Hattie-Ranking: Teacher first

Kleine Klassen, finanziell luxuriöse Schulausstattung, offene Unterrichtformen, moderne Lernumgebungen und Privatschulen bringen nichts. Auch der nervös-geschäftige Reformismus von Rot-Grün mit Gemeinschaftsschule und Kita-Bildung ist irrelevant für den Lernerfolg. Entscheidend ist die Lehrerin, der Lehrer. Zu diesem Ergebnis kommt der neuseeländische Unterrichtsforscher John Hattie in seiner Analyse „Visible Learning“ mit der weltweit größten Datenbasis von 250 Mio Schülern.

Professort John Hattie aus Melbourne war fleissig: Über 15 Jahre lang hat er weltweit sämtliche über 50000 englischsprachigen Studien zum Lernerfolg gesichtet, über 500 Metaanalysen (z. B. zu Hausaufgaben, Förder-unterricht, Vokabellernen, Sitzenbleiben, Elternarbeit usw.) ausgewertet und zur großen Synthese der empirischen Unterrichtsforschung in das 2008 erschienenes Buch „Visible Leaning“ eingearbeitet. Für die unterschiedlichen Lernbedingungen und Unterrichtsmethoden ermittelte Hattie dann je einen Erfolgsfaktor – Effektstärke genannt -, die er in einer Tabelle anordnete. Und diese Tabelle ist für alle reformpädagogisch Bewegte schwer verdaulich: „Wir diskutieren leidenschaftlich über die äußeren Strukturen von Schule und Unterricht. Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig“, so Hattie. Die größten Unterschiede im Lernzuwachs zeigen sich nicht zwischen den Ländern, Regionen bzw. Schulen, sondern zwischen den einzelnen Klassen, also zwischen den einzelnen Lehrern. Deshalb heißt Hatties zentrale Message: Was Schüler lernen, bestimmt der einzelne Pädagoge – alle anderen Einflußfaktoren sind demgegenüber zweitrangig: Finanzielle Ausstattung der Schule (kein Einfluß auf Wissensgewinn), kleine Klassen (im Ranking weit unten auf Platz 106), Schulformen, offener Unterricht, Notengebung, Jahrgangsübergreifende Klassen, Teamarbeit, Individualisirung des Unterrichts … Wenn die Initiative „Schule im Aufbruch“ fordert, dass Schüler „ihre Lernprozesse am besten selbst gestalten“, dann landet dies im Hattie-Ranking ganz unten – in punkto Lernerfolg als irrelevant.

Wenn demnächst „Visible Learning „in der deutschen Übersetzung des Schulforschers Klaus Zierer als Buch erscheint, dann werden auch bei uns Hatties Befunde beachtet werden: Das Schulsystem hinterfragen bringt nichts, der Lehrer muß wieder ins Zentrum jeder Diskussion über die Schule gerückt werden. Gute Pädagogen sind wichtig, mit „Liebe zum Fach“, schlechte Lehrer müssen besser werden oder ihren Job wechseln. Die Ignoranz, Qualitäts-unterschiede zwischen Lehrern anzuerkennen, bezeichnet Hattie als „Verschwörung des Schweigens“. Jeglicher Methodenstreit ist Hattie zuwider – ein guter Lehrer verfügt über vielfältige Methoden, auch den oft so verpönten Frontalunterricht (direct instruction). Konsequente Klassenführung (classroom management), Gewährleistung des Schülerverständnisses (teacher clarity), strenge Kontrolle von der ersten bis zur letzten Minute, dabei aber: „Ein guter Lehrer sieht den eigenen Unterricht mit den Augen seiner Schüler“. In seinem zweiten, 2011 erschienenen Buch „Visible Learning for Teachers“ beschreibt Hattie dies als Pädagogik der permanenten Selbstreflektion. Nicht verhandelbar für Hattie ist die emotionale Seite des Lernens – ohne Vertrauen, Fürsorge, Einfühlungsvermögen, Liebe und Respekt gelingt Unterricht nicht.

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