Isolationsangst: keine Meinung

Übers Internet erfolgt Kommunikation heute in Echtzeit. Alles geht uns etwas an, zu allem glauben wir, eine eigene Meinung haben zu müssen. Doch die Welt ist zu komplex, uns fehlen immer noch Infos trotz aller Online-Portale, Blogs, Mails, Newsrooms, – und dies erzeugt Unsicherheit. Hier springen die Massenmedien ein und bieten Orientierung, liefern die „Meinung von der Stange“.
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Dieser schließen sich wir uns gerne an – weniger aus Sorge vor der falschen Meinung als aus Angst, sich mit der abweichenden Meinung zu isolieren: „Oh je, was werden die anderen jetzt von mir denken?“ so bleibt die eigene Überzeugung oft auf der Strecke, sie wird verschwiegen. Die Allensbacher Demoskopie-Altmeisterin.Elisabeth Noelle-Neumann sprach von der „Schweigespirale“ . Und diese „schweigende Mehrheit“ scheint in Deutschland besonders ausgeprägt zu sein. Die Schweizer haben die direkte Demokratie und initiieren einen Volksentscheid. die Franzosen gehen auf die Straße und demonstrieren, nun als Gelbwesten bzw. Gilets jaunes“. Und die Deutschen? Laut Umfragen von 7.12.2018 haben ca zwei Drittel der Deutschen große Bedenken zum UN-Migrationspakt, aber sie schweigen.
10.12.2018

Isolationsangst unterdrückt eigene Meinung – Schweigespirale
Intellektuelle und Journalisten nehmen in der modernen Welt eine Sonderstellung ein. Sie befriedigen nämlich ein Bedürfnis nach Orientierung, das weder von der Politik noch von der Wirtschaft und schon lange auch nicht mehr von der Religion bedient werden kann. Und dieses Orientierungsbedürfnis wächst, je komplexer unsere Welt wird. Walter Lippmann hat dieses Problem schon vor fast hundert Jahren gesehen und ein Konzept der öffentlichen Meinung ausgearbeitet, das auch heute noch den Hintergrund des Selbstverständnisses westlicher Intellektueller bildet.
Lippmann ist davon ausgegangen, dass die gesellschaftliche Dynamik so komplex geworden ist, dass sich der Einzelne keine eigene Meinung mehr über politische Sachverhalte bilden kann. Deshalb brauchen wir Experten, die die Verantwortung für die Organisation der öffentlichen Meinung übernehmen. Zu diesen Experten allerdings hat Lippmann die Journalisten ausdrücklich nicht gerechnet. Das sehen diese natürlich schon lange ganz anders. Sie halten sich selbst für die Meinungselite. Und viele verstehen Lippmanns Konzept der öffentlichen Meinung als Lizenz zur Propaganda.
Dass man die formale Freiheit hat, zu sagen, was man denkt, besagt nicht viel, wenn man nicht mehr zu denken wagt, was man nicht sagen darf. Da es auf Dauer zu anstrengend ist, anders zu denken als man redet, denken die meisten auch schon politisch korrekt. Wir fürchten also nicht, eine falsche Meinung zu haben, sondern mit ihr allein zu stehen. Die Isolationsangst regiert die Welt. Wer aber den Zorn der anderen fürchtet, schließt sich leicht der Meinung der scheinbaren Mehrheit an, auch wenn er es eigentlich besser weiß. Er bringt sich selbst zum Schweigen, um seinen guten Ruf nicht aufs Spiel zu setzen.
Man spricht nach, was man so sagt, und was man so sagt, ist nicht etwa die Meinung der Mehrheit, sondern die Meinung von gut artikulierten Minderheiten. Das ist der Ansatzpunkt für eine Dynamik, die Elisabeth Noelle-Neumann „Schweigespirale“ genannt hat. Und die wird heute von der Politischen Korrektheit genutzt. Sie ist zum einen durch die Verschmelzung von Thema und Meinung gekennzeichnet – man darf zu bestimmten Themen nur eine Meinung haben. Zum andern haben wir es mit einer Moralisierung am Medienpranger zu tun – dem politisch Unkorrekten wird der Schauprozess gemacht
… Alles vom 5.12.2018 von Norbert Bolz zu „Der Journalist als Oberlehrer“ bitte lesen auf
https://www.achgut.com/artikel/der_journalist_als_oberlehrer
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Norbert W. Bolz, geb. 1953 in Ludwigshafen, ist ein deutscher Medien- und Kommunikationstheoretiker. Er lehrt als Professor für Medienwissenschaften an der TU Berlin.
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Franz Werfel: Deutsche sind Spitze in Humanität und Güte
Der Chef-Verbalexorzist (Danke, Herr Bolz, für dieses schöne Wort) des grenzenlos Guten war auf Reisen, er jagte nach den verlorenen Menschenrechten der Welt und hörte am Ende jene Aussage, gegen die er an-arbeitet: jeder Mensch will unter seinesgleichen bleiben, sicher sein und ist erst mal vorsichtig anderen gegenüber. Diese Prägung habe ihn überleben lassen, sagte ein Wissenschaftler. Und doch müsse man dagegen anarbeiten, den Instinkt des Menschen besiegen, schließlich gehe es um Menschenrechte. Norbert Bolz benennt diesen Irrsinn klar und umschreibt, warum ich hier bei achgut lese und nicht mehr bei den sentimental-humanitaristischen Verkündigungsjournalisten des ZDF, der SZ, Zeit, Spiegel oder der ARD. Fakten stelle ich mir selber zusammen und die Kommentare bei achgut sind die Sahne des Ganzen. Wer als Journalist diese teilnehmende, gesprächsbereite, offene Kultur nicht begreift, soll weiter bei jenen in die Lehre gehen, die mit süßlicher Ethik und reinstem Altruismus ihre Meinungen zukleistern, abseits einer Verantwortungsethik für das Eigene. Diese Welt der rasend guten Irrläufer aber ist bald von vorgestern. Denn Kleber & Co. sind nichts als die andere Seite der Adolf-Medaille. Franz Werfel schrieb in seinem 1946 veröffentlichten Roman „Stern des Ungeborenen” folgendes:
„Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn. So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit.“
5.12.2018, Frank Holdergrün, AO

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Journalist als Demagoge statt Oberlehrer?
Der Begriff “Oberlehrer” erscheint mir bei weitem zu harmlos. “Demagoge” erscheint mir angebrachter – bringt er doch die Böswilligkeit hinter dem zum Ausdruck, was diese Leute wollen: Menschen manipulieren – d.h. diesen Menschen das Recht auf eigene Meinung, gebildet aus sachlich-neutraler Information durch “Nachrichten” (in Radio, Fernsehen, Print, Internet) und der persönlichen Bewertung bzw. Einordnung dieser Information, stehlen. Diese Manipulatoren sind doch nichts anderes als die hässliche Fratze der Diktatur.
5.12.2018, Thomas Weidtner, AO

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