Sozialstaat nicht nachhaltig

Fragt man die Bürger nach ihren Sorgen, dann stehen Altersarmut und Migration ganz oben.  Wie berechtigt diese Sorgen des „kleinen Mannes“ sind, hat Prof. Gerd Raffelhüschen, Wirtschaftswissenschaftler mit Schwerpunkt Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Uni Freiburg, in seinem Beitrag Offene Grenzen oder generöser Sozialstaat: Beides geht nicht“ (Link unten) nun auch auf TheEuropean.de veröffentlicht.

(1) Staatshaushalt nicht nachhaltig
Was ist ein nachhaltiger Staatshaushalt? Was sind nachhaltig finanzierte Sozialausgaben? Dazu Prof Raffelhüschen: „Ein Staatshaushalt gilt immer dann als nachhaltig, wenn die Summe aus den expliziten und impliziten Schulden des Staates gleich null ist. Das bedeutet, dass man die herrschende Fiskal- und Sozialpolitik »bis in alle Ewigkeit« fortführen kann. Unter den expliziten Schulden werden alle verbrieften Forderungen an den Fiskus im jeweils aktuellen Basisjahr subsumiert. Die unsichtbaren Lasten oder impliziten Schulden ergeben sich aus jenen zukünftigen Leistungsversprechen des Staates, für die er unter herrschenden Steuer- und/oder Beitragssätzen keine oder keine ausrsreichenden Rückstellungen gebildet hat.“

Unser Sozialstaat ist nachhaltig nicht finanzierbar. Die Zuschüsse zum Rentensystem vergrößern die Staatverschuldung immer weiter. Raffelhüschen veranschaulicht dies am Eisberg-Beispiel:
„Die sichtbare Staatsverschuldung verhält sich also in Relation zur unsichtbaren fast wie ein Eisberg – ein gutes Viertel kann man sehen, der Rest bleibt unter Wasser; wobei auch dem maritim nicht so Bewanderten klar sein sollte, dass Eisberge einem Schiff eher mit jenen Teilen gefährlich werden, die sich unsichtbar unter der Wasserlinie befinden. Bleibt festzuhalten, dass der deutsche Sozialstaat in der heute ausgestalteten Generosität angesichts der demographischen Probleme nicht nachhaltig finanzierbar ist.“

(2) Altersarmut droht
„Will man das derzeitige Leistungsniveau in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung halten, müssten zukünftige Beitragszahler willens sein, fast zwei Drittel ihres Einkommens an Sozialabgaben und das restliche Drittel an Steuern abzuführen. Das hieraus resultierende Akzeptanzproblem zukünftiger Generationen mit den bestehenden Generationenverträgen ist nur zu offensichtlich.  Will man zukünftigen Generationen dieses Dilemma ersparen, so bleibt nur der Weg der intergenerativen Gleichbehandlung durch eingefrorene Beitragssätze bei endogener Anpassung des Leistungsniveaus.“
Mit solch deutlichen Worten beurteilt der Freiburger Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, seit 2006 Herausgeber der alljährlichen Generationenbilanz, den Zustand unseres Rentensystems.

Was beinhaltet die o.a. „intergenerative Gleichbehandlung“?
Seit den 70er Jahren haben wir einen doppelten Alterungsprozess der Gesellschaft: Die Lebenserwartung steigt und die Geburtenraten sind gering. Daher werden die ‚Alten‘ immer mehr und die ‚Jungen‘ immer weniger. Für die Altersvorsorge ist das schlecht, da die Jungen für die Renten (und Pensionen) der Alten bezahlen. Dies bewirkt eine Belastung der umlagefinanzierten Alterssicherungssysteme, denen das Geld ausgeht.
Lösen kann man diese Problem entweder über die Belastung der Jungen (Beitragssteigerungen) oder die Belastung der Alten (Rentenkürzung). Nur diese zwei Optionen hat man, einen anderen Weg gibt es nicht. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden vor allem die Jungen belastet: Der Beitragssatz ist immer weiter gestiegen und der Steuerzuschuss zur Rentenversicherung wurde immer wieder erhöht. Zudem sind es vor allem die Jungen, die Steuern bezahlen. Rentenkürzungen wurde zwar auch beschlossen, aber erst spät und sehr langsam anlaufend. Pensionen wurden, nach Prof Raffelhüschens Gutachten, übrigens so gut wie gar nicht gekürzt.
Für die Finanzierung der Pensionen gilt das gleiche: Es wurde aus dem Landesetat immer mehr Geld abgezweigt, was nach Raffelhüschens Meinung auch massiv zu Lasten der Jungen geht – denn für die Jungen ist dann im Landesetat einfach weniger Geld da.
Die „intergenerative Gleichbehandlung durch eingefrorene Beitragssätze bei endogener Anpassung des Leistungsniveaus“ fordert Bernd Raffelhüschen schon seit Jahrzehnten: Am doppelten Alterungsprozess der Gesellschaft sind die Alten Schuld (niedrige Geburtenrate) bzw. profitieren ausschließlich davon (hohe Lebenserwartung), daher sollten sie die Zeche auch alleine bezahlen. ‚Eingefrorene Beitragssätze‘ bedeutet, die Jungen sollten nicht weiter belastet werden.
Mit der ‚endogenen Anpassung des Leistungsniveaus‘ ist gemeint, dass einzig und alleine die Renten und Pensionen gekürzt gehören. Ein endogenes Leistungsniveau heißt also, dass nur das Leistungsniveau gekürzt wird. Der Alterungsprozess ist exogen und die Beiträge sind konstant.
Bei konsequenter Anwendung dieser Regel wären in den letzten Jahren (bzw. Jahrzehnten) einerseits die Renten und Pensionen wahrscheinlich um ein Drittel gefallen. Dafür wären in Bundes- und Landeshaushalten andererseits viele Milliarden mehr für Kitas, Schulen, Ausbildung etc. verfügbar gewesen.
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(3) Migration überfordert
Das angeblich so reiche Deutschland hatte schon vor der Grenzöffnung Budapest 9/2015 das Problem, den Rentenansprüchen der Alten immer weniger nachkommen zu können. Durch die Massenmigration von mindestens zwei Millionen verschärft sich dieses Problem noch. Prof Raffelhüschen drückt das so aus:
„Der nach wie vor anhaltende Flüchtlingszustrom nach Europa hat den Kontinent in zwei entgegengesetzte Lager gespalten. Der Graben zwischen beiden Lagern verläuft allerdings mitnichten in Ost-West-Richtung. Auch England, Norwegen und Dänemark haben sich der “deutschen Willkommenskultur” komplett verweigert. Muss derjenige, der einlädt auch die Rechnung übernehmen? …
Können die jungen und im Allgemeinen arbeitswilligen Zuwanderer eine fiskalische Dividende erwirtschaften, die die Tragfähigkeit des deutschen Sozialstaats angesichts der drastischen Alterungseffekte unserer Gesellschaft stabilisiert? Die Antwort auf diese Frage ist schlicht und lautet: Nein, denn das ohnehin existierende Nachhaltigkeitsproblem des deutschen Sozialstaats wird durch die Zuwanderung vergrößert.“
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Als Finanzwissenschaftler ist es Prof Raffelhüschen vergönnt, unangenehme Wahrheiten zur Rentenversorgung jenseits von politisch Rechts oder Links auszusprechen.
Die seit dem Jahr 2000 in Rente gegangenen Alten sollten zufrieden (ein so hohes Rentenniveau gab es seit 1945 noch nie und wird es in Zukunft nie mehr geben) und bescheiden sein (besser die Jungen unterstützen als zum 15. Mal nach Gran Canaria oder aufs Kreuzfahrtsschiff).
Ein „… weiter so“ hinsichtlich „Wir schaffen das“ funktioniert nicht – das grundlegende Prinzip der Nachhaltigkeit muß auch die Rentenpolitik leiten.
15.10.2018

Alles vom 13.10.2018 von Bernd Raffelhüschen bitte lesen auf
https://www.theeuropean.de/bernd-raffelhueschen/14834-deutsche-willkommenskultur
D
ie o.a. vier Zitate stammen aus diesem Beitrag.

Lesen Sie den vollständigen Beitragvon Raffelhüschen auch hier: „CESifo“:
https://www.cesifo-group.de/DocDL/sd-2018-18-chiemsee-konferenz-raffelhueschen.pdf

Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen ist Wirtschaftswissenschaftleran der Universität Freiburg mit dem Schwerpunkt Finanzwissenschaft und Sozialpolitik.

 

Moin, Herr Raffelhueschen,
„Absurdität“… Migration, Sozialstaat, Geburtenrueckgang der deutschen… „Die Geburten starken Jahrgänge haben sich die kommende Entwicklung selbst verdient:“
Haben sie nur zum Teil, Herr Raffelhueschen, in erster Linie haben Staat und Regierung versagt, bis heute!
Ich gehöre zu diesen geburtenstarken Jahrgaengen die nur ein Kind bekommen haben und die Probleme für unsere Gesellschaft aus dieser Entwicklung heraus waren mir immer bewusst! In den 70-80er Jahren haben Ernährer einer Familie noch mehr verdient, konnten sogar noch Rücklagen schaffen, die Frauen konnten sich zu Hause also um zwei, drei Kinder kümmern, ohne den Druck des „Dazuverdienens“! Im Gegenteil, als Doppelverdiener landete das „zweite Gehalt“ auf dem Sparkonto.
Das hat sich total ins Gegenteil verkehrt: selbst in der sogenannten Mittelschicht sind die Frauen „gezwungen“ mitzuarbeiten. Hat man „nebenbei“ noch zwei Kinder, die man eigentlich nicht sieht oder selbst erzieht, weil das verdiente Geld für Tagesmütter und teure Kitas draufgeht und erkennen muss, das wir unsere Kinder in die „Obhut des Staates“ abgeben und nur noch für den Staat schaffen und nicht mehr für uns selbst, bleibt nur noch Resignation! Ich habe viele junge Frauen während meines Berufslebens kennengelernt, miterlebt, wie sie zerbrochen sind und aufgerieben wurden, zwischen dem Anspruch, der Familie gerecht zu werden und den reinen Lebensunterhalt mit zu bestreiten.
Auch wenn das niemand hören will: Heute kann ich nur als ungebildeter deutscher Hartz4-Empfaenger oder Migrant mir den „Luxus“ erlauben, 10 Kinder in die Welt zu setzen, also von den Wohltaten der Leistungserbringer zu leben – die haben auch die Kitagebuehren frei und brauchen sich über überteuerte Miet-, Strom- und Gaspreise keine Gedanken machen!
Im Gründe ist es unverschämt, mir als Leistungsträger dieser Gesellschaft, der nie einen Pfennig vom Staat eingefordert hat, auch noch vorzuhalten, selbst Schuld zu sein! Diese faulen Nutznießer werden kostenfrei im Altenheim versorgt und brauchen sich über Rente keine Sorgen zu machen, sie werden weiterhin gleichberechtigt rundum versorgt!
Das ist das größere Versagen der Politik der letzten Jahre: Faulheit wird belohnt, Arbeit wird bestraft und für Familien wurde ueberhaupt nichts getan!
14.10.2018, Elke Popken, EUO

Gutes Gefühl wichtiger als Argumente
Es mag ja alles richtig sein was der Professor schreibt. Er scheint aber zu übersehen, dass es primär um ein ‚gutes Gefühl‘ geht. Weltoffenheit, Grossherzigkeit, Toleranz und viele andere derartige Begriffe vermitteln ein gutes Gefühl. Argumente sind nur anstrengend.
14.10.018, BKBrackel, EUO

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Altersarmut – Sorge Nr. 1
Die Deutschen sorgen sich. Um die richtige Verwendung des Wortes «Hetzjagd»? Ach was. Sorge Nummer eins ist die drohende Altersarmut. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft zu recht. Laut ihr wird der Hälfte aller heute zwischen 55 und 64 Jahre alten Arbeitnehmer das Geld zur Fortführung des gewohnten Lebensstandards fehlen. Oder in Zahlen 700 Euro pro Monat, bei einer Standardrente von rund 1.400 Euro.
Das ist dramatisch, und die Dramatik wird noch weiter zunehmen. Aus rein demographischen Gründen. Die Leute werden immer älter, der Nachwuchs, der im Umlageverfahren die Renten finanzieren soll, bleibt aus. Es braucht nur banale Versicherungsmathematik, um auszurechnen, ab wann ein Beitragszahler für einen Rentner aufzukommen hat.
Nehmen nun die Politiker – und die Medien – die Sorgen der «Bürger draußen im Lande», wie eine beliebte Floskel lautet, auch ernst? Wer den Diskurs der letzten zwei Wochen verfolgt hat, ist sich sicher: nein, keinesfalls. …
Alles vom 15.9.2018 bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/wohin-bewegt-sich-deutschland/

 

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