Ehrenamt real – Jugend virtuell?

Ohne Ehrenamt läuft nichts. Am Tag des Ehrenamts würdigt die Stadt engagierte Bürger – Wie holt man die Jugend ins Boot? Heute ist der Internationale Tag des Ehrenamts. Ohne dieses Engagement würde eine Stadt wie Freiburg kollabieren. Stellvertretend werden einzelne Personen und Projekte am Donnerstag in einem Festakt geehrt. Die
Auswahl dürfte der Jury diesmal nicht leicht gefallen sein. Doch wie wird es in Zukunft sein?

Jeder dritte Freiburger ist ehrenamtlich engagiert. Oft erweist sich das Engagement nach Feierabend als  aufwändiger Zusatz-Job. Dabei bekommen die Freiwilligen weder Geld noch große öffentliche Anerkennung. Doch das schreckt die Freiburger nicht ab. Die Möglichkeiten, sich  einzubringen, sind so breit gefächert wie das städtische Leben selbst: Die Palette reicht von der Bahnhofsmission, über Bachpatenschaften bis hin zur Freiwilligen Feuerwehr. Von der Justiz, dem Breitensport bis zur Seniorenbetreuung. Dazu kommen die Bürgervereine, die DRK-Freiwilligen und die Tierschützer. Kaum ein Bereich käme ohne die Ehrenamtlichen aus, ohne sie würde das Gemeinwesen in sich zusammenfallen. Bei Blutspendeaktionen fehlte das Personal, den Sportvereinen die Betreuer und vielen Stadtteilen fehlte es an Leben.
„Zum Glück haben wir in der Stadt eine große Kultur des gesellschaftlichen Engagements, die historisch tief verwurzelt ist“, sagt Gerhard Rieger von der Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement. Die Stadt versuche diese Aktivitäten so gut zu unterstützen wie es gehe. Um die städtische Wertschätzung auszudrücken, ehrt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach morgen Abend im Bürgerhaus Seepark stellvertretend drei Personen und zwei Projekte. Es  wird ein festlicher Akt vor 400 geladenen Personen. Ein stellvertretendes Dankeschön von offizieller Seite für ein funktionierendes Netzwerk der Mitmenschlichkeit. Doch wird das ehrenamtliche Prinzip auch noch von den nachrückenden Generationen gelebt werden?
Vielerorts zeichnet sich ein holpriger Generationenwechsel ab. Wenn beispielsweise ein Alt-Freiburger, der sich seit 30 Jahren in seinem Stadtteil engagiert, auf einen hinzugezogenen  30-Jährigen trifft, können sich erhebliche kulturelle Differenzen auftun. Ein Problem ist zudem, dass Jugendliche ein eher verstaubtes Bild vom Ehrenamt vor Augen haben. Bereiche wie die Freiwillige Feuerwehr bekommen das bereits zu spüren.
„Natürlich brauchen wir die Jugend. In diese Richtung müssen wir unseren Blick richten“, sagt Rieger. Es gehe darum, Brücken zu schlagen. Doch wird das gelingen? Rieger sieht dies zwiespältig: Dafür spricht die starke kulturelle Ausprägung des ehrenamtlichen Engagements in Freiburg sowie der Drang des Menschen, sich neuen Dingen zu stellen, die der Beruf oder die Ausbildung  nicht hergeben. Andererseits registriert auch Rieger die  weit verbreitete „Daumen-rauf-Daumen-runter“-Kultur im Stil von Facebook.

Geht ein junger Mensch, der sich hauptsächlich im virtuellen sozialen Netzwerk bewegt, auch irgendwann raus in die reale Gesellschaft und packt Dinge an, um etwas zu verändern? Gerhard Rieger, der Ehrenamt-Beauftragte der Stadt Freiburg lässt leise Zweifel durchblicken. Andererseits stimmen ihn junge Leute, für die es Herausforderung und Erfüllung zugleich ist, beispielsweise alten Menschen zu helfen, hoffnungsfroh.
Klar ist jedoch, dass es  mehr Anreize braucht, seine Zeit kostenlos der Allgemeinheit  zur Verfügung zu stellen. Dass sich ehrenamtliches Engagement gut im Lebenslauf macht, ist sicher hilfreich – doch reicht das allein? In den Sportvereinen wird es auch in Zukunft keine Probleme geben, doch wer löscht Feuer, hilft beim Blutspenden oder unterstützt die Alten?
Aus Sicht von Ernst Lavori, dem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine, müsste es mehr finanzielle Unterstützung geben. „Land und Stadt geben zu wenig Geld. Mit 2.000 Euro im Jahr kann ein Verein nicht viel stemmen“, sagt Lavori. Ohne massive eigene Mittel ginge es in vielen Bereichen gar nicht. „Das führt dazu, dass wer ein Ehrenamt ausüben möchte,  Geld mitbringen muss. Manche wollen sich das nicht leisten, andere können es nicht“, weiß er. Ein weiteres Problem sei es, dass sich die Hauptarbeit oft auf wenige Schultern verteile. „Wenn das Engagement breiter wäre, könnte man noch viel mehr leisten“, sagt er. Die Frage, warum er trotz solcher Hemmnisse seit über 20 Jahren dabei ist, beantwortet er pragmatisch: „Ich sehe einfach die Notwendigkeit etwas zu tun, weil ohne ehrenamtliches Engagement in einigen Bereichen gar nichts gemacht würde. Es ist aber auch reizvoll, Dinge möglich zu machen.“
5.12.2012, Sven Meyer, www.freiburger-wochenbericht.de

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