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Pflegedienste und Sozialdienste 
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Pflegeverbund, Sozialstationen, ...

Blick nach Südosten über frisch geerntete Spargel auf Scherzingen am 27.4.2007

"Heute wird der Mensch älter als seine Seele verkraftet"

2030 wird jeder 30. Baden-Württemberger pflegebedürftig sein

 

Neuregelungen der Pflegeversicherung ab 1. Juli 2008

Pflegezeit
Hat jemand einen Pflegebedürftigen in seiner Familie, hat er einen Anspruch auf eine bis zu sechsmonatige unbezahlte Freistellung von der Arbeit mit Recht auf Rückkehr. Die Pflegeversicherung übernimmt die Sozialversicherungsbeiträge. Das Unternehmen muss aber mehr als 15 Beschäftigte haben. Wird der Vater oder die Mutter plötzlich zum Pflegefall, muss man oft sehr schnell Pflege organisieren. Deswegen gibt es jetzt auch den Anspruch auf eine kurzzeitige Freistellung für bis zu zehn unbezahlte Arbeitstage. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wollte ursprünglich, dass die Kassen zehn Tage Krankengeld bezahlen.

Pflegestützpunkte
Diese Anlaufstellen sollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen über die Pflegeangebote in ihrer Region informieren, sie sollen nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um Pflege zu organisieren. "Fallmanager" sollen die Hilfesuchenden beraten. Die Pflegestützpunkte waren bis zuletzt ein Streitpunkt der Koalition. Denn in vielen Städten gibt es schon zahlreiche Anlaufstellen. Um eine Doppelstruktur zu vermeiden, sollen jetzt die Bundesländer selbst entscheiden, ob und wie viele Stützpunkte sie schaffen wollen. Es ist vereinbart, dass es für mindestens 1200 Stützpunkte eine Anschubfinanzierung von bis zu 50 000 Euro gibt, sagt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Finanzierung der Pflegeversicherung
Um die zusätzlichen Leistungen zu finanzieren, müssen Arbeitnehmer und Rentner ab 1. Juli einen höheren Beitrag an die Pflegeversicherung bezahlen — nämlich nicht mehr 1,7 Prozent, sondern 1,95 Prozent vom Bruttolohn für Versicherte mit Kindern und 2,2 Prozent für kinderlose Versicherte. Das soll zu jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro führen. Kritiker sagen schon heute: Das Finanzierungsproblem wird durch diese Reform nicht gelöst. Schon in wenigen Jahren werde diese Frage wieder auf der Tagesordnung stehen.

Wohn- und Hausgemeinschaften
Wenn Menschen im Alter in solchen Gemeinschaften wohnen wollen, können sie Betreuungsleistungen gemeinsam in Anspruch nehmen. Dies soll bei den ambulanten Pflegekräften Zeit sparen und die Betreuung verbessern.

Hilfe für Demenzkranke
Altersverwirrte Menschen haben bisher keine Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen. Diese und auch psychisch Kranke und geistig behinderte Menschen sollen mit der Reform mehr Unterstützung bekommen. Diese Hilfebedürftigen erhalten künftig statt 460 bis zu 2400 Euro jährlich, auch wenn sie körperlich noch fit sind. In Heimen soll es für diese Menschen Betreuungsassistenten geben: Bis Ende 2010 stehen rund 200 Millionen Euro für solche zusätzlichen Assistenten zur Verfügung.

Höhere Pflegesätze
Ab Juli sollen die Pflegesätze erstmals seit 1995 angehoben werden. Die Pflegeversicherung zahlt mehr Geld für die Versorgung zu Hause. Die Leistungen für professionelle Pflege und das Pflegegeld für Angehörige werden stufenweise bis 2012 erhöht. Ab 2015 sollen sie alle drei Jahre unter Berücksichtigung der Preissteigerung angepasst werden. Auch die Leistungen für schwer pflegebedürftige Heimbewohner steigen.
14.3.2008, www.rnz.de

 

Die ersten sechzehn PflegebegleiterInnen zertifiziert - zweiter Kurs beginnt

Das Bundesmodellprojekt "pflegeBegleiter" stößt auf großes Interesse

Foto: Norbert Mechsner, Caritasverband
Das Foto zeigt die ausgebildeten Pflegebegleiterinnen/Pflegebegleiter bei der Zertifikatsübergabe in der Spitalkirche in Breisach (Marienau);

ganz links: Kursleiterin Lisa Klein-Wiesler von der Sozialstation
Südlicher Breisgau e.V.;

ganz rechts: Kursleiterin (Gesamtverantwortliche) Renate Brender vom
Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald e.V.

Die ersten sechzehn Pflegebegleiterinnen und Pflegebegleiter im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald beendeten jetzt ihre dreimonatige Schulung. Im Rahmen einer kleinen Feierstunde am vergangenen Samstag in der Spitalkirche in Breisach erhielten die Absolventinnen und Absolventen ihre
Zertifikate. Anwesend waren auch Cornelia Kricheldorff vom Institut für Angewandte  Forschung, Entwicklung und Weiterbildung (IAF) an der Katholischen Fachhochschule Freiburg, der Kreisgeschäftsführer des Caritas Verbandes Breisgau-Hochschwarzwald e.V. Bernhard Scherer sowie ein Vertreter der Stadt Breisach und eine Vertreterin des Landratsamtes. Der Landkreis
Breisgau-Hochschwarzwald hat die Schirmherrschaft für dieses wichtige Projekt übernommen. Die Kursleiterinnen erläuterten im Rahmen der Zertifizierungsfeier den Verlauf der Schulung. Der 60 Stunden und zwei Exkursionen umfassende Kurs bereitete die Freiwilligen auf ihre künftige Aufgabe vor, Familien im Umgang mit Pflegebedürftigen zu unterstützen. Die vielfältigen Angebote reichen von der ersten Kontaktaufnahme über Gespräche im häuslichen Bereich bis hin zu Behördengängen. Dabei kann nicht nur das Alter, sondern auch eine Behinderung oder ein Unfall Ursache für eine Pflegebedürftigkeit sein und die Pflege von Angehörigen erfordern. Jeder kann betroffen sein. Für die erste Schulung stellten sich neben Renate Brender vom Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald e.V. auch Lisa
Klein-Wiesler von der Sozialstation Südlicher Breisgau e.V. sowie die ehrenamtliche Projektinitiatorin Gertrud Reichert aus Merdingen als Kursleiterinnen mit ihrem Wissen zur Verfügung. "Für Angehörige ist die Würdigung und Anerkennung der oftmals belastenden Pflegearbeit sowie verständnisvolles Zuhören besonders wichtig", weiß Renate Brender aus ihrer täglichen Arbeit zu berichten. Die sechzehn ausgebildeten Pflegebegleiter, darunter auch zwei Männer, möchten ab sofort ihre Arbeit für pflegende Familien aufnehmen. Künftig wird es für die Pflegebegleiter neben einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch auch eine fachliche Begleitung durch den Caritasverband geben. Einmal pro Monat wird ein zwei- bis dreistündiges Treffen stattfinden, das eine Plattform für organisatorische als auch konzeptionelle Fragen bietet.

Der nächste Kurs für den Bereich Südlicher Breisgau ist bereits geplant. Er beginnt mit einer Auftaktveranstaltung am 11. April 2008 um 19.00 Uhr im Stubenhaus in Bad Krozingen. Die Schulungen finden immer montags von 18.00 bis 21.15 Uhr sowie an zwei Samstagen ganztags statt. Ansprechpartnerinnen sind Waltraud Kannen von der Sozialstation Südlicher Breisgau e.V., Telefon 07633/12219 (kannen@sozialstation-bad-krozingen.de) sowie Renate Brender vom Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald e.V., Telefon 0761/8965-433
(renate.brender@caritas-dicv-fr.de).

Nach Beendigung der zweiten Schulung sollen regionale Teams entstehen, welche die Pflegebegleiter und Einsatzorte koordinieren. Das Bundesmodellprojekt "pflegeBegleiter" wird von Cornelia Kricheldorff
vom Institut für Angewandte Forschung, Entwicklung und Weiterbildung (IAF) an der Katholischen Fachhochschule Freiburg wissenschaftlich begleitet.
11.3.2008, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

 

Sohn pflegt kranke Mutter - und ruiniert sich damit selbst

"Willst du noch etwas trinken, Muttle?" Stefan K. wendet sich nochmals kurz seiner Mutter zu. Die Frau im Rollstuhl mit dem mondrunden, offenen Gesicht lächelt, schüttelt den Kopf. In ihrer rechten Hand hält sie einen mit Orangensaft gefüllten Trinkbecher mit Röhrchen. Vor etwa zwei Stunden hatte sie ihr Sohn geweckt, gewaschen, angezogen, in den Rollstuhl gesetzt. Dann haben sie gemeinsam gefrühstückt. Nun ist es neun Uhr. Stefan K. steht draußen vor der Tür der Parterre-Wohnung eines dreistöckigen Wohnhauses. Tief atmet er die frische Luft ein, nimmt einen Schluck des frisch gebrühten Kaffees. "Eigentlich müsste ich ja zutiefst deprimiert sein. Aber es hilft ja nichts. Weiterkämpfen, immer weiterkämpfen." Kämpfen, dass er aus dem Haus nicht raus muss. Kämpfen, dass er nicht wieder eingeladen wird zu einem Arbeitseingliederungskurs. Kämpfen, dass er seine Mutter weiterhin pflegen kann. Das ist alles, was der gelernte Friseurmeister möchte: Einfach seine Mutter betreuen, sie nicht in fremde Hände geben müssen. Dieses Ansinnen hat Stefan K. arm gemacht. "Dabei wollte ich doch eben nur dieses Eine: sie pflegen. Nicht mehr, nicht weniger. Was habe ich nur falsch gemacht?" Die Mutter aller Fragen für den 40-Jährigen, der seine Mutter seit nunmehr neun Jahren umsorgt. In Pflegestufe drei ist Frau K. eingeordnet, das heißt: Pflege und Betreuung rund um die Uhr. Stefan K. nippt an der Kaffeetasse, erzählt von den Anfängen der ganzen Geschichte im Jahr 1997: Vom Friseursalon, den Familie K. zu jener Zeit in Offenburg betreibt. Vom Vater, einem charmanten Mann, der frisiert, von der Mutter, einer aufrechten Chefin, die organisiert. Erzählt auch vom älteren Bruder, der im öffentlichen Dienst arbeitet. Und Stefan K. erzählt, wie er in Vaters Fußstapfen getreten ist, den Meister gemacht hat.
Doch dann ändert sich das ganze Leben innerhalb eines halben Jahres: der Vater wird krank, stirbt mit 65 Jahren nach, wie man sagt, langer, schwerer Krankheit. Zwei Monate später ereilt die Familie ein zweites Unglück: die Mutter trifft der Schlag, sie fällt ins Koma. Wieder stehen die beiden Brüder an einem Krankenbett. Diesmal aber mit anderen Fragen: Was wird mit der Mutter nach dem Schlaganfall? Ein Pflegefall? Kommt sie überhaupt nochmal ins Leben zurück? Frau K. wacht nach einer Woche auf und schnell ist es sicher: Man wird sie pflegen müssen. In der Morgenkühle stehend erinnert sich Stefan K.: "Mein erster Reflex war: Mit der Geschichte habe ich nichts zu tun. Das geht mich nichts an." Ein 31-Jähriger wünscht sich ja auch eher eine Frau fürs Leben — nicht seine eigene Mutter, um sie rund um die Uhr zu betreuen. Gut eine Woche nach dem Gehirnschlag seiner Mutter fasst der junge Friseurmeister dann den Entschluss: "Ich muss es tun. Ich werde sie zu mir nehmen. Ich möchte ihr das Heim ersparen, das bin ich ihr schuldig." Er war viel in Altenpflegeheimen, um dort Haare zu schneiden. Was er gesehen, gerochen, gespürt habe, das habe er nicht gewollt für seine Mutter.

Es ist empfindlich frisch auf der Terrasse, der Kaffee ist kalt geworden, Stefan K. geht rein zu seiner Mutter, um nach ihr zu sehen. "Die ersten Monate waren wie ein Alptraum. Es herrschte Krieg zwischen uns beiden — doch den konnte keiner gewinnen." Der 40-Jährige hält kurz inne, setzt sich auf einen Stuhl in der Essecke: "Frieden" , zitiert er den ehemaligen Bundespräsidenten Rau, "ist kein Gemütszustand, sondern ein Arbeitsfeld." Stefan hat den Frieden mit seiner Mutter gefunden — und ist in einen Kleinkrieg mit dem Staat geraten. Wie es denn sein könne, dass er nun mit leeren Taschen dastehe, obwohl er dem Staat nachweislich eine sechsstellige Summe erspart habe in den vergangenen zehn Jahren? Eine Rundumpflege, wie er sie leiste, koste bei professioneller Pflege zwischen 10 000 und 15 000 Euro im Monat — das könne sich fast niemand leisten. Stefan K. hält inne, geht zu seiner Mutter, fragt, ob alles okay ist. Sie nickt und zieht zufrieden an dem Strohhalm. Vor drei Jahren hat der Friseurmeister seinen Salon verkauft — die Doppelbelastung war zu groß geworden, seelisch, körperlich, finanziell. Seither leben beide von den 500 Euro Rente der Mutter und den 665 Euro aus der Pflegekasse. Bisher haben sie diesen Betrag aufgestockt mit Erspartem. So lange gab es keine Sozialleistungen. Dieses Vermögen ist jetzt aufgebraucht. Unbezahlbar sind, so Stefan K., die gesetzeskonformen Pflegedienste, einigermaßen bezahlbar die gesetzeswidrigen. Alles schon durchgemacht. Nichts Pflegerisches ist dem ehemaligen Friseursalonbesitzer fremd: ambulante Pflegedienste, illegale osteuropäische Hilfe, legale vierwöchige Auszeiten von der Pflege. Alle Formen hat das ungewöhnliche Pflegepaar schon am eigenen Leib erfahren. "Was heute so über Pflege diskutiert wird — das bringt mich echt zum Kochen." Man spürt: Stefan K. will sich einmischen in das, was und wie es gerade läuft. Deshalb suchte er auch das Gespräch mit dem Mann, der in seinem Landkreis in sozialen Dingen die Fäden in der Hand hält. Der heißt Georg Benz und ist Sozialdezernent des Ortenaukreises. Der oberste Sozialbeamte erklärte sich nach mehreren Anfragen zu einem Gespräch bereit. Nach neuneinhalb Jahren kann Stefan K. kurz und klar darlegen, um was es geht: Dass er zweimal Hartz IV beantragt hatte, erst beim dritten Mal die Zusage erteilt worden sei. Dass er sein Auto verkaufen musste. Dass die Lebensversicherung, die ihm als Absicherung im Alter dienen sollte, aufgelöst wurde — damit er den Unterhalt für seine Mutter und sich bestreiten kann. Warum er gegen den Kreis vor Gericht gezogen sei. "Ich bin pleite. Und das nur, weil ich meine Mutter pflegen und sie nicht ins Heim geben will. Warum das alles? Was habe ich falsch gemacht?" Da liegt sie auf dem Tisch, die Frage aller Fragen: "Was habe ich also falsch gemacht?"

"Nach der jetzigen Gesetzeslage müsste ich eigentlich jedem abraten,
zu Hause zu pflegen."  Georg Benz, Sozialdezernent

Sozialdezernent Georg Benz zuckt fast unmerklich mit den Schultern: Grundsätzlich gesehen sei Stefan K. ja zunächst einmal in einer Situation wie Millionen andere auch. Zu Hause pflegen oder ins Heim geben — vor dieser Frage stünden ja alle, wenn jemand pflegebedürftig wird. Er verstehe den Ärger von Herrn K. schon. "Herr Benz, ich bin nicht ärgerlich. Ich bin zornig" , stellt Stefan K. klar. Nach 90 Minuten sagen Benz und der Sachbearbeiter unisono: "Zum Glück stehen wir nicht vor einer solch dramatischen Entscheidung." Nach 90 Gesprächsminuten sagen sie auch: "Wir kennen ja wirklich viele Problemfälle. So in dieser Größenordnung haben wir aber sonst keinen. Hut ab vor Ihrer Leistung." Und der Sozialdezernent fügt hinzu: "Nach der jetzigen Gesetzeslage müsste ich eigentlich jedem abraten, zu Hause zu pflegen." Georg Benz versichert, er werde alles nochmals genau prüfen lassen. Und werde schauen, dass Herr K. nicht nochmals eine Einladung zu einem Arbeitseingliederungskurs erhalte, wie er bei Hartz-IV-Empfängern vorgeschrieben ist — weil er ja offensichtlich nicht abkömmlich sei zu Hause. Stefan K. geht noch einmal zum Rauchen in die winterliche Kälte. "Doch, ich bin schon stolz darauf, dass ich meine Mutter bei mir hab, dass ich sie nicht ins Heim gegeben habe." Er wendet sein Gesicht der Morgensonne zu. "Ich bin ja deshalb kein besserer Mensch. Ich verlang’ ja auch nicht, dass es jeder so macht wie ich." Er könne halt nicht anders. Auf die Frage, ob sie froh sei, so bei ihrem Sohn Stefan zu sein, kommen Frau K. Tränen: "Ja. Sehr." Dann schweigt sie. Ihr rundes Mondgesicht wirkt friedlich. Nur die Augen wandern unruhig hin und her. Ende Oktober feierte Frau K. ihren siebzigsten Geburtstag. Da habe, so der Sohn, der Bär getanzt.

Norbert Großklaus , 5.1.2008, www.badische-zeitung.de, norbert.grossklaus ät gmx.de
 

Ich habe große Achtung vor Herrn Stefan K.
Mir ging es und geht es so ähnlich. Zuerst habe ich meine behinderte Schwester gepflegt und jetzt pflege ich meine Mutter rund um die Uhr. Sie war für zehn Tage in Kurzzeit-Betreuung und wund gelegen, als sie nach Hause kam. Würden die Pflegekassen die Angehörigen besser bezahlen, könnten sie viel Geld sparen, was sie so an die Heime ausgeben. Sicher ist es nicht immer machbar, die Leute zu Hause zu pflegen. Aber wenn es geht, warum soll man sie dann abschieben? Ich persönlich möchte mal nicht im Heim vor mich hinvegetieren. Außerdem habe ich große Achtung vor Herr Stefan K. Ich hoffe innigst, dass Herr Sozialdezernent Georg Benz sich darüber Gedanken macht, hier etwas zu ändern — und zwar bald.
BZ-Leserbrief vom 1.3.2008 von Gerda Hassler, Malterdingen

Die Gesellschaft muss sich dem Thema Pflege stellen
Die Erfahrungen von Stefan K., dass die häusliche Pflege eines sehr kranken Familienangehörigen schnell in die Armut führt, kann ich anhand meiner eigenen Geschichte nur bestätigen. In meinem Fall — er erschien vor 17 Jahren ebenfalls auf Seite 3 der BZ — ging es darum, meine plötzlich an einer unheilbaren und kompletten Lähmung erkrankte Frau und meine beiden Söhne (damals noch in den Windeln) zu versorgen. Eine Situation, in der ich ganz schnell völlig alleine stand. Da ich es damals nicht übers Herz brachte, meine Familie einfach zu "entsorgen" , sondern selbst die Krankenpflege meiner Frau und die Betreuung und Erziehung meiner Kinder übernahm, wurde aus einem Firmenleiter ganz schnell ein alleinerziehender Vater, der schon bald aus dem geordneten Berufsleben draußen war, und sich nach dem Abbau der schwer erarbeiteten Existenzsicherung in der finanziellen Grauzone des erlaubten Besitzes und der Sozialhilfen hindurchnavigieren musste. Und trotzdem würde ich — auch nach 17 Jahren der Erfahrung — es wieder so machen. Wie soll ich sonst meinen Kindern soziale Werte und ein Füreinander-Einstehen vermitteln? In einer Gesellschaft, die jedoch vorrangig auf Erwerbsarbeit, Konsum und Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist und glatte Biografien verlangt, wird dies aber nicht nur finanziell, sondern auch statusmäßig bestraft. Herrn Stefan K. gilt daher meine Hochachtung für seine Entscheidung, verbunden vielleicht mit dem Rat, das Hartz-IV-Regulatorium anzunehmen, auch wenn es sehr ungerecht ist. Und neben möglichen Pflege-Auszeiten nach einer (beruflichen?) Nische zu suchen, in der er gut ist und trotz der einschränkenden Umstände noch einiges von sich selbst leben kann. An die Gesellschaft geht aber die klare Aufforderung, sich endlich diesem Thema zu stellen, will sie nicht noch mehr unter das Diktat der Ökonomie und der Spaß- und Ich-Kultur geraten. Denn in der verrutschten Demografie und bei den sich auflösenden Familienstrukturen werden viele irgendwann vor diesen Fragen stehen, sei es als Pflegefall oder als isoliert dastehender Angehöriger. Ein schönes Ziel wäre, Menschlichkeit wieder etwas zu belohnen statt so zu bestrafen.
BZ-Leserbrief vom 1.3.2008 von Dr. Michael Harder, Staufen
 
Man kann seine Pflegeleistung ja nachweisen
Offensichtlich hat die Gesetzgebung nicht an Angehörige gedacht, die ganz auf ihre Berufstätigkeit verzichten wollen oder müssen, damit sie ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder auch ausreichend versorgen können. Es mag ja schön klingen, was die Pflegeversicherung als soziale Absicherung der pflegenden Angehörigen bietet: Sie bezahlt Rentenbeiträge und Unfallversicherung. Es werden auch vier Wochen Verhinderungspflege angeboten. Das klingt nach bezahltem Urlaub. Ist es aber nicht. Das Pflegegeld bekommt dann ein Pflegedienst oder eine andere Pflegeperson. Bei der Arbeitsagentur gibt es nach Beendigung der Pflegetätigkeit Arbeitslosengeld und Hilfen zur Wiedereingliederung in den Beruf. Ich vermisse die Krankenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die ihren Beruf aufgeben müssen. Setzt man, ehe man Hartz-IV beantragt, seine Ersparnisse zum Leben ein, muss man sich freiwillig krankenversichern. Da wird selbst bei dem geringsten Beitragssatz von einem fiktiven Gehalt ausgegangen, über das man gar nicht verfügt! Beantragt man Hartz-IV, dann muss man wohl, wie in Ihrem Artikel beschrieben, bei der Arbeitsagentur jemanden persönlich kennen, damit man vor dem Druck, einen Kurs besuchen oder gar eine Arbeit annehmen zu müssen, geschützt wird. Dabei dürften den Arbeitsagenturen 13 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung doch pflegende Angehörige bekannt sein. Man kann seine Pflegeleistung ja nachweisen: Jeder Pflegebedürftige, der eine Pflegestufe hat, kann auch ein Pflegegutachten vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) vorweisen. Dort steht, wie groß der wöchentliche Zeitaufwand für die Pflege und die Hausarbeit ist. Dieses Gutachten ist als Kopie bei der Pflegekasse erhältlich. Selbst wenn noch ein wenig Zeit und Kraft übrig wäre, neben der Pflegetätigkeit Teilzeit zu arbeiten, müsste es sich doch irgendwie lohnen. Während die Pflegeperson arbeiten geht, benötigt der Pflegebedürftige zu Hause nämlich weiterhin Pflege. Dafür geht das Pflegegeld drauf. Man muss also einen gut bezahlten Teilzeitjob haben, um mehr als diese Ausgaben zu verdienen.
BZ-Leserbrief vom 1.3.2008 von Anne Müller, Freiburg, Krankenschwester und pflegende Angehörige


Pflege der Mutter ruiniert Sohn: Vergleich beim Sozialgericht

Die Pflege seiner kranken Mutter stürzte Stefan Krastel in den Ruin - jetzt bringt ihm ein Vergleich beim Sozialgericht etwas finanzielle Gerechtigkeit

Stefan Krastel ist erleichtert. "Das stopft das größte Loch." Zunächst das auf seinem Konto. "Und jetzt traue ich mich auch, zum Zahnarzt zu gehen." Ein Vergleich beendete gestern sein Verfahren vor dem Freiburger Sozialgericht und sichert ihm ein Jahr Nachzahlungen von Arbeitslosengeld (Alg) 2. 6000 bis 8000 Euro — eine Summe, die er gut brauchen kann. Denn Krastel hat zwar einen 24-Stunden-Job, aber keine Einkünfte. Seit neun Jahren pflegt er seine kranke Mutter. Dafür hat er alles aufgegeben, zuletzt vor drei Jahren seinen Frisörsalon. Als der 40-Jährige den Sitzungssaal der Kammer 4 betrat, war er nicht sehr zuversichtlich. Doch nach der Verhandlung sieht alles anders aus. Im Gerichtssaal sollte Richterin Claudia Burgmann darüber entscheiden, wie viel man für die Pflege eines Angehörigen opfern muss. Oder juristisch gesprochen: Wann gibt es nach Sozialgesetzbuch II Sozialleistungen?

Stefan Krastel war in eine schwierige Lage geraten: Seine verwitwete Mutter war nach einem Schlaganfall pflegebedürftig geworden. Zunächst versorgte der Sohn sie neben seiner Berufstätigkeit her, gab dann zuerst den Job auf, verkaufte schließlich den Salon, ging zuletzt an seine letzten Ersparnisse. Als nichts mehr da war, beantragte er zweimal Arbeitslosengeld, zweimal wurde der Antrag abgelehnt. Begründung: "keine Bedürftigkeit" . Krastel habe noch immer zu viel Vermögen, eine Lebensversicherung und ein Auto. Krastel legte Widerspruch ein. Das behindertengerechte Auto brauche er für den Transport, die Lebensversicherung von knapp 20 000 Euro sei seine eigene Altersvorsorge. "Ich finde es hart, dass man seine Altersvorsorge hergeben muss" , sagt Krastel. Zumal dem Land höhere Kosten entstanden wären, wenn er die Mutter ins Pflegeheim gegeben hätte.

Doch zuletzt sah er keine Wahl, als diese letzten Reserven anzuknabbern. Als er im September 2006 zum zweiten Mal Alg 2 beantragte, lag der Rückkaufswert seiner Lebensversicherung nur noch bei knapp 2000 Euro. "Das finde ich problematisch, diese Summe noch als Vermögen anzusehen" , befand Richterin Claudia Burgmann. Der Landkreis habe das Vermögen falsch berechnet, das darum den Freibetrag überschritt. Sie hingegen erkenne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld 2. "Ich finde es toll, wie Sie das machen" , betonte Burgmann. Allerdings sei die Frage, ob pflegende Angehörige einen höheren Freibetrag beanspruchen können, ob die Altersvorsorge von der Vermögensberechnung ausgenommen werde, eine politische Frage, keine für den Gerichtssaal. Ebenso, warum bei Menschen, die ihre Angehörigen in ein Heim geben, die Altersvorsorge nicht als Vermögen angerechnet wird. Zugleich deutete Burgmann an, dass sie wohl keine besondere Härte im engen juristischen Sinn erkennen könne. "In Ihrem Fall ist das hart, das sehe ich." Stefan Krastel nickte: "Selbst wenn ich finanziell wieder auf die Beine komme und arbeiten kann, komme ich nie mehr zu solchen Bedingungen in eine Lebensversicherung."
Claudia Burgmann blickte ruhig in die Runde. Dann schlug sie den beiden Parteien einen Vergleich vor: Krastel sollte ab September 2006 für ein Jahr lang Leistungen erhalten, ohne Berücksichtigung der Lebensversicherung. Walter Bauert als Vertreter des Ortenaukreises stimmte zu. Und nach einer kurzen Besprechung teilte auch Rechtsanwältin Maria Nesci für ihren Mandanten mit: "Wir wären mit einem Vergleich einverstanden." "Jetzt haben Sie endlich Ruhe und die Sache ist abgeschlossen" , sagt die Richterin. "Genau" , erwidert Stefan Krastel. Dorothee Thiel hatte die Verhandlung als Zuschauerin miterlebt. Ihre Eltern leben noch. "Wer weiß, was morgen mit ihnen ist?" Die 48-Jährige freute sich mit Krastel über das Ergebnis der Verhandlung und umarmte den Fremden für seine Leistung: "Dass er so zu seiner Entscheidung steht, Geschäft und Vermögen aufgegeben hat." Stefan Krastel hätte sich an diesem Vormittag lieber um seine Mutter gekümmert. Und doch: Die Öffentlichkeit müsse wissen, was einem in Deutschland passieren kann. Dass Menschen wie er dafür bestraft werden, dass sie ihre Familienangehörige pflegen. "Das, was mir passiert ist, sollte niemandem in Deutschland passieren." Und so mischte sich in seine Zufriedenheit auch Unverständnis. "Wenn man menschlich und wirtschaftlich das einzig Vernünftige macht, dann wird man zum sozialen Härtefall."
Yvonne Weik,16.4.2008, BZ

 

 

4350 pflegebedürftig in FR, davon 2541 zuhause: 11 Mio Euro Hilfe der Stadt

Die Zahlen des städtischen Amtes für Bürgerservice und Informationsverarbeitung machen es deutlich: Während 1910 nur 4,7 Prozent der Freiburger Bevölkerung älter als 65 Jahre waren, sind es heute mit 33 360 Menschen 16,8 Prozent. Mit zunehmender Lebenserwartung steigt freilich auch der Bedarf an Pflege. So galten Ende 2005 in der Stadt insgesamt 4350 Frauen und Männer als pflegebedürftig.

Von ihnen wurden 2541 zu Hause gepflegt — 1638 von Angehörigen, 903 von Pflegediensten — und 1809 in 21 Pflegeheimen. Die mit der Pflege verbundenen Kosten werden von den Pflegekassen der Krankenkassen gezahlt, die es seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 gibt. Allerdings reichen Pflegegeld (für Pflegehilfen) und Pflegesachleistungen (von Pflegediensten) oft nicht aus, die Kosten zu decken. Deshalb zahlt auch die Stadt Freiburg für Hilfe zur Pflege. Wie Uwe Würthenberger vom städtischen Sozial- und Jugendamt vorrechnet, betreut die Behörde zur Zeit 820 pflegebedürftige Menschen in Freiburger Heimen und unterstützt etwa 215 außerhalb der Heime (138 Frauen und 77 Männer). Für diese Hilfe zur Pflege von Menschen zu Hause wandte die Stadt 2005 knapp 2,28 und 2006 gut zwei Millionen Euro auf. Gleichzeitig zahlte sie für die Hilfe zur Pflege von Frauen und Männern in Heimen 10,3 (2005) und 8,99 Millionen Euro (2006). Voriges Jahr wurden 672 Menschen neu in Pflegeheimen aufgenommen (483 Frauen, 189 Männer). Rund zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner leben zwischen wenigen Monaten und drei Jahren in einem Pflegeheim. Etwa 60 Prozent oder gut 1000 der dort lebenden Menschen sind demenziell erkrankt. Insgesamt leben nach Auskunft des städtischen Seniorenbüros in Freiburg 2370 Frauen und Männer, die an einer Demenz erkrankt sind und deshalb einer besonderen Betreuung bedürfen. Angesichts dieser Zahlen hält Uwe Würthenberger eine Reform der Pflegeversicherung, wie sie gerade in Berlin beraten wird, für überfällig. Sie wird, wie sich im Moment abzeichnet, Freiburg etwa 45 Pflegeberaterinnen und -berater in zehn Pflegestützpunkten bescheren. Diese sollen bei den Kassen angesiedelt werden, die auch über die Einstufung in Pflegestufen entscheiden. Für Uwe Würthenberger Grund genug, schon jetzt zu mahnen: "Bei dieser Steuerungsaufgabe muss die Stadt die Federführung haben."
12.12.2007, BZ

 

Vermisstenfall im Kirchzartener Altenheim - Leserbriefe

Die Überschrift halte ich für sehr reißerisch
Mir ist wohl bewusst, dass es immer auch um Emotionen geht, wenn Menschen, ob jung oder alt, etwas zustößt, das außerhalb des normalen Lebensalltags liegt. Wenn dies dann auch noch in einem Pflegeheim passiert, gehen bei vielen Menschen die Emotionen noch mal höher. Aber auch hier würde ich mir Sachlichkeit und Informiertheit wünschen, bevor man im Bereich der Altenpflege Menschen und Situationen be- und manchmal auch verurteilt. In Ihrem Artikel geht es mir aber hauptsächlich um den Stil, der mich an manchen Stellen an ein großes Boulevardblatt erinnert. So ist für mich die Überschrift ("Gefangen in der Dunkelheit" ) sehr reißerisch. Und ich halte auch manche Passagen im Text ("
sagte er leise "hallo, hallo" , fand er den Rentner im eigenen Kot" ) hinsichtlich des Sachverhalts für unnötig. Und er ist geradezu kontraproduktiv, was das Bemühen der in der Altenpflege Tätigen um mehr Verständnis und Akzeptanz für diesen Beruf und die "Lebenswelt Pflegeheim" angeht.
BZ-Leserbrief vom 14.11.2007 von Wolfgang Bensching, Dipl.-Sozialpädagoge, Freiburg

Es ist nicht alles vorauszusehen und zu verhindern
Ich selbst war bis zu meinem Ruhestand vor drei Jahren viele Jahre als Pflegekraft und zusätzlich als Personalratsvorsitzende im Kirchzartener Altenheim tätig. In dieser Zeit habe ich sowohl den Heimleiter, Herrn Glaser, als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als kompetent, engagiert und kooperativ erlebt. Aus meiner langjährigen Erfahrung, vor allem auch mit verwirrten alten Menschen weiß ich, dass es nicht möglich ist, alles, was mit ihnen passieren kann, vorauszusehen und zu verhindern. Es gibt immer ein Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung des einzelnen Menschen und der Fürsorgepflicht der Pflegekräfte. Mit Ihrer Art der Berichterstattung gehen Sie unsensibel mit dieser schwierigen Situation um. In Zukunft werden immer mehr Pflegekräfte gebraucht werden. Glauben Sie, mit Ihrer Art der Berichterstattung jungen Menschen Mut zu machen, einen Beruf mit Verantwortung in der Pflege zu ergreifen?
BZ-Leserbrief vom 14.11.2007 von Christel Kaiser, Oberried

Es ist höchste Zeit, privat aktiv zu werden
Wenn die Aufgabe der Gesundheitsämter "nur" darin besteht, darauf zu achten, wie die Heime ausgestattet sind und ob die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind, ist das ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft! Aufsicht heißt auch Fürsorge! Wo bleiben die Emotionen und Bedürfnisse der Betroffenen? Auf der Strecke! Das gilt ebenso für das Pflegepersonal. Respekt vor den Menschen, die in solchen Heimen arbeiten, teilweise total überfordert und dazu noch schlecht bezahlt. Nichts gegen die Suchaktion — aber was hat der Einsatz von Polizei, Hunden und Hubschrauber gekostet? Solche Gelder sollte man besser in zusätzliches Personal investieren. Wir alle möchten in Würde alt werden. Die BZ-Leser mögen sich an die Serie über Alten- und Pflegeheime im Juli erinnern. Viele von uns haben im sozialem Umfeld traurige Beispiele dafür, wie schnell ein Mensch abbaut, wenn er abgeschoben wird. Der Mensch braucht eine Aufgabe, Anerkennung und Zuwendung. Wie viele Pflegefälle könnten vermieden oder herausgezögert werden, wenn durch alternative Wohnformen diese Bedürfnisse erfüllt würden? Dies würde nicht nur die Pflegekassen entlasten sondern in erster Linie mehr Lebensqualität für jeden bedeuten. Es ist höchste Zeit auf privater Ebene aktiv zu werden. Wollen wir hoffen, dass es dem alten Herrn bald besser geht und wir niemals in eine solche Situation kommen!
BZ-Leserbrief vom 14.11.2007 von Heidi Reiser, Ballrechten-Dottingen

Engagement von Angehörigen könnten diese Unfälle vermeiden helfen
Traurig bin ich über die Menschen, die glauben, ihre Jungen, Alten, oder Pflegebedürftigen in andere Hände geben zu können, und sich dann, ohne sich jemals selbst an deren Pflege beteiligt zu haben, sich aufregen, sich profilieren, diejenigen zur Verantwortung ziehen, deren monatliche Überstunden sie niemals auch nur in einem Jahr schreiben würden. Nicht zu sprechen von all den Ehrenamtlichen die ihre Freizeit mit Bedürftigen verbringen, diesen helfen bei ganz alltäglichen Dingen, ohne deren Töchter, Söhne, Enkel, Nichten jemals gesehen zu haben, geschweige davon, dass diese beim Essen, Waschen, zu Bett gehen und so weiter helfen würden. Ehrenamt wäre wohl eine Sache der Angehörigen und es würde allen nützen, wenn Angehörige sich mehr einsetzen würden im Alltag ihrer noch lebenden Lieben. Die Angst davor, etwas falsch zu machen, derer ist sich jeder Pfleger tagtäglich bewusst. Wollen wir aber stattdessen alle Dementen anbinden, an Stühle und Tische, sie ruhigstellen, damit wir die Tagesaufgaben — mit wenig Personal und wenig Mitteln — bewerkstellige können, so wie es in sehr vielen Heimen Alltag ist? Wegschauen ist auch schauen. Wir könnten wissen, wie es mancherorts zugeht, denn es ist kein Geheimnis, sondern eiskalte Realität. Da werden dann genau diejenigen, die die Aufgabe an andere abgegeben haben, rechtzeitig informiert, ihre ach so Lieben fein hergerichtet zur letzten, nicht mehr wahrgenommenen Stunde, sauber und gut duftend. Altenpflege ist eine Dienstleistung, so wie jede Pflegedienstleistung. Aber wenn Angehörige sich selbstverständlich engagieren würden, dann bräuchten viele Menschen nicht zu leben und zu sterben wie viele das tun. Es würde den Verstand erweitern, selbst mit dabei zu sein, ein- oder zweimal im Jahr wenigstens, bei rollierendem System. Man hätte das Gefühl, seine Aufgabe zu erfüllen, dem Älteren ein Zusammensein zu ermöglichen, Pflegekräfte zu unterstützen, Einblicke zu erfahren und mit dabei sein zu können. In Kirchzarten herrscht nicht nur die Caritas, es gilt auch Nächstenliebe. Freuen wir uns darüber, dass es dies noch gibt. Alle sind eingeladen zu schauen, zu kommen. Wo seid ihr, die ihr bereit seid, geschminkt vor der Presse zu sprechen, jedoch nicht mit euren Alten oder gar mit den Pflegekräften? Engagement im Alltag von Angehörigen könnte diese Unfälle vermeiden helfen und bessere Bedingungen schaffen. Auf gehts! Heute! Ihr Lieben!
BZ-Leserbrief vom 14.11.2007 von Gabrielle Koneczny, Tenningen

Betroffenheit und Anteilnahme
Als Mitarbeiter im Pflegeheim und Betreutes Wohnen in Kirchzarten ist es unser Wunsch, unsere Betroffenheit und Anteilnahme im Zusammenhang mit dem Verschwinden unseres Bewohners, Herrn A., zum Ausdruck zu bringen. Wir wollen das Geschehene nicht rechtfertigen, es hätte nicht passieren dürfen und tut uns sehr leid. Die anwesenden Mitarbeiter beteiligten sich freiwillig über ihren Dienst hinaus an der Suche, zusätzliches Personal wurde angefordert, alle notwendigen Schritte wurden in Abstimmung mit der Heimleitung und der Polizei getan. Leider blieb unsere Suche ebenso wie die der professionellen Helfer (DRK, Polizei und Hundestaffel) erfolglos. Alle an der Betreuung und Pflege verwirrter und pflegebedürftiger alter Menschen Beteiligten sind hohen Belastungen ausgesetzt und leisten den täglichen Spagat zwischen Menschlichkeit und wirtschaftlichen Sachzwängen. Eine unnötige Diskriminierung durch unsachliche Berichterstattung muss unserer Meinung nach nicht auch noch sein!

BZ-Leserbrief vom 5.12.2007 von Peter Wangler, Mitarbeitervertretung Pflegeheim Kirchzarten

Den Rest gilt es auszuhalten
Unfälle passieren überall, keine noch so guten Sicherheitsvorkehrungen können es mit der Fantasie und Intuition derer, die sie durchbrechen, aufnehmen. Man kann nur nach Möglichkeit, wie dies auch im Pflegeheim und Betreutes Wohnen Kirchzarten geschah, Unfällen vorbeugen. Ein Restrisiko bleibt angesichts der knappen finanziellen- und personellen Ressourcen und der Freiheit des Menschen zu handeln. Den Rest gilt es auszuhalten. Unfälle, wie die im Artikel geschilderten, gibt es auch in anderen Einrichtungen: Eine gute Freundin, ehemals Leiterin einer großen Alteneinrichtung im Rheinland, suchte zusammen mit Mitarbeitern, Sohn und Polizei zwei Tage lang bis zur Erschöpfung eine alte orientierungsschwache Bewohnerin. Sie fanden sie schließlich zusammengekauert, verwirrt und dehydriert in einer dunklen Speicherecke. Der Sohn war froh über den positiven Ausgang der Not. Er sah es so: Lieber sollte seine Mutter Bewegungsfreiheit im Haus haben, als durch Medikamente ruhiggestellt werden. Mit jetzt schon 71 Jahren wünsche ich mir, dass meine Angehörigen es aushalten, wenn ich ein wenig verwirrt einen Teil der verbliebenen kleinen Freiheit zum Herumlaufen nutze, auch auf die Gefahr hin, mich zu verirren.
BZ-Leserbrief vom 5.12.2007 von Prof. Uta Löckenhoff, Freiburg

 

Pflegebegleiter: Bundesmodellprojekt ab Ende November

Mit Zunahme der allgemeinen Lebenserwartung sind immer mehr Menschen im fortgeschrittenen Alter auf Unterstützung angewiesen. Diese wird vorrangig von Angehörigen geleistet. 70 Prozent der Betroffenen werden zu Hause gepflegt. Vor diesem Hintergrund wurde das Bundesmodellprojekt "Pflegebegleiter" ins Leben gerufen. Pflegebegleiter bieten "Hilfe zur Selbsthilfe" für pflegende Angehörige. Die vielfältigen Unterstützungsangebote reichen von der ersten Kontaktaufnahme über Gespräche im häuslichen Bereich bis hin zur Hilfestellung bei Behördengängen.

Das bis zum Jahr 2008 laufende Projekt startet jetzt auch im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit der Schulung von Pflegebegleitern. Projektträger sind der Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sowie die Sozialstation Südlicher Breisgau. Der Landkreis hat die Schirmherrschaft übernommen. Der Kurs wird zunächst an zwei verschiedenen Standorten angeboten. Der Umfang beträgt 60 Stunden und beinhaltet 2 Exkursionen. Die Kosten werden vom Projekt getragen. Alle Teilnehmer erhalten ein Zertifikat.
Die erste Schulung für den Bereich Kaiserstuhl beginnt am 30. November und findet immer freitags von 15.00 bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 17.00 Uhr in Freiburg-Lehen statt. Die zweite Schulung im Einzugsbereich Südlicher Breisgau wird voraussichtlich im Mai 2008 beginnen. Für alle am Bundesmodellprojekt interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie für pflegende Angehörige findet am 13. November von 20 bis 21.30 Uhr eine Informationsveranstaltung in der Spitalkirche in Breisach (Marienau) statt.
Viele Angehörige pflegen sehr lange, verausgaben sich, vereinsamen und laufen (spätestens nach Abschluss der Pflegetätigkeit) Gefahr, selbst krank zu werden. Angebote zur Entlastung bei der Pflege reichen oft nicht aus. Pflegende sind vor allem an einer Erweiterung ihrer Kompetenzen interessiert, damit die Pflege sinnerfüllt erlebt wird und die Gestaltung für alle Beteiligten befriedigend ist. Das Wissen über Krankheitsbilder wie beispielsweise Demenz und die Kenntnis von Unterstützungs-möglichkeiten ermöglichen den Pflegenden eine effektivere Organisation des Alltags.

Das "pflegeBegleiter" -Projekt hat 3 Schwerpunkte: Selbstsorge, Kompetenzentwicklung und Vernetzung. Denn gute Pflege kann nur gelingen, wenn ein Pflegender auf sich und seine Gesundheit achtet, seinen Arbeitsalltag effektiv und sinnerfüllt gestaltet sowie Hilfsangebote kennt und diese auch in Anspruch nimmt. Ziel ist die Schaffung einer gemeinsamen Verantwortlichkeit für die Sorge pflegebedürftiger Menschen in der Nachbarschaft, der Kommune und der Gesellschaft. Nach dem Kurs bestimmen die ausgebildeten Pflegebegleiterinnen und Pflegebegleiter Art und Umfang ihres zeitlichen Engagements selbst. Neben einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch gibt es eine kontinuierliche fachliche Begleitung. Das Bundesmodellprojekt "pflegeBegleiter" wird von Cornelia Kricheldorff vom Institut für Angewandte Forschung, Entwicklung und Weiterbildung (IAF) an der Katholischen Fachhochschule Freiburg wissenschaftlich begleitet. Sie wird bei der Informationsveranstaltung in Breisach durch den Abend führen und alle Fragen zum Thema beantworten.
31.10.2007, Caritas

Pflegebegleiter: Ansprechpartnerin für Interessierte ist Renate Brender,
Sozialarbeiterin beim Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald,
Telefon 0761/8965-433 (renate.brender@caritas-dicv-fr.de)
 www.caritas-breisgau-hochschwarzwald.de

 

Patientenverfügung: Ratschläge und Fragen

Soll die Entscheidung, eine hoffnungslose Therapie fortzusetzen, beim Arzt liegen, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann? Die überwiegende Mehrheit der Deutschen sagt Nein und ist in Umfragen entschlossen, dies mit einer Patientenverfügung zu verhindern. Aber kann man sich darauf verlassen, dass diese Willensbekundung nicht übergangen wird? Anbei wichtige Fragen und Antworten zum Thema Patientenverfügung.

Wie sicher kann ich sein, dass meinem Willen Folge geleistet wird?
Der behandelnde Arzt ist rechtlich nicht verpflichtet, sich nach der Patientenverfügung zu richten. Führt er allerdings eine therapeutische Handlung gegen den Willen des Patienten aus, gibt er Medikamente, beatmet er künstlich oder operiert er gar, macht er sich der Körperverletzung schuldig. Ein Mediziner muss sich deshalb bemühen, den Willen des Patienten zu erforschen. Neben einem Gespräch mit den Angehörigen kann ihm dabei eine Patientenverfügung helfen. Insofern bleibt
es dem Betroffenen nicht erspart, den Arzt oder Betreuer, der dann über seinen Willen zu befinden hat, von seinem Anliegen zu überzeugen.

Welche formellen Anforderungen müssen eingehalten werden?
Bis heute gibt es noch keine endgültige gesetzliche Regelung dafür, wie eine Patientenverfügung verfasst sein muss, damit sie gültig ist. Aufsetzen kann sie jedenfalls jeder, der sich der "Tragweite seiner Entscheidung bewusst ist" . Dass heißt, dass selbst Minderjährige oder andere nicht voll geschäftsfähige Personen eine Patientenverfügung verfassen dürfen. Bei unter 18-Jährigen dürfen die Ärzte aber nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten entscheiden. Eine Patientenverfügung muss nicht, sollte aber schriftlich aufgesetzt werden. Ob Sie diese mit der Hand schreiben oder doch mit dem Computer, tut nichts zur Sache. Solange sie lesbar und verständlich ist.

Kann man sich helfen lassen?
Wird die Patientenverfügung zusammen mit dem Hausarzt ausgestellt oder zumindest von ihm unterschrieben, gewinnt sie an Überzeugungskraft. Die
Verbraucherzentrale empfiehlt, sich vom Mediziner oder zumindest einer Person des eigenen Vertrauens bestätigen zu lassen, dass man zum Zeitpunkt der Unterschrift " im Vollbesitz der geistigen Kräfte" war und sich im Zustand der "Einwilligungsfähigkeit" befand. Auch eine Beratung durch einen Mediziner oder anderen Fachmann kann ratsam sein. Schließlich sind nicht alle in der Lage zu beurteilen, welche Komplikationen ein Schlaganfall mit sich bringen kann und wie die Chancen stehen, aus einem Koma aufzuwachen. Laut der Verbraucherzentrale ist es empfehlenswert, sich diese Beratung ebenfalls auf der Verfügung bestätigen zu lassen. Eine notarielle Beurkundung ist nicht notwendig und kostet nur Geld. Auch manche Ärzte rechnen das Gespräch ab (meist rund 20 Euro). Die Kasse übernimmt die Summe nur, wenn die Beratung im Rahmen einer bestehenden Krankheit erfolgt.

Wie lange ist eine Patientenverfügung gültig?
Prinzipiell verjährt eine Patientenverfügung nie. Trotzdem sollte man sie alle zwei Jahre und vor größeren Eingriffen überprüfen oder sie gegebenenfalls für die anstehende Behandlung konkretisieren und dies auf der Verfügung kenntlich machen. Je aktueller eine Willensbekundung ist, desto besser. Soll alles so bleiben wie es ist, vermerken Sie auch das mit Ihrer Unterschrift. Wichtig außerdem: Eine Patientenverfügung kann man jederzeit noch am Krankenbett widerrufen. Sie sollten auf jeden Fall immer eine Karte mit Hinweis auf den Aufbewahrungsort Ihrer Verfügung mit sich herumtragen. Es gibt auch die Möglichkeit, diese bei einer zentralen Stelle wie der Deutschen Hospizgesellschaft zu hinterlegen.

Wie sinnvoll sind Mustervordrucke?
Zahlreiche Verbände oder Selbsthilfegruppen bieten — teilweise gegen Bezahlung — Mustervordrucke an. In juristischer Hinsicht beurteilen Fachleute solche Vordrucke eher kritisch: Für persönliche Wünsche, für Beschreibungen der individuellen Situation oder Gründe sei kaum Platz vorhanden. Wer später überzeugen möchte, tue gut daran, eigene Worten zu wählen. Manche Institutionen wie die Verbraucherzentrale bieten Textbausteine als Formulierungshilfe an.

Reicht die Patientenverfügung aus?
Es empfiehlt sich, sie mit Vorsorge- und Betreuungsvollmacht zu kombinieren. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie einen oder mehrere Personen bevollmächtigen, Entscheidungen für Sie zu fällen oder Verträge zu unterschreiben. Durch eine separate Erklärung können Sie erreichen, dass die Vollmacht erst in Kraft tritt, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen.

Verbraucherzentrale: Patientenverfügung, 96 Seiten, 5,90 Euro. Bestellbar beim: Versandservice der Verbraucherzentralen, Aderstraße 78, 40215 Düsseldorf, Tel 0180 / 500 14 33.
www.vz-nrw.de Versand: 2,50 Euro

 Michael Brendler , 14.10.2007, www.badische-zeitung.de

 

 

Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht

Dass es auf diesem Gebiet "schwarze Schafe" gäbe, hört man ja leider immer wieder. Aber ich persönlich habe in Freiburg ganz andere Erfahrungen gemacht. Meine verstorbene Frau wurde über längere Zeit im Sankt Marien-Pflegeheim in der Talstraße betreut. Ich bin dem Leiter und der Betreuerin dieser Einrichtung bis heute zutiefst dankbar, in welch persönlicher und sorgfältiger Weise meine Frau dort umsorgt und gepflegt wurde. Ich selber werde auf Grund schwerwiegender Behinderungen ambulant vom Pflegenetz der Uni-Klinik betreut. Auch hier kann ich nur sagen "Hut ab" vor diesen Mitarbeitern, die mit vollem Einsatz ihre schwere Aufgabe bewältigen! Einmal aus Dankbarkeit und zum anderen aus großem Respekt vor dieser Tätigkeit hatte ich das Bedürfnis, auch einmal die andere Seite zu schildern.
BZ-Leserbrief vom 15.9.2007 von Heinz Rauer, Freiburg

 

Heilerziehungspflege-Ausbildung über die Caritas seit 10 Jahren

Freiburg. Die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger bzw. zur Heilerziehungspflegerin wird vom Caritasverband Freiburg-Stadt seit 10 Jahren angeboten. In den vergangenen Jahren konnten so über 60 junge Menschen die Ausbildung mit Erfolg abschließen.

Auch in diesem Jahr haben wieder vier Auszubildende ihre Ausbildung in verschiedenen Behinderteneinrichtungen begonnen. Sie lernen Menschen kennen, die körperlich, seelisch oder geistig behindert sind. Dabei geht es nicht nur um Pflege und Betreuung. Es soll ein Gespür dafür entwickelt werden, welche Fähigkeiten bei dem Einzelnen vorhanden sind und wie diese gefördert werden können; Wahrnehmungen und Reaktionen erkennen und darauf eingehen, sich Zeit nehmen - diese Aufgaben stehen in der Heilerziehungspflege im Vordergrund. Die Zusammenarbeit im Team, mit Eltern und Angehörigen, Ärzten, Psychologen und Heilpädagogen ist dabei Voraussetzung. Die Ausbildung wird in Zusammenarbeit mit den Fachschulen in Herten, Rottweil und Kehl-Kork angeboten. Die Ausbildung dauert vier Jahre und gliedert sich in zwei Abschnitte - ein einjähriges Vorpraktikum und eine dreijährige duale Ausbildung. Der zweite Teil gliedert sich in jeweils eine Woche Unterricht und zwei Wochen Mitarbeit in einer Behinderteneinrichtung des Caritasverbandes Freiburg-Stadt. Nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung wird die staatliche Anerkennung erteilt.
Karlheinz.Gaessler at Caritas-Freiburg.de , 11.9.2007

 

Die Darstellung des Pflegeberufes ist mangelhaft und abwertend

Es liest sich befremdlich, was im Artikel über "Schwester Petra - Eine rau für die Nacht" und deren pflegerische Tätigkeiten im Nachtdienst geschrieben steht. Als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, so ist seit dem 1. Januar 2004 die korrekte Berufsbezeichnung der früheren Krankenschwestern, empfinden wir die Darstellung des Pflegeberufes als mangelhaft und abwertend, und das aus vielerlei Gründen.

Schon die Überschrift "Eine Frau für die Nacht" vermittelt Assoziationen, die sich auch auf das Rotlichtmilieu übertragen lassen. Der Pflegeberuf hat viele Inhalte, und eine Reportage darüber benötigt keine reißerische Überschrift. Der Nachtdienst ist für alle im Schichtbetrieb Tätigen eine sehr anstrengende, aber geregelte Arbeitszeit. Nicht korrekt ist es allerdings, wenn acht Nachtdienste ohne Unterbrechung geplant werden. Diese Dienstplanung entspricht nicht dem Arbeitszeitgesetz, das vor allem für Nachtarbeiterinnen bestimmte Schutzregelungen vorsieht. Ob im Tag- oder Nachtdienst, Pflegende haben bereits nach der Schichtübergabe einen Überblick über die Stationsbelegung - dazu benötigen wir nicht acht Nachtdienste. Wir sind in professioneller Gesprächsführung ausgebildet. Deshalb ist es die Regel und nicht die Ausnahme auch mit schwerhörigen Patienten professionell zu kommunizieren. Vergleiche mit Lautsprecherdurchsagen auf Großstadtbahnhöfen sind daher völlig inakzeptabel. Zudem werten Sie die Pflegenden nicht auf, wenn Sie beschreiben, dass "Schwester Petra" die Dringlichkeit eines Notfalles von einem Verbandswechsel unterscheiden kann. Empathie für kranke Menschen wird dargestellt, als sei sie eine Luxusleistung, die nur erbracht werden kann, wenn "vorgeschriebene Kontrollgänge wegen Unter-der-Hand-Absprachen" nicht eingehalten werden. Die Pflegedokumentation ist notwendiger Nachweis der erbrachten Pflegeleistungen in einer bestimmten Qualität, damit also auch ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Im Artikel wird suggeriert, als wäre die Dokumentation unnütz und überflüssig, und zudem brauchten die Pflegenden dafür viel zu lange. Falls "Schwester Petra" tatsächlich zwei Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem "Papierkrieg" zubringt, gibt es eindeutig Bedarf, die Organisationsstrukturen der Station zu überdenken.
Es ließe sich zu dem Artikel von Frau Frank noch vieles anmerken. Unserer Ansicht nach scheint dieser Artikel dem "Sommerloch" geschuldet zu sein. Einem korrekten Bild qualitativ hochwertiger Pflege entspricht er jedenfalls nicht.

BZ-Leserbrief vom 18.8.2007 von
Ursel Preuß, Gesundheits- und Krankenpflegerin für Onkologie, und
Ulrike Thielhorn, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Diplom-Gesundheitswissenschaftlerin, Freiburg

 

 

Eine Frau für die Nacht

Patientenversorgung, Wunddokumentation, Verlaufskurven, Pflegedokublätter: Eine Nacht auf der Krankenstation

Kinder, wie lange dauert das denn?" Die aristokratische Dramatik ihrer Stimme wird durch die vorwurfsvoll in Falten gelegte Stirn vollendet. Das lederne Gesicht seitlich ins weiße Kissen gedrückt, haftet ihr dennoch etwas Aufrechtes an. Altersschwach hängen ihr die grauen Haare vom weit zurückgewichenen Ansatz bis auf die Schultern. Mit einer schnellen, exzentrischen Bewegung wirft die Patientin das Leintuch zurück und zieht sich am Gitter empor, bis ihre Arme vor Anstrengung zittern. Allein der Grund ihrer Qualen will nicht recht zur Theatralik des Augenblickes passen: "Ich muss aufs Klo!" Schwester Petra reagiert mit der Emotionsgeladenheit eines Fahrkartenkontrolleurs: "Sie können nicht aufstehen. Ich bringe Ihnen eine Bettpfanne." Die Patientin lässt sich ins Bett zurückfallen und legt ihre knorrige Hand ums rechte Ohr: "Was?" Petra Moritz wiederholt deutlich lauter, jedoch ohne Erfolg. "Ich hab’ sie nicht verstanden!", klagt die alte Frau. Die Schwester seufzt. "Ich hole die Bett pfanne!" Trotz gewisser Affinitäten zur Lautsprecherdurchsage im Münchner Hauptbahnhof bleibt ihr Tonfall geduldig wie zuvor. Die Patientin hat endlich verstanden und nickt besänftigt.

Petra holt aus dem Entsorgungsraum nebenan eine Bettpfanne. Sie beugt sich über das Gitterbett. Mit routiniertem Griff legt sie einen Arm in die Kniekehlen der Wimmernden und hebt den Unterkörper an. Doch noch bevor sie eine wattierte Schutzunterlage auf der Matratze zurechtrücken kann, tönt der Piepser aus ihrem Ausschnitt. Sie schaut auf den Display: "Patientenruf aus Zimmer 640" . In Sekundenschnelle entscheidet sie, ob es sich um einen Notfall handeln könnte. "640 - das ist die Frau Weigener. Da muss man bloß den Verband wechseln. Und sonst ist da niemand." Nach acht Nächten in Folge hat Petra Moritz den Belegplan ihrer Station vollkommen verinnerlicht. Sie kennt ihre Patienten, weiß auf welchem Zimmer sie liegen und aus welchem Grund sie eingeliefert wurden. Sie weiß, dass Herr Huber gegen 23 Uhr klingelt und Durst hat und Herr Kratzky im Laufe der Nacht noch über so große Schmerzen klagen wird, dass sie ihm Morphium verabreichen muss. Bereits auf dem Weg nach Zimmer 640 nimmt sie im Schwesternzimmer Wundsalbe und eine neue Kompresse mit. "In der letzten Nacht der Schicht ist man zwar körperlich vollkommen am Ende", sie streicht wie zur Bekräftigung ihre blauschwarzen Augenringe aus, "aber ich hab’ mir dann einen Überblick verschafft und das spart viel Zeit und Nerven."
Zeit ist zweifelsohne das, woran es hier am meisten mangelt. Unter der Hand hat Petra mit ihren Patienten vereinbart, dass sie zwischen ein und vier Uhr nur vorbeischaut, falls man per Piepser nach ihr verlangt. Würde sie die vorgeschriebenen zweistündigen Kontrollgänge einhalten, wäre ihr Dienst längst zur Massenabfertigung verkommen. So aber kann sie sich neben der Standardfrage nach dem Befinden zumindest noch erkundigen, wie der Mann zu Hause alleine zurechtkommt und ob die Tochter heute schon zu Besuch war. "Man muss sie spüren lassen, dass man ernsthaft an ihnen interessiert ist. Dass sie Menschen sind mit einem Leben vor und nach dem Krankenhaus, mit Freunden und Familie. Nicht einfach die Oberschenkelhalsfraktur mit chronischer Schilddrüsenüberfunktion."

Momentan sind die 36 Betten ihrer Station nicht voll besetzt, so dass sie nach anderthalb Stunden den Rundgang beenden kann. Jetzt widmet sie sich ihren wahren Sorgenkindern: Wunddokumentation, Verlaufskurven, Pflegedokublätter warten im Schwesternzimmer.
"Der Papierkrieg macht inzwischen zwei Drittel meiner Arbeit aus. Wir wissen gar nicht wohin mit all der Transparenz." Sie deutet, auf die Türme von beigefarbenen Plastikablagen. Dann beugt sie sich wieder über die Akten. Auf der Glastür klebt unterhalb des Schriftzugs "Schwestern" eine Kinderzeichnung von Florian. Gleich neben dem Kruzifix flattern Klarsichtfolien mit den Privatnummern der Belegärzte und dem Piepserverzeichnis im Durchzug. Man hat sie mit Mullbinden angeknotet.
Petra hat ihren rechten Fuß auf den untersten Griff der ockergelben Schreibtischschubladen gestellt. Die weiße Leinenhose ist bis zum Knie nach oben gerutscht und gibt ein gebräuntes Bein frei. Nein, die Postkarte an der Magnettafel mit den Cheopspyramiden ist nicht von ihr. Die Urlaubsbräune hat sie Betacarotinkapseln zu verdanken. "In der Sonne bin ich selten." Wenn sie vom Krankenhaus kommt, will sie nur noch eins: ihre Ruhe. "Es tut weh mit anzusehen, wie Freundschaften auf der Strecke bleiben. Nachdem ich meinen Sohn ins Bett gebracht habe, gehe ich zur Arbeit, nicht in den Biergarten. Wenn ich Feierabend habe, kommt mir der Berufsverkehr entgegen. Manchmal fühl’ ich mich wie ein Falschfahrer auf der A9."
Unter sterilen Neonröhren notiert sie, wie viele Schlaftropfen sie dem Jungen mit dem gebrochenen Arm gegeben hat. Der Rechner surrt, auf dem Gang verhallt ein Husten, ein weiteres Plastikregister klatscht auf den Stapel, sonst ist alles still. Petra blickt zur Bahnhofsuhr an der Außenseite des Schwesternzimmers, ihr Gesicht spiegelt sich in der Verglasung.

Zeit für den nächsten Kontrollgang. Das Stethoskop baumelt noch immer um ihren Hals, die Hand greift nach dem Fiebermessgerät. Birkenstocksandalen eilen über Linoleumboden. Die breiten Türen öffnet sie gerade so weit, dass sie den Kopf hindurchstecken kann. Ein schmaler Lichtkegel fällt auf das Gitterbett des Kranken. Sie lauscht mit angehaltenem Atem. Gleichmäßiges Schnaufen, zweistimmig. Zufrieden schmunzelnd schließt sie die Tür. Gegen halb acht wird sie nach Hause gehen und mit ihrem Sohn frühstücken. In der nächsten Woche werden sie versuchen, das nachzuleben, was in der vergangenen tabu war.
Svenja Frank , 6.8.2007, www.badische-zeitung.de

 

Vermittlung von Pflegekräften: Drei Möglichkeiten

Wer unsicher ist, ob Vermittlungsagenturen für Pflegekräfte legal arbeiten, kann sich an die Agentur für Arbeit oder die Zollbehörden wenden.

  • Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn. Sie vermittelt Haushaltshilfen aus osteuropäischen Ländern an Familien mit pflegebedürftigen Personen. Die Familie ist dann Arbeitgeber. Allerdings: Sie dürfen nur 38,5 Stunden als Haushaltshilfe arbeiten - Pflegeaufgaben sind offiziell tabu. Kosten: ab 1300 Euro/Monat.
  • Vermittlungsagenturen stellen den Kontakt zu Pflegerinnen aus Osteuropa her - die Dienstleistungsfreiheit in den EU-Ländern macht es möglich. Kosten: ab 1200 Euro. Die Kräfte sind bei einer Agentur im Ausland angestellt und sozialversichert. Adressen gibt es im Internet. Die Agenturen kassieren allerdings hohe Gebühren, sodass die Pfleger wenig Lohn abbekommen. Nicht alle dieser Agenturen arbeiten ganz legal.
  • Private Vermittlung: Der billigste, aber illegale Weg. Kein Vertrag, keine Sozialabgaben und Steuern. Kosten: ab 800 Euro.

19.7.2007

 

Suche nach dem geeigneten Pflegeheim - Heimaufsichten

Die Gruppe ist klein, die sich an diesem Nachmittag zu einem Rundgang im Augustinum in Freiburg einfindet. Lediglich zwei Seniorinnen wollen wissen, was die luxuriöse Seniorenresidenz unterhalb des Schönbergs bietet. Langsam geht es durch die langen und breiten Gänge, während die Mitarbeiterin des Wohnstifts, Edeltraud Köbelin, Fragen beantwortet. Eine Plauderei mit Bewohnern des Heims ist den Damen nicht vergönnt, die Gänge sind wie ausgestorben. Es herrscht Mittagsruhe. Außer den Handläufen erinnert hier nichts an eine Seniorenwohnanlage — Hotelatmosphäre trifft es besser. Dazu passt das Schwimmbad im Untergeschoss, nebenan das Fitnessstudio sowie die große Gymnastikhalle und das Restaurant im Eingangsbereich. All das gefalle ihnen sehr, sagen die Damen. Sie könnten sich gut vorstellen, hier zu wohnen. "Wie teuer ist das denn?" , möchte die 73-jährige Inge Schneider (Name von der Redaktion geändert) wissen. Die Antwort gefällt ihr umso weniger. 2340 Euro monatlich koste eine 46 Quadratmeter große Wohnung im Stift, erklärt Edeltraud Köbelin. 3630 Euro müssten für 79 Quadratmeter aufgebracht werden. Für den Lebenspartner kämen noch einmal 530 Euro hinzu. Freilich alles ohne Pflegekosten. Nur wenige Senioren können sich das leisten. Und auch Inge Schneider resümiert enttäuscht: "Das ist für uns zu viel."

Wie das Augustinum bieten immer mehr Träger direkte Einblicke in ihre Häuser, bestätigt das Seniorenbüro der Stadt Freiburg. Dort greift man betroffenen Senioren und deren Angehörigen bei der Suche nach einem geeigneten Heim seit mehr als einem Jahrzehnt unter die Arme. Allein im vergangenen Jahr verzeichnet die Statistik über 300 Beratungsgespräche der Heimplatzvermittlung. Fachleute helfen mit, unter den 21 Einrichtungen in Freiburg das passende, aber auch bezahlbare Heim zu finden. Die monatlichen Kosten für einen Platz liegen etwa zwischen 2500 und 3500 Euro, abhängig von der Pflegestufe. Reichen die Leistungen der Pflegeversicherung und Rente dafür nicht aus, müssen gegebenenfalls Angehörige einspringen, wenn nicht eine bestehende Pflegezusatzversicherung Löcher stopfen kann. Funktioniert das alles nicht, können ergänzende Sozialleistungen beantragt werden. Auch darüber informieren solche Beratungsstellen, die es auch bei den Landratsämtern gibt. Diese Stellen helfen meist gut weiter. Dennoch muss man, so die Erfahrung vieler, zusätzlich noch eine Menge Zeit in die Suche investieren. "Das ist auch dringend notwendig" , rät Guido Willmann vom Seniorenbüro. Doch die Realität sei leider eine andere: "Die meisten trifft es unvorbereitet — in der Regel nach einem Schlaganfall des Partners oder eines Angehörigen suchen sie schnell einen Pflegeplatz."

Alter und Pflege sind für die meisten Menschen immer noch ein Tabu. Das Thema wird erst dann angegangen, wenn ein Schicksalsschlag einen dazu zwingt. Viel zu spät. Dabei sprechen die Zahlen für sich: 2005 waren deutschlandweit über zwei Millionen Menschen pflegebedürftig. Mehr als zwei Drittel davon wurden zu Hause versorgt. Doch dieser Anteil sinkt. Immer häufiger fühlen sich die Angehörigen — aus verschiedensten Gründen — nicht mehr in der Lage, die Pflege selbst zu übernehmen. Schon aus diesem Grund werden Pflegeheime und die Qualität der professionellen Pflege immer wichtiger. In Baden-Württemberg wurden vor zwei Jahren fast 80 000 Senioren in Heimen versorgt. Bis 2030 könnte diese Zahl laut Statistischem Landesamt auf knapp 130 000 anwachsen. Die "Definition des Pflegebegriffs ist völlig im Umbruch", sagt der Pflegeexperte der Katholischen Fachhochschule Freiburg, Hermann Brandenburg. Die Pflege dürfe nicht mehr nur als Handwerk begriffen, sondern müsse durch andere Komponenten wie Beratung, Prävention, Intervention und Pflegemanagement ergänzt werden, um so die Lebensqualität der Pflegebedürftigen zu sichern und zu verbessern. Doch wie diese Theorie zu gängiger Praxis machen, wenn die Einrichtungen heute schon mit Pflegenotstand und knappen Ressourcen zu kämpfen haben? Dennoch, es gibt sie, die guten Heime, in denen die alten Menschen ein würdiges, selbstbestimmtes Leben führen. Aber es gibt auch die schlechten Heime, in denen die Senioren abgestellt, sich selbst überlassen dahindämmern. Bei der Heimwahl ist es für die Betroffenen und deren Angehörige jedoch nicht einfach, diese Heime zu unterscheiden. Helfen können so genannte Leitfäden oder Checklisten, wie sie das Freiburger Seniorenbüro oder das Bundesministerium für Senioren entwickelt haben (siehe auch Kasten unten). Anhand solcher Hilfsmittel lassen sich wichtige Punkte gezielt beantworten.

Die Heimaufsichten der Städte und Kommunen versuchen, die gesetzlich vorgeschriebenen Standards zu gewährleisten. Einmal im Jahr müssen sie jede Einrichtung in Augenschein nehmen, so die gesetzliche Vorgabe. Nicht immer jedoch sind Pflegefachkräfte dabei, die, wie ein Vertreter der höheren Heimaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg sagt, "die Qualität der Pflege auch unter den Bettdecken der Heimbewohner" beurteilen könnten. Das aber wäre notwendig, um die Pflegeergebnisse konkret zu bewerten. "Die Besuche sind häufig sehr technisch, sehr bürokratisch. Gespräche mit Bewohnern, Angehörigen oder Pflegekräften kommen dagegen selten zu Stande" , kritisiert Siegfried Wolff vom Institut für Qualitätskennzeichnung sozialer Dienstleistungen in Filderstadt, das Einrichtungen auf freiwilliger Basis kontrolliert und zertifiziert. "Die Heimaufsichten sind personell und finanziell einfach zu schlecht ausgestattet." Darin wird Wolff auch vom Landesseniorenrat unterstützt. Der wünscht sich zudem mehr Transparenz und Einsicht in die Untersuchungsberichte der Heimaufsichten. "Die schotten sich total ab" , klagt die Geschäftsführerin Birgit Faigle. Gute Pflege aber werde dort geleistet, wo die Heime offen seien, wo Heimbeiräte weitgehende Mitspracherechte besäßen und wo sich Angehörige, aber auch Bürger in den Heimen einbringen dürften. Beim Landesseniorenrat hofft man nun darauf, dass das Sozialministerium in Stuttgart diese Ideen beim neuen Landesheimgesetz mitberücksichtigt. Zum Jahresende soll es fertig sein — vielleicht wird es dann einfacher, das richtige Heim zu finden.
 

10 Punkte zur Suche nach dem geeigneten Pflegeheim

Zehn wichtige Punkte sollten Sie sich bei der Suche nach einem geeigneten Heim im Vorfeld beantworten. Die Antworten können Ihnen die Entscheidung erleichtern.

1. Machen Sie sich klar, welche Unterstützung Sie brauchen. Reicht eine ambulante Pflege, vielleicht auch eine teilstationäre (Tagespflege) noch aus, oder müssen Sie auf eine stationäre Einrichtung zurückgreifen?

2. Wie können Sie die Finanzierung der Pflege sichern? Reicht die Rente/Pension zusammen mit den Leistungen der Pflegeversicherung aus?

Gibt es eine Pflegezusatzversicherung, die die Kosten decken hilft? Oder muss ich die Hilfe von Angehörigen oder die Sozialhilfe zusätzlich in Anspruch nehmen?

3. Welche Heime kommen in Frage? Heimbesuche sind unerlässlich: Wo liegt das Heim, wie ist seine Umgebung, wie sieht es im Innern aus, wie riecht es im Heim, wie ist der Umgangston?

4. Wer führt das Haus? Handelt es sich um einen gemeinnützigen, öffentlichen oder privaten Träger? Lässt er die Mitwirkung der Bewohner und Dritter (Heimbeirat) zu oder schottet sich das Heim ab?

5. Wie ist die bauliche Situation des Hauses? Gibt es spezielle Demenz- oder Pflegeabteilungen? Wie sind die Wohnbereiche gestaltet? Können eigene Möbel aufgestellt werden oder überwiegt der Anstaltscharakter?

6. Wie sieht das Pflege- und Betreuungskonzept aus? Gibt es Wahlmöglichkeiten und wie hoch ist die Fachkraftquote? Wie gut ist die ärztliche Versorgung und gibt es genügend Rehabilitationsmöglichkeiten?

7. Wie sieht die Ernährung im Heim aus? Wie viele Gerichte gibt es — und kann man Einfluss auf den Speiseplan nehmen?

8. Wie sieht die Wäscheversorgung aus?

9. Gibt es genügend Freizeitangebote für die Heimbewohner?

10. Wie ist der Heimvertrag gestaltet? Ist der Träger bereit, diesen zur Prüfung herauszugeben?

Reiner Fritz, 12.7.2007, www.badische-zeitung.de

 

MDK - Medizinischer Dienst der Krankenkassen

Dass Hilfe nötig ist, wird dem Besucher schon klar, bevor er die Wohnung betritt. Drei große Pappkartons mit Windeln versperren den Weg zur Eingangstür. Die Minuten nach dem Klingeln vergehen, dann erscheint die Besitzerin der Kisten. Auf ihrem Toilettenstuhl kommt Anke Heiner (Name von der Redaktion geändert) zur Türklinke gerollt. Mit dem Laufen will es nach einer Infektion des künstlichen Hüftgelenks nicht mehr recht klappen. "Gerne" lässt sie sich die Kartons in die Wohnung räumen, "hinten in die Ecke" , wo sich schon andere Pakete mit Waschlappen, Einlagen und Windeln stapeln. Stefan Heiner, den 77-jährigen Ehemann, lernt man wenig später in der unaufgeräumten Küche der Wohnung kennen, wo er mit einem Handtuch kämpft. Verzweifelt versucht er aus dem Rollstuhl heraus mit zittrigen Fingern das Tuch vom Küchenboden zu angeln, wo auch schon der Greifarm liegt, der ihm eigentlich in solchen Fällen helfen soll. Heiner hat Parkinson, ist leicht verwirrt, stürzt oft, die genuschelte Sprache ist kaum zu verstehen. Noch dreimal wird in den nächsten Minuten das Handtuch auf dem Boden liegen. Kein Zweifel, die beiden brauchen Hilfe. Aber die ist nicht leicht zu bekommen. Dabei hat der Gesetzgeber 1995 eigentlich klare Regeln gesetzt: Kranke oder Behinderte, die "für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens auf Dauer oder mindestens sechs Monate in erheblichem (. . . ) Maße der Hilfe bedürfen" , gelten als "pflegebedürftig" . Damit sie diese bekommen, bezahlt die Pflegeversicherung ihnen so genannte Pflegesachleistungen, mit denen sie einen Pflegedienst in Anspruch nehmen können. Weil nicht jeder gleich hilfsbedürftig ist, hat der Gesetzgeber die Betroffenen in drei Klassen unterteilt. Wer mehr als 45 Minuten Betreuung braucht, darf sich zur Pflegestufe eins zählen, mit über 120 Minuten zur Stufe zwei und mit über 240 Minuten fängt die Pflegestufe drei an. Die Aufgabe, die Patienten den Gruppen zuzuteilen, wurde dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) anvertraut — einer Art Kontrollbehörde der Kassen. Ein verantwortungsvoller Posten: Der Unterschied zwischen zwei Gruppen macht pro Monat rund 500 Euro aus. Rund eine Stunde dauere so ein Besuch eines der 240 Ärzte und 103 Pflegekräfte des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, erzählt Michael Szymczak von der Sozialstation Bötzingen. Eine Stunde, in der die persönlichen Daten des Patienten aufgenommen werden, kurz die Krankengeschichte überflogen wird und wenn alles so läuft, wie es laufen soll, sich der MDK-Gesandte auch einen persönlichen Eindruck von der Hilfsbedürftigkeit des Kranken oder Behinderten gemacht hat. Bei den Heiners in Freiburg zumindest war dieser Eindruck wahrscheinlich zu flüchtig, sicher aber falsch. Richtig getestet, was ihr Mann könne, habe der fremde Arzt nie, erzählt Anke Heiner, die selber in die Pflegestufe eins eingruppiert wurde. Dreimal hätte sie gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt. Schließlich wurde dem Gatten doch die Stufe zwei zugeteilt. Und trotzdem zahlt er aus eigener Tasche monatlich 1000 Euro hinzu. Auch professionelle Beteiligte wie Michael Szymczak hadern mit dem System. Gesehen werde der Mensch nicht als Ganzes, sondern nur in seiner Rolle als Pflegefall — und das vor allem nach den Kriterien "satt und sauber" , klagt er. Bei der Beurteilung zähle allein, dass ein Herr Müller körperlich in der Lage sei, sich anzuziehen — schimpft ein anderer, der ungenannt bleiben möchte. "Ob dieser überhaupt weiß, dass Morgen sei, dass er sich anziehen möchte und dass er Herr Müller heißt, interessiert nicht weiter." "Wir müssen in der Begutachtung oft die Prügel für etwas einstecken, was politisch verantwortet wurde" , sagt MDK-Fachgebietsleiter Uwe Brucker. Denn bis zur anstehenden Reform ist die Ignoranz gegenüber Demenz oder Altersverwirrtheit vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Aber es gibt noch andere Kritikpunkte: Viele wünschen sich mehr Gründlichkeit bei der Einstufung oder gleich ein anderes System. "Gerade alte Menschen neigen dazu, sich eher von ihrer besten als ihrer hilflosesten Seite zu zeigen" , sagt die Pflegerin Anette Baumgartner von der Evangelischen Sozialstation Freiburg. Ein einziger Besuch reiche deshalb zur Beurteilung der Situation nicht aus. Eine wissenschaftliche Arbeit im Auftrag der Bundesregierung zweifelt sogar die Aussagekraft des ganzen Abrechnungssystems an. Wenn nur die Zeit gemessen werde, so das Ergebnis, in der einer Person geholfen wird, sei das nicht geeignet, Bedürftigkeit zu berechnen. "Einmal Wasser lassen - drei Minuten" liest Szymczak von dem Einteilungsbogen des MDK vor. "Wenn Sie den Patienten gründlich untersuchen, müssen Sie aber noch das An- und Entkleiden, den gemeinsamen Gang die Treppe hoch, eventuell sogar das zusätzliche Abputzen mit dem Lappen mit einberechnen. Dann sind Sie schnell auf 25 Minuten und haben mit drei täglichen Toilettengängen schon die Pflegestufe eins erreicht." Wenn. Denn nicht alle Gutachter machen sich diese Mühe. "Manchmal wird inzwischen sogar nur noch nach Aktenlage geurteilt und ein Hausbesuch findet gar nicht mehr statt" , erzählt Konstanze Kötter von der Katholischen Sozialstation Freiburg Ost. Laut eigenen Angaben gilt das beim MDK Baden-Württemberg sogar für 37 Prozent der Fälle — gesetzlich vorgesehen ist es nur "ausnahmsweise" . Mit der Widerspruchsquote von 10,7 Prozent liegt man ebenfalls über dem Bundesdurchschnitt von 6,7 Prozent. Und jeder Dritte bekommt die beantragte Hilfe nie.


Pflegetagebuch führen für MDK-Besuch

Der Antrag bei der Pflegekasse und der MDK-Besuch gehören gut vorbereitet, rät Michael Szymczak, der Geschäftsführer der Sozialstation Bötzingen

BZ: Herr Szymczak, wie gehe ich am besten vor, wenn der Besuch der MDK-Kontrolleure bei meinen Eltern ansteht?
Szymczak: Zunächst einmal würde ich Ihnen raten, sich vorher gründlich beraten zu lassen. Wenn Ihre Eltern schon von einem Pflegedienst betreut werden, können die Ihnen in der Regel helfen. Sonst würde ich mich an eine Beratungsstelle für alte Menschen des Landkreises oder das städtische Seniorenbüro wenden.
BZ: Und anschließend?
Szymczak: Empfehle ich, ein Pflegetagebuch anzulegen, in dem Sie drei Wochen vor dem Termin alle Hilfeleistungen notieren, die Sie für Ihre Eltern erbringen. Vorlagen gibt es zum Beispiel bei den Krankenkassen. Damit verhindern Sie, dass in dem Gespräch mit den Gutachtern, wo ja jede Minute erbrachte Hilfeleistung zählt, Dinge unter den Tisch fallen, die Sie sonst als zu selbstverständlich betrachtet hätten, um sie zu erwähnen — das Beziehen des Bettes etwa oder das Einkaufen. Gleichzeitig wird Ihnen Ihr Aufwand bewusst und Sie können verhindern, dass eine besonders gute Tagesform Ihrer Eltern beim Besuch als Durchschnitt gewertet wird.
BZ: Sollte man denn als Angehöriger beim MDK-Besuch dabei sein?
Szymczak: Auf jeden Fall. Dies gilt für jeden Pflegenden — auch den Pflegedienst. Vorher sollten Sie sich aber unbedingt noch einmal mit Ihren Angehörigen über das bevorstehende Ereignis unterhalten. Auch Ihren Eltern sollte klar sein, was der Besuch zu bedeuten hat. Ich habe schon manchen MDK-Besuch in Tränen enden sehen, weil zum Beispiel die Mutter in Gegenwart der überlasteten Tochter beteuerte, dass sie alles selber könne. Oder sich der Vater in die Hände von Fremden abgeschoben sah.
BZ: Sollte ich noch jemanden zu Rate ziehen?
Szymczak: Ich empfehle noch, sich von den behandelnden Ärzten über alles, was in Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit eine Rolle spielt — Krankheiten beispielsweise, mangelnde Mobilität, Verwirrtheit — ein Attest ausstellen zu lassen.
BZ: Und wenn der MDK nicht mitspielt?
Szymczak: Da man nur ein kurzes Informationsschreiben über das Ergebnis bekommt, ist es ratsam, in jedem Fall das vollständige Gutachten anzufordern. Das steht Ihnen zu. Und ganz wichtig: Einen Widerspruch gegen die Beurteilung müssen Sie spätestens vier Wochen nach der ersten Benachrichtigung abschicken.
Michael Brendler, 11.7.2007, www.badische-zeitung.de

 

 

Pflegeversicherungsreform: Hilfe für Demente, Pflegestützpunkte, Pflegezeit

Wochenlang haben sie beraten. Wochenlang haben Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) an der Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung (PV) gearbeitet. Und seitdem die Spitzenpolitiker der großen Koalition das Konzept des Dreierkreises gebilligt haben, steht fest, wann sich was wie ändert.

Die Koalition führt eine  Pflegezeit ein. Was ist das?
Angehörige von Pflegebedürftigen bekommen für sechs Monate den Anspruch auf unbezahlte Freistellung von ihrem Job, wobei ihnen die Rückkehr auf ihren Arbeitsplatz zugesichert wird. Dies gilt nicht in Firmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben. Wer Pflegezeit nimmt, bekommt eine Absicherung in der Rentenversicherung. Erfolgt die Absicherung in der Krankenkasse nicht über einen Angehörigen, zahlt die Pflegekasse dafür den Mindestbeitrag.

Was ändert sich bei altersverwirrten Menschen, den so genannten Demenzkranken?
Für sie stehen künftig bis zu 2400 Euro im Jahr zur Verfügung. Für diesen Betrag können Angehörige die Pflegeleistungen einkaufen, die für die Versorgung des Kranken nötig sind. Der Betrag kann auch dann abgerufen werden, wenn der Kranke nicht in eine der bestehenden Pflegestufen eingruppiert ist.

Die Koalition führt Pflegestützpunkte ein. Was ist das?
Im ganzen Land sollen solche Stützpunkte entstehen. Sie sind Beratungsstellen, die über die örtliche Struktur der Versorgung (ambulante Dienste, Pflegeheime, Teams zur Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden, Tagespflegeeinrichtungen, Freizeitangebote für Senioren) detailliert Auskunft geben sollen. Es geht darum, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erfahren, wie sie an ihrem Wohnort eine optimale Betreuung organisieren können. Damit die Stützpunkte entstehen, gibt Berlin als Anschubfinanzierung 60 Millionen Euro aus.

Was ändert sich für Pflegebedürftige, die in einer privaten Pflegekasse versichert sind?
Was Schwarz-Rot für die gesetzliche PV beschlossen hat, muss auch die private PV übernehmen. Das heißt: die Anhebung der Pflegeleistungen und das Betreuungsbudget von bis zu 2400 Euro für Demenzkranke gelten auch im privaten System.

Wie sieht die Finanzierung der Pflegeversicherung aus?
Zum 1. Juli 2008 müssen Arbeitnehmer und Rentner einen höheren Beitrag an die PV zahlen. Derzeit liegt er bei 1,7 Prozent der Einkommen und Renten. Ab Juli 2008 steigt er auf 1,95 Prozent, wobei für Kinderlose dann ein Satz von 2,2 Prozent gilt. Schon seit Längerem müssen sie einen erhöhten Beitrag abführen. Die große Koalition meint, mit dem angehobenen Satz von 1,95 bzw. 2,2 Prozent die Leistungen der PV bis etwa zum Jahr 2014/2015 bezahlen zu können. Als Ausgleich für das Plus in der Pflegeversicherung erhalten Arbeitnehmer eine Senkung ihres Beitrags zur Arbeitslosenkasse. Er sinkt zu Jahresbeginn 2008 um 0,3 Prozentpunkte. Von diesem Ausgleich haben die 20 Millionen Rentner nichts, weil sie ja keine Abgabe an die Arbeitslosenversicherung zahlen. Die Bundesregierung hofft, dass die Renten zum 1. Juli 2008 so deutlich steigen, dass der Zuschlag die Nettobezüge der Älteren nicht schmälert.

Bekommt die PV ein zweites finanzielles Standbein?
Nein. Zwar hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag vom November 2005 vorgenommen, eine so genannte Demografiereserve aufzubauen. Dort heißt es: "Um angesichts der demographischen Entwicklung sicherzustellen, dass die Pflegebedürftigen auch in Zukunft die Pflegeleistungen erhalten, die sie für eine ausreichende und angemessene Pflege zu einem bezahlbaren Preis brauchen, ist die Ergänzung des Umlageverfahrens (also der Finanzierung über den Beitrag, Anm. der Redaktion) durch kapitalgedeckte Elemente als Demographiereserve notwendig" . Allerdings ist es dem Dreierkreis nicht gelungen, dafür ein konkretes Modell zu finden. Bis zur nächsten Bundestagswahl bleibt diese Frage also offen. Denn Schwarz-Rot wird voraussichtlich keinen neuen Anlauf dafür nehmen. Das gilt auch für einen Punkt, der ebenfalls im Koalitionsvertrag verabredet worden war. Danach sollte die private Pflegeversicherung der gesetzlichen Versicherung einen Finanzausgleich geben. Weil die CDU/CSU dabei verfassungsrechtliche Schwierigkeiten sah, kam der Ausgleich nicht zu Stande.

Was ändert sich bei den finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung?
Die Sach- und Geldleistungen der PV waren seit 1995 nicht mehr erhöht worden, was auch heißt, dass sie aufgrund der allgemeinen Preissteigerung real an Wert verloren haben. Nun hat Schwarz-Rot beschlossen, die Leistungen ab 2008 in drei Stufen bis zum Jahr 2012 zu erhöhen.

Wie will die Regierung die Qualität in der PV stärken?
Der Beschluss von Union und SPD sieht vor, dass die Prüfberichte des Medizinischen Diensts der Krankenkassen (MDK) künftig veröffentlicht werden. Damit soll ein Vergleich über die Güte der verschiedenen Einrichtungen möglich werden. An der Heimaufsicht durch die Bundesländer ändert die Regierung nichts.
Bernhard Walker , 7.7.2007, www.badische-zeitung.de

 

Netzwerke statt illegaler Pflege - Was ist Legalität?

Pflege — welche Möglichkeiten gibt es? Was ist Legalität?" im Waldkircher St. Nikolai-Spitalfonds. Dazu eingeladen waren zwei Politiker, die Bundestagsabgeordneten (MdB) Peter Weiß (CDU) und Elvira Drobinski-Weiß (SPD), sowie Vertreter der Sozialstationen, der privaten Pflegedienste, Pflegeheime, Pflegekassen, des medizinischen Dienstes der Krankenkassen, des Kliniksozialdienstes und des Kreisseniorenrates.

Die illegale Beschäftigung in der Pflege ist insbesondere in privaten Haushalten vorhanden, ihr Umfang ist jedoch schwer ermittelbar. Dieser Tatbestand ist Teil einer umfangreicheren Problematik, die im wachsenden Bedarf an ambulanten Pflegeleistungen begründet ist und mit veränderten Familienstrukturen und zunehmender Kinderlosigkeit einhergeht. Neben den Dienstleistern wie Pflegekassen, Sozial- und Pflegediensten stellt dies besonders auch die Politik vor eine große Herausforderung. Moderatorin Christiane Hartmann vom Seniorenbüro des Landkreises leitete die Veranstaltung mit einer Statistik ein, die der Notwendigkeit, "Fragen nachzugehen, vor die uns die Pflegebedürftigkeit stellt" , Gewicht verlieh: 2005 waren laut Pflegestatistik des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg von insgesamt elf Millionen Einwohnern 231 000 pflegebedürftig beziehungsweise bezogen Leistungen aus der Pflegekasse. Zwei Drittel davon lebten zu Hause, also 66 Prozent der Pflegebedürftigen. Von den zu Hause lebenden werden 67 Prozent von Angehörigen und 23 Prozent durch ambulante Pflegedienste betreut.

Für das Jahr 2030 werde prognostiziert, dass jeder 30. Bürger in Baden-Württemberg pflegebedürftig ist. Da sich gleichzeitig die Familienstrukturen noch weiter verändern und die Kinderlosigkeit zunehme, sei von einer steigenden Nachfrage nach professioneller Betreuung und Pflege auszugehen, sowohl ambulant als auch stationär. Im Landkreis Emmendingen, so Hartmann, seien im Jahr 2005 von allen Pflegebedürftigen zehn Prozent durch Angehörige, knapp sieben Prozent durch ambulante Dienste und sechs Prozent in Pflegeheimen betreut und gepflegt." Der tatsächliche Bedarf an ambulanter Pflege für den Landkreis sei schwierig ermittelbar aufgrund von Variablen wie geschlechtsspezifischem Bedarf, Ressourcen der Familienangehörigen, Entwicklung von bürgerschaftlichem Engagement in der Altenhilfe, Vielfalt und Differenzierung der Angebote im Vor- und Umfeld der Pflegebedürftigkeit, Angeboten ausländischer Hilfskräfte in Privathaushalten und der Pflegegesetzreform.

"Wir können an der Statistik erkennen, dass wir uns weiterhin Gedanken um die Weiterentwicklung der Hilfsstrukturen machen müssen und darüber, wie wir in der Gesellschaft das Altern sehen." Der Aussage von Wolfgang Ruf, Stiftungsleiter im Pflegeheim St. Nikolai, der Grundsatz "ambulant vor stationär" sei sinnvoll und richtig, aus fachlicher und sozialpolitischer Sicht, stimmten alle Anwesenden generell zu. Doch die ambulante Pflege könne, je nach Umfang des Hilfebedarfs, die körperlichen und zeitlichen Kapazitäten von Partnern oder Familienangehörigen überbelasten, wie nicht nur Cornelia Schonhardt-Meier, Krankenschwester und Familienberaterin im Kreiskrankenhaus Emmendingen, als Vertreterin der Kliniksozialdienste betonte. "Der geforderte Einsatz mit zunehmender Anwesenheitspflicht in nicht planbaren Zeitintervallen beginnt die Pflegenden zu überfordern" , so Schonhardt-Meier, und daraus könnten dann (Familien-)Konflikte entstehen. Zur Entlastung können professionelle ambulante Pflegedienste genutzt werden. Solche Einrichtungen, wie die Kirchliche Sozialstation Elztal/Glottertal in Denzlingen, "bieten allen Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf in Kooperation mit den privaten Haushalten und Ärzten qualifizierte Hilfeleistungen" , wie Pflegedienstleiterin Annegret Timmermann erklärte. Es ist sogar ein 24-Stunden-Pflegenotdienst eingerichtet. Wenn der Pflegebedarf jedoch über einige Stunden am Tag hinaus geht, sei der Pflegedienst für viele Angehörige nicht mehr finanzierbar. Auch würden manche Familien aus Zeitnot, zum Beispiel wenn der Pflegebedarf eines Mitglieds sich plötzlich verstärke, auf andere, unkompliziertere Hilfe zurückgreifen.

Unter diesen Umständen werden "teilweise auf unterschiedlichsten Wegen osteuropäische Haushaltshilfen gesucht und ’eingestellt’", ergänzte Schonhardt-Maier: "Der legale Weg über die Zentrale Arbeitsvermittlung ist wenig bekannt und scheint schwierig." Ganz abgesehen von der "Demontage der Sozialversicherungssysteme" , die laut Wolfgang Ruf dadurch forciert wird, fehle den osteuropäischen Haushaltshilfen häufig die fachliche Kompetenz, wie Annegret Timmermann und Monika Dahmann, Leiterin des Seniorenpartner-Pflegedienstes Emmendingen, aus der Praxis bestätigen konnten. "Was uns sehr belastet ist zudem, dass die osteuropäischen Haushaltshilfen immer präsent sein sollen und fast rund um die Uhr, ohne ausreichende freie Tage, eingesetzt werden" , fügte Dahmann hinzu. Bei diesen Haushaltshilfen gebe es auch öfter Pflegefehler wegen fehlender sprachlicher oder fachlicher Kompetenz. Das Alleinsein bei der Tätigkeit überfordere sie. "Es ist wichtig, dass ein Pflegedienst mitarbeitet" , sagte Dahmann. Ebenso wichtig ist es laut laut Schonhardt-Maier, dass die Haushaltshilfen "Begleitung erhalten, um vor inakzeptablen Arbeitsbedingungen geschützt zu sein." Dazu müsste die "Illegalität" aufgehoben werden. MdB Elvira Drobinski-Weiß meinte: "Wenn 2011 die Freizügigkeit kommt, vorausgesetzt 2009 wird die Befristung nicht verlängert, gibt es automatisch keine Illegalität mehr." Für wichtig hält sie den Ausbau der Qualifizierung der Arbeitskräfte sowie die Errichtung eines Netzwerkes der Einrichtungen, "von Essen auf Rädern, Einkauf- und Putzhilfen bis zu Sozial- und Pflegediensten" . Zu lange sei der "Jugendlichkeitswahn in der Gesellschaft" aufrecht gehalten worden. Sie wünscht sich einen "normalen, entkrampften Umgang mit dem Alter" , was für mehr Information, Klarheit und ein zukunftsweisendes Denken sorge, das Konzepte wie altersgerechtes Wohnen und Bauen zuließe.
MdB Peter Weiß sieht bereits ein diesbezügliches Umdenken. "Im Entstehen von Kreis- und Ortsseniorenräten oder der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren erkenne ich, dass etwas wächst." Auch er hält den Ausbau von Netzwerken für Unterstützung, in denen Beziehungen hergestellt werden können für notwendig. Die "illegale Beschäftigung" sägt seiner Ansicht nach "am Ast der Pflegeversicherung und der sozialen Sicherheit" . Um dagegen anzugehen, könne die Stärkung des privaten Haushaltes als Arbeitgeber (etwa Minijobs) beitragen, auch lohne es sich, Haushaltshilfe über einen steuerpflichtigen Angehörigen abzurechnen. Darin, dass das Arbeitsamt einen Ausbildungsnachweis sehen will, um eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, sieht Weiß ebenfalls Handlungsbedarf. Ziemlich einig waren sich alle Anwesenden, dass für mehr Transparenz und Zusammenarbeit im Pflege- und Altenbereich gesorgt werden muss. Dann könnten bezahlbare, legale und qualifizierte Lösungen entstehen.
2.6.2007, Kompletten Beitrag von Karin Heiß bitte auf www.badische-zeitung.de lesen

 

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