem Typus handle es sich also gar nicht um einen Wissenschaftler, der dem an Max Weber orientierten „Ethos epistemischer Rationalität“ gehorche, an das Özmen erinnert, wenn sie für seriöse Forschung auf Widerspruchsfreiheit, innere Kohärenz, Klarheit, Genauigkeit und Überprüfbarkeit pocht, sondern um einen ordinären Ideologen alten 68er-Schlages. Dieser sei stets bemüht, „Forschung“ nur in den Bahnen weltanschaulich gesetzter Normen zu treiben. Bei ihrem „Marsch durch die Institutionen“ hätten diese „akademischen Diskurswächter“ mittlerweile flächendeckend Lehrstühle in allen ideologisch für sie relevanten Disziplinen besetzt. Ihr Ziel sei wie ehedem ein „Bewußtseinswandel“, der – diesmal unter „multikulturellen“ Vorzeichen – eine „große Transformation“ hin zur „Gesellschaft der Gleichen“ auslösen soll. Geistige Unfreiheit bis hin zum „intellektuellen Lockdown“, werde dafür nicht nur in Kauf genommen, sondern „gezielt befördert“.
Als Anwältin des fast gleichnamigen, jedoch dezidiert linken „netzwerk-wissenschaftsfreiheit.org“ formuliert Jiré Emine Gözen eine extreme Gegenposition zu Kostner. An Michel Foucault geschult, betet die an der privaten University of Europe for Applied Sciences in Hamburg Medientheorie lehrende Professorin dessen Katechismus des „Dekonstruktivismus“ herunter, der, wenig originell, nur Karl Marx’ Axiom vom Sein, das das Bewußtsein bestimmt, variiert. Dementsprechend ist für Gözen „Wissenschaftsfreiheit“ ein soziales, nicht schützenswertes Konstrukt privilegierter Weißer. Was sie „die“ Wahrheit nennen, sei „objektiv wissenschaftlich“ gar nicht zu ermitteln, weil sie, wie Marx und in seinem Schlepptau Foucault behauptet, stets „klassenbedingt“ ist. Denn alle wissenschaftlichen Praktiken und Vorstellungen stünden in engem Zusammenhang mit der politisch-ökonomischen Verfaßtheit der jeweiligen Kultur. Wissenschaftliches Denken und Erkennen sei somit „hochgradig von dem Kontext, in dem sie entstehen“ abhängig, repetiert Gözen – davon nichts ahnend, weil allein auf Foucault fixiert – fast hundert Jahre alte Einsichten der deutschen Wissenssoziologie der Zwischenkriegszeit.
Den Begriff „Menschenwürde“ neu definieren
Interessant ist jedoch, in welche Abgründe diese Relativierung des als „universalistisch maskiert“ angegriffenen „eurozentrischen“ Standardmodells von Wissenschaft und Rationalität führt – in die des „Trans- und Posthumanismus“. Wirkt doch Gözen mit am 2017 gegründeten Journal of Posthumanism, das der an einem US-Prärie-College lehrende deutsche „Metahumanist“ Stefan Lorenz Sorgner herausgibt. Sorgner gilt heute als „führender post- und transnationaler Philosoph“, der – anknüpfend an Nietzsches Ideal vom „Übermenschen“ – den Begriff der „Menschenwürde“ unter Einbeziehung von Cyborgs und Androiden neu zu definieren versucht. Dazu wiederum inspirierte ihn sein Lehrer Gianteresio Vattimo, ein italienischer Nietzscheaner des Jahrgangs 1936, der sich als „schwuler Atheist und Nihilist“ zu inszenieren liebt. Und der einem hedonistischen Existentialismus huldigt, der jedwede Tradition verachtet und Entwurzelung als „Chance“ predigt, um mit seiner „Ontologie des Aktuellen“ den Menschen vom „Ballast“ religiös-transzendentaler und historisch-kultureller „Hintergründe“ (Jürgen Habermas) zu „befreien“.
Wie kurz dabei der posthumanistische Weg vom Übermenschen zum Unmenschen sein kann, beweist Vattimos judenfeindliches politisches Engagement. Der Alt-Marxist saß für die schwindsüchtige KP Italiens im EU-Parlament und profilierte sich dort als lautstarker Sympathisant der palästinensischen Terrortruppe Hamas. Israel als zionistischer, „Blut und Boden“ gegen die „unterdrückten“ Palästinenser verteidigender Staat sei ein auszulöschender „Nazi-Staat“, ließ sich Vattimo vernehmen, als „Pazifist“ zugleich bedauernd, nicht in Gaza mitkämpfen zu können. Vattimo, Sorgner und Gözen eint der posthumanistische Traum vom – wie die ewig pubertierende Medientheoretikerin schwärmt – „radikalen Umbruch der Welt, wie wir sie bisher zu verstehen gelernt haben“.
Daß ausgerechnet die Gehaltsempfängerin eines elitären Privatkollegs, das zu einem weltweit operierenden Konzern gehört, der „Bildung“ in neoliberaler Manier nur hinter der Bezahlschranke vermittelt, das bestehende staatliche, weitgehend ohne Studiengebühren auskommende „weiße System Wissenschaft“ abräumen will, weil dessen „Funktionieren“ angeblich auf „Diskriminierung, Prekarisierung und Ausschluß beruht“, ist zwar nicht ohne den Unterhaltungswert einer Realsatire. Was aber eintritt, wenn der „radikale Umbruch“ einer dafür trommelnden „posthumanen“ nützlichen Idiotin wirklich stattfände, hat der von der marxistischen Gleichheitsutopie erst spät kurierte polnische Philosoph Leszek Kolakowski 1970 kühl prognostiziert: „Hätten nicht immer neue Generationen unaufhörlich gegen die ererbte Tradition revoltiert, würden wir noch heute in Höhlen leben. Wenn aber die Revolte gegen die ererbte Tradition einmal universell werden sollte, werden wir uns wieder in den Höhlen befinden.“
… Alles vom 28.1.2022 bitte lesen in der JF 5/22, Seite 14
https://www.bpb.de
https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de
Uni heute: Denken unerwünscht – am Beispiel einer Promotion
„Wir folgen der Wissenschaft“ – Diese Phrase aus der bleiernen Merkel-Zeit wird sicherlich in die Geschichte eingehen. Es war eine dreiste Lüge, denn das Gegenteil ist der Fall. Es ist die Wissenschaft, welche der Politik folgen muss. Sie darf nur solche Ergebnisse liefern, welche die Agenda der Mächtigen rechtfertigen. Hier ein erschreckendes Beispiel.
Die Tempel der Wissenschaft, die Universitäten, sind Forschung und Lehre verpflichtet, d.h. sie müssen neue Erkenntnisse erarbeiten und gleichzeitig ihre Studenten zu Fachleuten ausbilden. Diese Ausbildung hat Etappen, etwa das „Diplom“, das für eine entsprechende Arbeit verliehen wird. Falls dann noch Interesse an weiterer wissenschaftlicher Tätigkeit besteht, so kann das im Rahmen einer Doktorarbeit geschehen, die etwa zum Dr. Ing. führt.
Unser Doktorand ist Diplomingenieur, mit Zusatzstudium in Mess- und Regeltechnik und mit vielen Jahren Berufserfahrung, speziell auch in Fehlerstatistik. Er kam nun auf die Idee, diese Methodik auf ein naturwissenschaftliches Phänomen anzuwenden, welches von öffentlichem Interesse ist. Das sollte seine Doktorarbeit werden, und es gelang ihm, einen Doktorvater an einer mitteldeutschen Universität dafür zu gewinnen.
Mit ihm vereinbarte er das Thema: „Analyse zur Bewertung und Fehlerabschätzung globaler Daten und deren Bestimmungsprobleme“. Aufbauend auf seine beruflichen Erfahrungen fertigte er in zwölf Monaten seine Doktorarbeit an und reichte sie bei der Universität ein, welche den Empfang ordnungsgemäß bestätigte.
Doch dann passierte lange nichts. Erst nach viel Hin- und Her wurde ihm mitgeteilt, dass seine Arbeit nicht akzeptiert würde. Die Tonart der Kommunikation mit dem Doktoranden hätte dabei eher auf den Hinterhof eines Gebrauchtwagenhändlers gepasst, als in den elfenbeinernen Turm einer im Jahre 1409 gegründeten, ehrwürdigen deutschen Universität.
….
Unerwünschte Erkenntnisse
Es handelte sich also um eine Analyse der Messwerte, welche Grundlage für die Theorie von Global Warming sind. Dabei kam heraus, dass die von Satelliten seit etwa 1980 gemessenen Werte für Temperatur und Meeresspiegel präzise genug waren, um die von IPCC etc. angestellten Berechnungen zur globalen Erwärmung möglich zu machen.
Ältere Messungen mit traditionellen Instrumenten aber waren dafür ungeeignet. Deren Unsicherheit war ähnlich groß, oder größer als die angeblich gefundenen Zunahmen von Temperatur und Meeresspiegel. Damit war ein Vergleich heutiger Klimadaten mit den historischen irrelevant – aber gerade der stellt einen wesentlichen Teil des aktuellen Klima-Narratives dar.
Dieses Ergebnis hat Doktorand und Doktorvater nicht überrascht, denn etwas anderes war, aufgrund der abgeschlossenen Vergangenheit, nicht zu erwarten. Die Temperaturen von 1850 konnte man ja nicht gerade mal mit heutigen Satelliten genauer nachmessen. Man hoffte nun, dass sich diese, in einer wissenschaftlich objektiven Arbeit gewonnene Erkenntnis in der akademischen Welt und dann in die Öffentlichkeit verbreiten würde.
Das wäre natürlich eine Revolution. Der Dekan der Fakultät, unter deren Dach die Arbeit entstanden war, hatte jetzt eine Bombe im Haus und geriet in Panik, und mit ihm noch ein paar Professoren, welche die Arbeit gelesen hatten.
Diese Bombe musste entschärft werden – oder entsorgt!
Entschärfen oder entsorgen?
Nun war es gut möglich, dass der Doktorand Fehler gemacht hatte, dass also die finale Aussage seiner Arbeit nicht stimmte. Die Suche nach solchen Fehlern wäre die eigentliche Aufgabe der Gutachter gewesen, aber die wollten sich nicht so recht an die Arbeit machen. Vielleicht waren sie fachlich überfordert, vielleicht war ihnen das Eisen zu heiß. Auf jeden Fall fand sich niemand, der in der Lage gewesen wäre, die „Bombe zu entschärfen“.
Nun kümmerte sich der Dekan der Fakultät um die Entsorgung der Bombe. Er suchte im deutschen Klimawandel-Milieu nach willigen Schergen, die Gutachten schreiben sollten, mit deren Hilfe man sich die eingereichte Doktorarbeit als insgesamt „inakzeptabel“ Halse schaffen konnte, ohne auf ihren fachlichen Inhalt eingehen zu müssen.
So geschah es. Dank der bestellten Gefälligkeitsgutachten entsorgte man die Bombe schließlich, nachdem es nicht gelungen war, sie zu entschärfen. Der Doktorand wurde um das Recht betrogen, seinen akademischen Titel zu erwerben.
Keine Sternstunde
Er gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Er klagte auf sein Recht zur Einsicht der detaillierten Beurteilungen, die zur Ablehnung geführt hatten. Daraufhin musste ihm die Universität die Kopien seiner Arbeit aushändigen, die mit den handschriftlichen Kommentaren der Gutachter versehenen waren.
Es war offensichtlich, dass die beiden bestellten Experten weder die Absicht, noch die Fachkenntnis hatten, um die wissenschaftlichen Aspekte der Arbeit nachzuvollziehen und gegebenenfalls sachliche Fehler zu finden. Ihre Kommentare beschränkten sich auf den Anfang der 130-seitigen Schrift, wo noch keine Formeln und Gleichungen standen.
Da aber zeigten die Herren Gutachter ihre ganze fachliche Expertise und ihre akademische Bildung. Sie hatten handschriftlich, am Rande der Seiten, ihr qualifiziertes Urteil hinterlassen: „Hat keine Ahnung“, „Bullshit“, „Schei*e“.
Ich vermute, dass diese ehrwürdige Alma Mater in ihrer 600-jährigen Geschichte schon bessere Zeiten gesehen hat. Eine Institution, die Verstand, Wissen und Moral fördern soll, verbietet jetzt deren Einsatz.
Diese skandalöse Begebenheit liegt zehn Jahre zurück, die Abschaffung von akademischer Freiheit und Ethik hat in Deutschland also schon vor Corona eingesetzt.
… Alles vom 29.8.2021 von bitte lesen auf
https://think-again.org/denken-unerwunscht/
Hans Hofmann-Reinecke: GRÜN UND DUMM forever
– Wenn Panik das Denken ersetzt
Juni 2021, Taschenbuch, 24,61€
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Kommentar:
… die Drittmittel gefährdet ?
Das Traurige ist: Gerade diese Leute sind unkündbar und völlig unabhängig. Aber der Status fällt und steigt eben auch mit Drittmitteln, und der Zahl der damit einzustellenden Mitarbeiter, die dann als Doktoranden den Ruhm des Doktorvaters mehren. Der beschriebene Fall einer von ausserhab kommenden Doktorarbeit ist heikel, wenn dadurch die Drittmittel gefährdet werden. Und die meisten Drittmittel haben heute mit sog. Klimaschutz zu tun. Da ist man bei den staatlichen Geldgebern vernagelt.
3.9.2021, RMP
Das Elend der Wissenschaftskarriere – Von Job zu Job
Die Universitäten werden in wesentlichen Bereichen getragen von jungen Menschen, die wenig verdienen und trotzdem nicht wissen, ob es ihren Job nächstes Jahr noch gibt. Vor allem haben sie kaum Chancen, durch ihre Knechtsarbeit an Lehrstühlen und Instituten wirklich die akademische Karriere zu absolvieren, für die sie doch all das auf sich nehmen. …. Alles von Wulf Rüskamp vom 17. Juli 2014 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/leitartikel-von-job-zu-job–87591984.html
Es fehlt ihnen nicht an klaren Worten, sondern es fehlt an Geld
Die Situation von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen ist in der Tat katastrophal. Sie ist eine Zumutung für die betroffenen Frauen und Männer, und sie ist verantwortungslos gegenüber der Zukunft unserer Gesellschaft, für die bekanntlich Bildung und Wissenschaft die wichtigsten Garanten sind. Neu ist das alles nicht. Die Stellungnahmen von Wissenschaftlern und Wissenschaftsmanagern, die diesen Notstand anprangern und nach Abhilfe rufen, lassen sich kaum noch zählen.
Die Folgerung, die Rüskamp aus seiner Beschreibung zieht, enttäuscht. Die Universitäten sollen ihrem Nachwuchs „klar sagen“, wie es um dessen Karrierechancen steht? Als ob diese Hochqualifizierten nicht selbst genau wüssten, auf was sie sich einlassen. Rüskamps Rat ist von der gleichen wirkungslosen Hilflosigkeit wie die bisherigen Reaktionen aus dem akademischen Bereich. Reden statt handeln, sich mit der Situation abfinden, statt politische Wege zu ihrer Veränderung gehen.
Nicht an klaren Worten fehlt es unseren Universitäten. Es fehlt ihnen an Geld. Geld ist zwar in unserer Gesellschaft genug da. Aber seine Verteilung ist eine Frage der Macht, und die Universitäten sind offenbar außer Stande, die symbolische Macht, die sie haben, zu nutzen und vom Staat das Geld, das sie brauchen, nicht zu erbitten, sondern zu fordern und zu erstreiten. Die Lehrsituation in vielen Fächern ist nicht mehr zumutbar: Warum zeigen die Rektoren und Dekane das nicht der Öffentlichkeit und stellen ihre Lehre ein – anstatt deren Löcher ständig zu stopfen? Die Personalsituation in vielen Instituten ist längst unhaltbar: Warum schließen die Direktoren nicht ihre Institute – anstatt deren Betrieb durch die Ausbeutung des Nachwuchses technisch aufrechtzuerhalten?
Aber zu einem Streit mit dem Staat sind meine Kollegen und Kolleginnen nicht zu bewegen, Beamte und Staatsangestellte in persönlich gut dotierten Stellen. Und ein öffentlicher Streit mit dem Staat würde Unruhe und Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Und die betroffenen Nachwuchswissenschaftler? Sie sind abhängig von ihren Professoren. Und die tägliche Arbeit plus das Schreiben an der Habilitation ist mehr als genug. Zudem: Universitätskarrieren individualisieren, trimmen auf Konkurrenz. Wo sollen da Antrieb und Kraft herkommen, sich zu solidarisieren und bundesweite Aktionen und Streiks zu organisieren?
So werden die Universitäten weiterhin Not leiden. Wie unser gesamtes Bildungssystem. Eine Gesellschaft verspielt ihre Zukunft.
23.7.2014, Prof. Dr. Hans Peter Herrmann, Freiburg