Inklusion contra Sonderschule

Die Uno-Behindertenrechtskonvention, die Behinderte im Leben und ihrer Entwicklung stärkt (Recht auf Bildung und Schulbesuch; von einer Schule für alle steht darin aber nichts) wird von Inklusionsbefürwortern als Votum gegen die Sonder- bzw. Förderschule interpretiert, „weil sie hoffen, über diesen Hebel doch noch ihre Idee der Einheitsschule durchsetzen zu können. Schule ist dazu da, Talente zu entfalten und zu Leistung zu ermutigen. Dabei ist es notwendig, Unterschiede zuzulassen, auch institutionell. Wenn der Aufstieg durch Leistung nicht möglich ist, entscheiden andere, viel problematischere Faktoren über das Fortkommen – Geld zum Beispiel oder Beziehungen. Ich frage Sie: Welche Chancen hat dann noch ein begabtes Migrantenkind, dessen Mutter gerade mal lesen und schreiben kann, den Begrenzungen seiner Herkunft zu entfliehen? Wer das Leistungsprinzip aufgibt, nimmt vielen Menschen, die nicht so rosig gebettet sind, eines der mächtigsten Werkzeuge zur Emanzipation“, so der Inklusionskritiker Prof. Bernd Ahrbeck von der Humboldt-Universität Berlin (Am Rande zu stehen ist schrecklich, Der Spiegel, 18.8.2014, S. 38-40).

Ahrbeck beklagt die Vehemenz der Diskussion: Wer Zweifel anmeldet, wird als Inklusionsfeind bezeichnet.  Sonderpädagogischer Förderbedarf darf nicht mehr benannt werden: „Der Junge hat eine Verhaltensstörung“  als inhumane Etikettierung sei zu ersetzen durch „Der Junge ist verhaltensoriginell“. behinderte Menschen darf man nicht mehr behindert nennen. „Der fundamentale Irrtum in der Inklusionsdebatte ist die Annahme, dass mit dem Hinweis auf einen Unterschied zwischen Menschen zwangsläufig ein Werturteil verbunden sei. Ich frage mich, was man Menschen eigentlich antut, wenn man sie nicht mehr mit den Begriffen bezeichnen darf, von denen sie genau wissen, dass sie ihrer Realität entsprechen.“
18.8.2014

 

Buch „Inklusion – Eine Kritik“
Ahrbeck widerspricht mit seinem Buch „Inklusion – Eine Kritik“ den Verfechtern „totaler Inklusion um jeden Preis“ und zeichnet ein ernüchterndes Bild vom gesellschaftlichen Ziel, das viele mit Inklusion verfolgen: „Den Schülerinnen und Schülern dürfte am meisten geholfen sein, wenn der Weg zu einer gemeinsamen Beschulung in einer moderaten Form erfolgt – abseits der Vorstellung, schulische Reformen könnten die Gesellschaft in ihrem Kern verändern.“ (S. 141) Der Anspruch, über ein inklusives Schulsystem die Gesellschaft verändern zu können, ist  geradezu vermessen.
Als Pragmatiker räumt Ahrbeck selbstverständlich behinderten Menschen das Recht auf Bildung und Gleichbehandlung sowie größtmögliche Förderung ein, vertritt dann aber auch die Position, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler mit bestimmten Behinderungen in einer spezialisierten, sonderpädagogischen Einrichtung (Förderschule) besser aufgehoben seien als an einer Regelschule – und kontert damit gegen Inklusionsverfechter, die das Sonderschulsystem in Gänze abschaffen wollen, sich dabei auf die UN-Resolution berufen, in der von der Abschaffung eines solchen Systems aber keine Rede sei.
Er spricht sich für einen Mittelweg aus, der sich vielen Ansätzen interdisziplinär bedient und vor allem auch Unterstützung für die Personen vorsieht, die die Umsetzung von Inklusion leisten müssen: die Lehrkräfte.
Das Erwachsenenleben ist nicht inklusiv
Nach der Schule stellt das Leben an alle Menschen die gleichen Fragen: Kannst du lesen, schreiben, rechnen und kannst du dich adäquat benehmen? Die Relativierung pädagogischer Ziele im Sinne von Beliebigkeit und bunter Vielfalt steht häufig in einem krassen Widerspruch zu den Anforderungen des Erwachsenlebens. Schließlich soll die Schule Kinder auf das Erwachsenenleben vorbereiten. Das Erwachsenenleben ist ja nicht inklusiv. Jede entwickelte Gesellschaft ist hoch gespalten. Die Vorstellung von Inklusion und Gemeinsamkeit in der Schule, der eine Gemeinsamkeit im Leben entsprechen soll, ist manchmal vielleicht doch ein wenig zu idyllisch. Der begrüßenswerte Grundgedanke der Inklusion ist ja, dass Kinder mit Behinderung einen uneingeschränkten Zugang zu Bildungseinrichtungen haben, dass sie am Reichtum des Lebens partizipieren und in ihrer individuellen Eigenart anerkannt werden. Ob dazu wirklich in jedem Fall eine gemeinsame Beschulung notwendig ist, oder ob dies auch in anderen pädagogischen Bezügen erreicht werden kann, wäre ja noch zu überprüfen. ….
Alles vom 18.5.2015 bitte lesen auf
https://bildungsklick.de/a/83752/ich-glaube-nicht-dass-der-inklusive-weg-immer-der-richtige-ist/

Homepage Prof. Dr. phil. Bernd Ahrbeck
https://www.reha.hu-berlin.de/personal/mitarbeiter/2794

 

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